Читать книгу Guardiola - Dietrich Schulze-Marmeling - Страница 32
„Er konnte wie ein Trainer reden“
ОглавлениеZur Saison 1997/98 übernimmt Pep Guardiola die Kapitänsbinde, auch weil van Gaal mit den arrivierten und alternden Stars aneinandergerät. Van Gaal: „Da kam ein Trainer dahergelaufen, der ihnen sagte: ‚Hier ist deine Position, und dort draußen hast du nichts zu suchen.‘ Das eckte an. Sie folgten mir, doch sie taten es ohne Hingabe. Und die ist notwendig. Es geht um die Identifikation, die man zeigen muss. Die jungen Spieler hatten sie, die wollten etwas lernen und wachsen. Xavi, Puyol, diese Jungs. Sie fingen auch keine langwierigen Diskussionen an. Ich brach mit der Gewohnheit und machte Guardiola zum Kapitän. Vor meiner Ankunft war die Hierarchie: 1. Popescu, 2. Nadal, 3. Amor – nach Alter gestaffelt. (…) Pep war nicht der Älteste und ein Stück weiter unten in der Hierarchie – hinter Popescu, Nadal und Amor. Aber Pep verstand das Spiel und besaß die kommunikativen Fähigkeiten, um das Team zu strukturieren – auf dem Feld wie in der Kabine.“ Guardiola sei ein „taktischer Spieler“ gewesen, der Einzige im Team, mit dem er sich über taktische Dinge auf Augenhöhe habe austauschen können. Van Gaal: „Er konnte wie ein Trainer reden.“ Guardiola erinnert sich an van Gaal als den Trainer, „mit dem ich am meisten über Fußball diskutierte“. Vielleicht äußert sich Guardiola hier etwas zu höflich, wie er ja generell kein schlechtes Wort über einen ehemaligen Trainer verliert. Denn der zu Selbstherrlichkeit und autoritärem Verhalten neigende „Tulpengeneral“ führt den Dialog mit den Spielern anders als Cruyff und Rexach. Auch ist er weniger als diese (und später auch der Trainer Guardiola) bereit, die Eigeninitiative der Spieler zu stärken. Auf dem Spielfeld hat sich alles in dem vom Trainer diktierten engen Rahmen zu bewegen.
Allerdings schätzt van Gaal Guardiolas emotionale Intelligenz: „Ich habe niemals den ältesten Spieler oder den besten Spieler oder den Spieler mit dem größten Mundwerk gewählt. Ich wählte den Intelligentesten in der sozialen Dynamik.“ Guardiola ist mit 26 Jahren kein junger Spieler mehr, aber auch noch nicht alt und satt.
Van Gaal denkt defensiver als sein Landsmann und lebenslanger Rivale Cruyff, wovon auch Guardiolas Position betroffen ist. Der neue Barça-Coach präferiert einen defensiven Mittelfeldspieler, der stärker verteidigen kann. Van Gaal: „Bei Barcelona hatte ich anfänglich Guardiola auf der Vier. Am Ende habe ich mich doch wieder für einen verteidigenden Typen im Zentrum entschieden. Weniger riskant.“
Zunächst kann Guardiola van Gaal ohnehin nicht helfen. Im August 1997 erleidet er in einem Champions-League-Qualifikationsspiel gegen den litauischen Klub Skonto FC eine Muskelverletzung, die den frischgebackenen Kapitän für den Rest der Saison fast komplett lahmlegt. Der FC Barcelona wird Meister, aber Guardiolas Beitrag fällt nur gering aus. In der Liga kommt er auf gerade mal sechs Einsätze.
Die Verletzung verhindert auch eine Teilnahme an der WM 1998. Zum großen Bedauern von Guardiola-Fan Jorge Valdano: „Das Fehlen des einzigen Mannes im spanischen Fußball, der es schafft, dass sich eine Mannschaft um ihn dreht, ist eine sehr schlechte Nachricht, wenn wir es vom Gesichtspunkt der Schönheit und dem Gesichtspunkt von Pep selbst betrachten, der als jemand, der den Fußball liebt, das größte Fest verpasst. Vor jedem Spiel werde ich an sein Fehlen denken, als Würdigung seiner Intelligenz und seines Engagements, die ich von meinen Lieblingstugenden am meisten bewundere.“ Ohne Guardiola fährt Spanien bereits nach der Vorrunde wieder nach Hause.
Auch 1998/99 heißt Spaniens Meister FC Barcelona. In dieser Saison kann Guardiola immerhin 22 Meisterschaftsspiele bestreiten. Die Konkurrenz im Kader ist gewachsen. Unter van Gaal verpflichtet der FC Barcelona ausländische Akteure in einem nie gekannten Ausmaß, vornehmlich Niederländer, von denen van Gaal einige bereits aus seiner Zeit als Ajax-Trainer kennt. In der Saison 1999/2000 besteht die Hälfte des 28-köpfigen Kaders aus Ausländern. Acht von ihnen – der Torwart Ruud Hesp, die Abwehrspieler Vincent Bogarde, Frank de Boer und Michael Reizinger, die Mittelfeldspieler Philipp Cocu und Ronald de Boer und die Stürmer Patrick Kluivert und Jari Litmanen – sind Landsleute van Gaals.
Van Gaals Teambuilding unterscheidet sich fundamental von dem Johan Cruyffs, der in der Presse schimpft: „Die Kabine mit acht Holländern zu füllen, ist gleichbedeutend damit, eine Zeitbombe zu legen. Ich glaube, dass ein Ajax-Fan sich mehr mit dem heutigen FC Barcelona verbunden fühlt als die Socios“ – also die Barça-Mitglieder.
Was die Fans des Klubs wollen, tun sie im März 1999 kund. Im Jahr des 100-jährigen Klubjubiläums tritt das aktuelle Barça gegen das einstige Dream-Team an. Van Gaals Elf schlägt die Veteranen mit 2:0, aber die fast 100.000 Zuschauer im Camp Nou feiern die Champions von 1992 und Johan Cruyff.
Schließlich will van Gaal auch das Urgestein Guardiola wegschicken, die letzte personelle Verbindung im Team zur Ära Cruyff. Dennoch kommt Pep in der Saison 1999/2000 auf 25 Einsätze in der Primera División, wo der FC Barcelona hinter Deportivo La Coruña nur Zweiter wird. In der Champions League ist Guardiola zwölfmal dabei, so häufig wie nie zuvor – allerdings dank eines um eine weitere Gruppenphase aufgeblähten Champions-League-Betriebs, in dem die Finalisten nun auf 17 Spiele kommen.
Für den FC Barcelona allerdings ist nach 16 Spielen Schluss. In der ersten Gruppenphase der Champions League lässt Barça den AC Florenz, Arsenal London und AIK Solna hinter sich. Auch die zweite Gruppenphase beenden die Katalanen als Erste – vor dem FC Porto, Sparta Prag und Hertha BSC Berlin. Im Viertelfinale wird Chelsea London ausgeschaltet (1:3, 5:1), aber im Halbfinale scheitert man an einem Team aus der heimischen Liga. Der FC Valencia gewinnt zu Hause mit 4:1 und kann sich im Camp Nou eine 1:2-Niederlage leisten. Guardiola ist in beiden Spielen dabei.