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b) Der Zueignungsbegriff und seine Grenzen
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Zunächst ist zu betrachten, was eigentlich unter Zueignung verstanden werden kann.[280]
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aa) Zueignung ist „die in einer äußeren Handlung manifestierte Herstellung der eigentümerähnlichen Herrschaft über eine Sache“.[281] Mit der Zueignung wird das Ziel verfolgt, wie ein Eigentümer endgültig über die Sache zu verfügen[282] und demnach den Eigentümer von der Sachherrschaft auszuschließen sowie die Sache dem eigenen Vermögen einzuverleiben.[283] Hierfür ist ausreichend, dass sich der Aneignungsentschluss in einer Weise äußerlich manifestiert, der die dauerhafte Enteignung nicht ausschließt,[284] was aber den Regelfall darstellen dürfte. Zu untersuchen ist daher auf objektiver Ebene, ob die Tathandlung den Eindruck einer Aneignung, d.h. eines nur hypothetischen Zueignungswillens erweckt, und erst beim subjektiven Tatbestand, ob sich in diesem Verhalten auch tatsächlich ein Zueignungswille manifestiert hat. Die Fragen, ob es einer „Eindeutigkeit“ der Zueignung bedarf, ist lediglich ein Streit über einen nicht in der Norm verankerten Begriff, vielmehr ist zusammenfassend zu sagen: Auf der einen Seite genügt es nicht, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, die man von ihm auch ohne Zueignungswillen hätte erwarten können.[285] Auf der anderen Seite muss der Manifestationsakt nicht notwendigerweise aus sich heraus nur als Aneignung verstanden werden können,[286] denn es ist praktisch kaum möglich im Hinblick auf die vielen möglichen Handlungsmöglichkeiten die nötige Konsequenz durchzuhalten. Eine Unterschlagung durch Unterlassen ist lediglich in Ausnahmefällen möglich, denn z.B. weder das pflichtwidrige Unterlassen der Rückgabe eines Vertragsgegenstandes nach Vertragsablauf,[287] noch die unterbliebene Herausgabe nach berechtigtem Verlangen des (Sicherungs-)Eigentümers[288] reichen für gewöhnlich aus, einen auf die Herstellung einer Scheineigentümerstellung gerichteten Willen zu manifestieren.[289]
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Indizien für einen Zueignungswillen, oft aber erst zusammen mit weiteren Umständen, können etwa das Leugnen des Besitzes,[290] der Weitergebrauch eines gemieteten Autos nach Vertragsablauf,[291] das Fortschaffen sowie der Weitergebrauch eines sicherungsübereigneten Gegenstandes nach berechtigtem Herausgabeverlangen sein.[292]
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bb) Der Begriff der Zueignung ist aber von jeher umstritten, und bis heute werden Auffassungen vertreten, die in vielfacher Hinsicht teils von den angegebenen Grundsätzen bereits im Ausgangspunkt abweichen (etwa das Erfordernis einer dauerhaften Enteignung bestreitend),[293] teils diese Grundsätze näher konkretisieren. Im Rahmen der Auslegung des heutigen – auf das Gewahrsamserfordernis verzichtenden und Drittzueignung ausdrücklich nennenden – Tatbestandes unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG) muss darauf geachtet werden, für den Bürger aus der Formulierung nicht erkennbare Verhaltensweisen auszunehmen. Ebenso ist dem Gedanken zu folgen die Sachentziehung nicht allgemein, sondern nur unter weiteren Voraussetzungen unter Strafe zu stellen. Dass der Gesetzgeber des 6. StrRG den Bereich der Strafbarkeit ausgedehnt und im Einzelfall die Grenzziehung von der Teilnahme hin zur Täterschaft[294] verschoben hat, ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden und erst recht nicht „durch Auslegung“ zu konterkarieren; an einer Verfeinerung der Grundsätze zur Zueignung besteht allerdings insoweit Bedarf, als sie allein die Grenze zur straflosen Sachentziehung noch nicht abschließend klären. Besonders ist eine weitere Ausarbeitung der äußeren Umstände erwägenswert, um klarzustellen, dass die Neufassung der Vorschrift keine Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts ins Versuchsstadium hinein bedeutet,[295] denn eine solche war vom Gesetzgeber nicht intendiert und wäre zudem systemwidrig.
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Hierzu wird im Einzelnen vertreten, ein altruistisches Verhalten aus dem Tatbestand auszunehmen bzw. einen wenigstens mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil zu verlangen,[296] eine tatsächliche Rechtsgutsgefährdung zu fordern, in Abkehr von der Vereinigungstheorie nur mehr die Zueignung der Sachsubstanz und nicht mehr des in der Sache verkörperten Wertes ausreichen zu lassen,[297] nur unmittelbar den Besitz ändernde Handlungen als Zueignung anzusehen,[298] gar einen endgültigen Eigentumsverlust zu verlangen[299] oder zumindest einen „Enteignungsgefahrerfolg“.[300] Darüber hinaus wird eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach typischem Unrechtsgehalt statt nach allgemeinen Kriterien erwogen.[301]
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Eine denkbare und zugleich im Ergebnis ausgewogene und systematisch widerspruchsfreie Lösung könnte darin gesehen werden, bei der Zueignungsmanifestation – ähnlich wie bei den Gutglaubensvorschriften zum Eigentumserwerb an beweglichem Vermögen (§§ 932 ff. BGB) – auf die rechtsscheinbegründende Beziehung des Täters und des Begünstigten (Täter oder Dritter einer Drittzueignung) zur Sache abzustellen, mit der Folge, dass eine Postulation eines Gewahrsamserfordernisses (entgegen der Neufassung) vollkommen entbehrlich wird. Unter Bezugnahme auf diese Beziehung ist es möglich, zwei Regeln aus der Systematik von BGB und StGB sowie der sprachlichen Semantik zu entwickeln: Erstens ist das Verhalten des Täters nur dann als Manifestation einer Zueignungsabsicht zu sehen, wenn der Täter oder der Dritte einer Drittzueignung bei der Tathandlung im (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitz der Sache ist oder wenn der Täter zurechenbar den Rechtsschein mittelbaren Besitzes setzt und eine scheinbare Geheißperson zur Übergabe der Sache veranlasst. Zweitens setzt eine erfolgreich vollendete Manifestation der Zueignungsabsicht voraus, dass der Begünstigte Eigenbesitz begründet.[302]
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cc) Weiterhin kann sich der Täter dieselbe Sache nach zutreffender Auffassung nicht mehrfach zueignen, sofern er nicht zwischenzeitlich seine Schein-Eigentümerstellung verloren hat.[303] Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Erstzueignung eine Unterschlagung darstellt oder nicht.[304] Die Manifestation des fortwährend bestehenden Willens zur Schein-Eigentümerschaft ist technisch keine Zueignung, erfüllt also nicht erneut den Tatbestand. Diese „Tatbestandslösung“ trifft in der Literatur teilweise auf Kritik, stattdessen werden entsprechende Fälle im Wege der „Konkurrenzlösung“ als mitbestrafte Nachtat behandelt.[305] Dies hat zum einen zur Folge, dass eine Teilnahme an der zweiten Zueignung möglich ist, führt aber zum anderen zu kaum vermittelbaren Konsequenzen bei der Verjährung. Die Einführung der Subsidiaritätsklausel hat diese Frage ebenfalls nicht beantwortet, da diese zum einen nur das Verhältnis zu anderen Deliktstatbeständen betrifft und zum anderen nur die jeweils gleiche Tat vor Augen hat.[306]
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Anderes gilt aber in Fällen, in denen der Täter sich eine Sache zunächst selbst zugeeignet hat und sich später entschließt, sie nunmehr einem Dritten zuzueignen. Hierin kann eine manifestationsfähige Willensänderung liegen, denn hier entsteht „neues Scheineigentum“.[307]