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Ein letzter großer Auftritt
Оглавление1995/96 ist Cruyffs letzte Saison bei Barça. Der Klub hat sich mit dem 22-jährigen Portugiesen Luís Figo von Sporting Lissabon verstärkt, mit dem Guardiola Freundschaft schließt. Wie schon in der Vorsaison bleibt der FC Barcelona ohne Titel.
Immerhin erreichen Guardiola und Co. im UEFA-Cup das Halbfinale, in dem man auf den FC Bayern München trifft. An das Hinspiel im Münchner Olympiastadion erinnert sich Guardiola noch Jahre später gerne. Es ist eine weitere Begegnung, die dem späteren Trainer bleibende Aufschlüsse liefert. Zumindest in den ersten 45 Minuten.
In München stehen in Cruyffs Anfangself sieben Spieler, die aus La Masia stammen. Das Tor hütet Carles Busquets, dessen Sohn Sergio später unter dem Trainer Guardiola spielen wird, in der Abwehr lässt Cruyff mit einer Dreierkette aus Popescu, Guardiola und Ferrer agieren. Da bei den Katalanen die gesperrten Defensivkräfte Nadal, Sergi und Abelardo fehlen, hat Cruyff Guardiola auf eine Linie mit Popescu (gegen Klinsmann) und Ferrer (gegen Papin) zurückgezogen. Nur einer der elf Akteure, die in München auflaufen, ist ein gelernter Verteidiger, der Rest sind Mittelfeldspieler. Der Trainer Guardiola wird diese Vorliebe für gelernte Mittelfeldspieler, die flexibel in anderen Mannschaftsteilen eingesetzt werden können, übernehmen.
Mit Barças gekonntem Direktspiel und der variablen Spielweise, für die man keine Zuordnungen findet, kommen die Bayern zunächst überhaupt nicht zurecht. Der „kicker“ spricht später von einer „Lehrvorführung für die Münchner in Sachen Technik und vor allem Taktik durch die Katalanen“.
Beim Halbzeitpfiff führt Barça durch ein Tor von Oscar aus der 14. Minute mit 1:0, womit die Bayern bestens bedient sind. Im zweiten Durchgang setzt Bayern-Coach Otto Rehhagel mehr auf Offensive. Für Herzog und Kreuzer, den auf der linken Seite das permanente Wechselspiel zwischen Oscar und Bakero überfordert, kommen Sforza und Witeczek. Letzterer spielt nun als dritte Spitze neben Klinsmann und Papin, wodurch Barças Dreierkette die Absicherung fehlt und unter Druck gerät. In der 52. Minute kann Witeczek ausgleichen, fünf Minuten später gelingt Scholl sogar die 2:1-Führung. Hagi schießt in der 77. Minute das 2:2 für die Gäste, was auch der Endstand ist. Die erste Halbzeit von München war der letzte spektakuläre Auftritt von Cruyffs Barça. Auch deshalb nimmt dieses Spiel wohl in Guardiolas Erinnerungen einen besonderen Platz ein.
Für das Rückspiel in Barcelona ändert Cruyff seine Formation gleich auf fünf Positionen. Guardiola fehlt ebenso wie die Torschützen von München, Oscar und Hagi. Was dann im mit 115.000 Zuschauern ausverkauften Camp Nou aufläuft, hat für Udo Lattek nur den Charakter einer „besseren spanischen Junioren-Auswahl“ und ist „alles andere als ein europäisches Klasseteam“. Für Lattek geht es Cruyff „nur noch um die Demonstration seiner Macht im Verein, nicht mehr um die Entwicklung der Mannschaft“. Im Gegensatz zum flexiblen Vortrag von München spielt Barça nun ziemlich starr. Die drei Spitzen halten ihre Positionen, auch im Mittelfeld und in der Dreierabwehr findet kein Wechselspiel statt, was den Bayern die Zuordnung erleichtert.
Die Münchner gewinnen mit 2:1 und ziehen ins Finale ein. Die Tore erzielen Babbel (40.) und Witeczek (84.), beide Male leistet Mehmet Scholl die Vorarbeit. Scholl zeigt an diesem Abend das vielleicht beste Spiel seiner langjährigen Karriere im Bayern-Trikot. Das Ergebnis wirkt knapper, als das Spiel verlaufen ist, denn Barça kommt erst in der 89. Minute zum Anschlusstreffer, erzielt vom viel zu spät eingewechselten Iván de la Peña, einem nur 1,71 m großen La-Masia-Absolventen, der als neuer Maradona gehandelt wird.
Während der „kicker“ vom „Wunder von Barcelona“ titelt, mahnt Udo Lattek zur Nüchternheit: „Der FC Barcelona von heute ist nicht mehr die große Mannschaft, sondern absoluter Durchschnitt. Viele haben sich von der ersten Halbzeit in München blenden lassen. Sicher, damals war ein echter Klassenunterschied erkennbar, aber so stark wie in diesen 45 Minuten hat Barça seit drei Jahren nicht mehr gespielt.“
Nur wenig später ist Schluss für Guardiolas Ziehvater Cruyff. Am 18. Mai 1996 setzt der FC Barcelona den Niederländer vor die Tür. Guardiola ist enttäuscht: „Er war der beste Trainer, den ich je hatte.“