Читать книгу Hygienearzt in zwei Gesellschaften - Dietrich Loeff - Страница 55
Vater werden ist nicht schwer
ОглавлениеAm 23. Dezember 1961 heirateten wir. An die Hochzeitsfeier in Großräschen, die meine Schwiegereltern wunderbar ausgerichtet hatten, erinnere ich mich im Gegensatz zur Verlobungsfeier noch sehr gut. Die Wirtsleute hatten zunächst Furcht: „O Gott, es kommen Berliner! Noch dazu junge Ärzte. Werden die denn mit unserem Essen zufrieden sein?“ Wir konnten sie sehr bald vollständig beruhigen. Die gesamte Feier war von Anfang bis Ende traumhaft schön. Meine Mitstudenten aus unserer Staatsexamens-Prüfungsgruppe waren überwältigt, machten jeden Spaß dankbar mit und alle Gäste feierten mit Hingabe. Speisen und Getränke brauchten sich vor guten Restaurants in Ostberlin wahrlich nicht zu verstecken – eher umgekehrt!
Meine Frau überzeugte mich nun von ihren Kochkünsten. War ich vor der Ehe ein schlanker, ja fast dünner Mensch, gewann ich bei Brunhildes guter Pflege bald an Gewicht und habe jetzt seit Jahrzehnten mäßiges Übergewicht. Klage ich darüber, droht mir meine bessere Hälfte mit schlechterem Essen. Dann enden meine Vorsätze zur Gewichtsverminderung sehr schnell. Gerade im Alter muss man ja bei manchen anderen Genüssen kürzer treten. Dazu sagte schon ein erfahrener Zahnarzt am Ärztestammtisch Demmin: „Je älter man wird, desto lieber isst man.“ Leider hat er bis heute Recht behalten, jedenfalls bei mir – zum Schaden meines Bauchumfanges.
1963 und 1965 kamen meine zwei Söhne Reinhard und Peter zur Welt. Manche Frauen lächeln hier und da etwas, wenn wir Männer vor und bei der Entbindung aufgeregter sind, als die werdenden Mütter selbst. Wenn sie es doch verstehen könnten: Es ist das Gefühl, der geliebten Frau in einer schwierigen Lage nicht helfen zu können. Die Anwesenheit des Partners im Kreißsaal war damals noch völlig unüblich. Er musste zu Hause auf den erlösenden Anruf warten, vorausgesetzt er hatte überhaupt einen Telefonanschluss. Ich versuchte es mit Selbstironie und benachrichtigte meine Mutter hinterher mit dem Telegramm: „Gestern 23:10 Uhr Reinhard geboren. Kind und Eltern wohlauf.“