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Arzt in Demmin
ОглавлениеAm 13. März 1961 begann ich meine Tätigkeit in der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses Demmin als Pflichtassistent. Damals durften Ärzte, die erst frisch vom Examen gekommen waren, im ersten Jahr nur unter Aufsicht erfahrener Berufskollegen arbeiten, was im Krankenhaus geschah. In die Arbeit der internistischen Abteilung fand ich mich rasch hinein und mein Studium erwies sich hier als sehr praxistauglich. Gearbeitet wurde täglich, so lange etwas zu tun war, meist über acht Stunden hinaus. Und schon nach einem Monat Arbeit, am 12. April 1961, stand mein erster eigener Bereitschaftsdienst an: notwendige Sofortmaßnahmen bei allen Patienten der gesamten Inneren Abteilung und der Kinderabteilung sowie Notaufnahmen und deren Erstversorgung. Das hieß im Krankenhaus schlafen, soweit und so lange das Telefon am Bett es zuließ. Für ernsthafte Probleme gab es eine zweite Bereitschaft, den sogenannten „Hintergrunddienst“, einen Oberarzt, den man zu Haue anrufen und um Rat fragen oder auch allenfalls bitten konnte, ins Krankenhaus zu kommen. Der Abend ließ sich ernst an. Es war nur ein Bett für Notaufnahmen frei. Nachmittags wurde es noch während der regulären Arbeitszeit mit einer Frau belegt, die einen schwersten Herzinfarkt hatte. Sie verschied – wie der Oberarzt schon vorhergesehen hatte und sie selbst es ahnte – trotz meines vollen Einsatzes nachts gegen 24 Uhr. Sofort danach kam als Notaufnahme ein Mann mit Magenblutung in ihr soeben frei gewordene Bett. Ihn konnte ich lebendig durchbringen und er hat später auch das Haus zunächst gesund verlassen.
So verbrachte ich jene Nacht, in der weltweit die Menschen an den Radios hingen, um zu hören, wie der erste Mensch im Kosmos die Erde umrundete: Juri Gagarin. Mein Bett blieb ziemlich unberührt. Und am nächsten Tag lief die normale Arbeit ganz selbstverständlich weiter. Diese Zusatzbelastung war etwa alle drei bis vier Tage angesagt. Schwangere und Ärzte über 60 Jahren waren von dieser Aufgabe freigestellt, was nicht dazu beitrug, Frauen bei jenen Kollegen beliebter zu machen, die dann noch mehr Nächte opfern mussten. Die mir vorgesetzte Stationsärztin sprach anfangs nicht über ihre vermutliche Schwangerschaft. Nur wunderten wir uns, warum ihr Ehemann – ebenfalls Arzt, aber nicht im Krankenhaus – ihre Nachtdienste übernahm, bis der Grund seiner Hilfe offenbar wurde.