Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich, Dennis Bock - Страница 83
1. Unbefugte Verwendung eines Fahrzeugs, § 248b StGB
Оглавление146
Die Vorschrift stellt in Abweichung von der ansonsten geltenden Straflosigkeit des „Gebrauchsdiebstahls“ (furtum usus) den Sonderfall der Anmaßung des Gebrauchs von Fahrzeugen unter Strafe und wurde durch das 3. StrÄndG vom 4. August 1953[478] eingefügt. Geschütztes Rechtsgut ist das Gebrauchsrecht,[479] denn hierfür sprechen sowohl der Wortlaut der Norm als auch die Gepflogenheiten des Automobilmarktes, erfolgt in diesem doch oft eine Trennung von Nutzungsberechtigung und Eigentum, etwa bei einem Ratenkauf unter Eigentumsvorbehalt oder Leasingverträgen. Eine andere Ansicht hingegen sieht – mit beachtlichen Argumenten – das Eigentum als geschütztes Rechtsgut an und begründet dies mit der systematischen Stellung der Vorschrift,[480] wobei diese Ansicht zur Folge hat, dass der Eigentümer gegenüber dem Nutzungsberechtigten kein tauglicher Täter wäre. Dies steht letztlich aber im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift, denn es wird kein „fremdes“ Fahrzeug gefordert und es wird zudem auf den Willen des „Berechtigten“ und nicht auf den des Eigentümers abgestellt. Auch erfolgt mittelbar ein Schutz gegen die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch unbefugte und damit gefahr- und unfallträchtige „Schwarzfahrten“.[481]
147
a) Taugliche Tatobjekte sind lediglich Kraftfahrzeuge und Fahrräder. Entsprechend der Legaldefinition in Abs. 4 sind Kraftfahrzeuge solche Fahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Gleise gebunden zu sein, wie z.B. Autos, Motorräder, Flugzeuge und Motorschiffe. Straßenbahnen und Fahrzeuge ohne eigenen Antrieb wie Segelflugzeuge, Segelboote und Anhänger sind dagegen nicht erfasst. Ebenso sind Oberleitungsbusse, Seil-, Hänge- und Schwebebahnen aufgrund ihrer (wie bei einer Gleisgebundenheit) eingeschränkten Beweglichkeit und Reichweite und der damit leichteren Wiederauffindbarkeit ebenfalls keine tauglichen Tatobjekte.[482]
148
Das Fahrrad ist hingegen nicht legaldefiniert. In Abgrenzung zu den motorbetriebenen Kraftfahrzeugen sind darunter radgebundene Fortbewegungsmittel zu verstehen, die mit Körperkraft betrieben werden.[483] Unter den Begriff fallen auch Sondermodelle wie z.B. Dreiräder und Krankenfahrstühle, denn – wie bei den Kraftfahrzeugen auch – besteht keine Abhängigkeit zu der tatsächlichen Anzahl der Räder.[484] Hingegen fallen Tretroller (sog. „Kickboards“ oder „Scooter“, soweit sie nicht motorisiert sind und daher als Kraftfahrzeuge gelten) nicht unter die Wortschrift, da diese bereits außerhalb des denkbaren Wortsinns liegen dürften.
149
b) Die Vorschrift setzt weiter eine Ingebrauchnahme eines der genannten Fahrzeuge voraus. Hierunter versteht man das Ingangsetzen bzw. Inganghalten des Fahrzeugs zur selbstständigen Fahrt.[485] Auch wird ein widerrechtlicher Weitergebrauch nach erkannter Nichtberechtigung erfasst,[486] denn ein Gewahrsamsbruch ist gerade nicht nötig.[487] Das bloße Mitfahren stellt kein selbstständiges Fahren dar und ist daher straflos.[488] Für eine Ingebrauchnahme bedarf es des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel.[489] Dies ist bereits durch ein Rollenlassen des Fahrzeugs auf abschüssiger Straße der Fall,[490] hingegen genügt nicht das bloße Starten und Laufenlassen des Motors oder die Bedienung bestimmter Einrichtungen des Fahrzeugs. Ein Um- oder Einparken ist bereits tatbestandsmäßig,[491] eine nennenswerte Ortsveränderung ist gerade nicht nötig.[492] Die Vollendung erfolgt durch die Ingebrauchnahme; in deren Einstellung liegt die Beendigung der Tat.[493]
150
c) Die genannte Ingebrauchnahme muss weiterhin gegen den (ausdrücklichen oder mutmaßlichen) Willen des Berechtigten geschehen, weshalb ein Einverständnis des Berechtigten bereits tatbestandsausschließend wirkt. Berechtigt ist dabei, wer aufgrund dinglichen, obligatorischen oder sonstigen Rechts (z.B. als Eigentümer, Halter, Mieter, angestellter Fahrer etc.) befugt ist, über den Besitz am Fahrzeug zum Zwecke des Gebrauchs zu verfügen.[494] Aufgrund des Umstandes, dass das Nutzungsrecht – wie etwa in den oben genannten Fällen des Leasings oder Verkaufs unter Eigentumsvorbehalt – nicht notwendigerweise dem Eigentümer zustehen muss, kann auch dieser sich des unbefugten Gebrauchs des in seinem Eigentum stehenden Fahrzeugs strafbar machen.
151
Ob die Möglichkeit tatbestandsrelevanter Nutzungsbeschränkungen durch den Berechtigten existiert, ist umstritten. Eine Ansicht vertritt mit Blick auf den Begriff „Ingebrauchnahme“ die Meinung, es fehle an der nötigen Befugnis nur dann, wenn der Nutzungsbeginn bereits ohne Befugnis war.[495] Überzeugender ist aber der Ansatz einer (unterschlagungsähnlichen) Gebrauchsanmaßung, bei der auch der grundsätzlich befugte Täter die ihm eingeräumte Sachherrschaft zu unberechtigtem Gebrauch nutzen kann.[496] Was in die Nutzungsbefugnis fällt, wird durch den – nicht unbedingt ausdrücklich erklärten – Willen des Berechtigten bestimmt, weshalb jeder Gebrauch außerhalb der inhaltlichen (Routen- oder Geschwindigkeitsvorgaben, Alkoholverbote usw.) oder zeitlichen Grenzen der Gebrauchsüberlassung unbefugt im Sinne der Vorschrift ist.[497] Im Gegensatz hierzu ist aber die Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs durch einen an sich Unberechtigten allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt und daher nicht tatbestandsmäßig.[498]
152
Auf Ebene des subjektiven Tatbestands bedarf es (zumindest bedingten) Vorsatzes, der sich auf alle Tatbestandsmerkmale und damit auch auf den entgegenstehenden Willen des Berechtigten erstrecken muss. Ein Irrtum über das Einverständnis stellt einen Tatbestandsirrtum dar.
153
d) Der Versuch ist nach § 248b Abs. 2 StGB strafbar. Im Falle von Kraftfahrzeugen beginnt er u.U. schon mit dem Aufbrechen des Schlosses,[499] jedenfalls aber mit dem Einschalten der Zündung.[500]
154
Die Teilnahme richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Es handelt sich nach h.M. auch nicht um ein eigenhändiges Delikt, so dass für Mitfahrer auch eine Mittäterschaft oder mittelbare Täterschaft in Betracht kommt. Die Ausnutzung einer bereits von einem Dritten geschaffenen Situation begründet keine strafbare Beteiligung, da zur Ingebrauchnahme ein eigenständiger Beitrag zu leisten ist.[501]
155
e) Die in § 248b Abs. 1 a.E. StGB enthaltene Subsidiaritätsklausel greift typischerweise bei Vorschriften ein, die – bei gleich oder ähnlich gelagertem Rechtsgüterschutz[502] – mit einer höheren Strafandrohung aufwarten. Eine Subsidiarität des § 248b StGB ist daher insbesondere gegenüber den täter- oder teilnehmerschaftlich begangenen Eigentumsdelikten der §§ 242, 246 StGB, aber auch gegenüber den Vermögensdelikten der §§ 253, 263, 266 StGB, wenn der Täter den Besitz am Fahrzeug aufgrund Nötigung, Täuschung oder Missbrauchs bzw. Treuebruchs erlangt, anzunehmen. Hingegen bleibt nach h.M. weiterhin eine echte Konkurrenz möglich, wenn die Vorschriften eine andere Schutzrichtung, wie etwa §§ 222, 229 StGB, entfalten.[503] Werden während des Gebrauchs Straßenverkehrsdelikte (z.B. §§ 142, 315c, 316 StGB bzw. § 21 StVG) begangen, so ist i.d.R. Tateinheit anzunehmen.[504]
156
Die Zueignung des verbrauchten Kraftstoffs sowie anderer dem Betrieb dienenden Substanzen, die mit der unbefugten Benutzung verbunden ist, wird nach h.M. als notwendige Begleittat von § 248b StGB konsumiert. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass sonst die Subsidiaritätsklausel des § 248b StGB und die gegenüber § 242 StGB privilegierte Strafdrohung ohne Wirkung wäre.[505] Wollte der Täter sich aber gerade die verbrauchten Stoffe sparen, so kann das Ergebnis ein anderes sein.[506]
157
f) Die Tat wird gemäß § 248b Abs. 3 StGB nur auf Antrag verfolgt. Verletzter i.S.d. § 77 StGB und damit antragsberechtigt ist nach h.M. der Gebrauchsberechtigte. Fristbeginn der Antragsfrist ist nach § 77b StGB die Kenntnis der Beendigung des unbefugten Gebrauchs. Ist der Strafantrag lediglich auf eine Verurteilung wegen Diebstahls gerichtet, so umfasst dieser nicht auch den unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeugs. Da es sich bei § 248b StGB um ein Vergehen handelt, ist neben einer Erledigung im Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) grundsätzlich auch die Einstellung über die §§ 153, 153a StPO möglich. Der unbefugte Gebrauch des Fahrzeugs fällt nicht in den Katalog der Privatklagedelikte gemäß § 374 StPO, weshalb dem Gebrauchsberechtigten das Klageerzwingungsverfahren offen steht.