Читать книгу Der König und sein Spiel - Dietrich Schulze-Marmeling - Страница 23
Kapitel 3: Ajax, Mokum, Israel
Оглавление„Wäre Cruyff ein Jude, dann würde er die Liste der größten jüdischen Sportler anführen.“
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Johannes Hendrik Cruyff, genannt Johan, wächst in einer Umgebung auf, in der sich alles um Fußball dreht. Geboren wird er am 25. April 1947 als zweiter Sohn von Hermanus Cornelis „Manus“ Cruijff und Petronella Bernarda „Nel“ Draaijer. Sein Elternhaus in der Akkerstraat 32/Ecke Tuinbowstraat gehört zur Siedlung Betondorp und liegt unweit von De Meer, der damaligen Heimat von Ajax Amsterdam.
Das „Betondorf“ befindet sich im Osten Amsterdams, im Stadtteil Tuindorp Watergraafsmeer, einem im 17. Jahrhundert entstandenen Polder. Bis 1921 war Watergraafsmeer eine eigenständige Gemeinde mit etwa 10.000 Einwohnern. Gebaut wurde das „Dorp“ in den frühen 1920ern, als Reaktion auf die nach dem Ersten Weltkrieg herrschende Wohnungsnot in Amsterdam. Insbesondere das traditionsreiche Kleinhändler- und Handwerkerviertel Jordaan mit seinen engen Straßen, wo Johan Cruyffs Großvater lebte und Kartoffeln verkaufte („Cruijffs Aard-appelhandel“) und wo auch die Eltern aufwuchsen, litt unter Überfüllung.
Betondorp war ein architektonisches Experiment: Zehn Architekten entwarfen 900 Gemeindewohnungen. Ein Teil der Häuser wurde aus Backsteinen gebaut, beim anderen Teil wurden erstmals im großen Stil Fertigbauteile aus Beton verwendet. Viele Häuser erinnern deshalb optisch an Kartons. Die Wohnungen wurden zunächst vorrangig an Beamte und Facharbeiter vermietet. Kirchen und Kneipen gab es in der Siedlung nicht.
Betondorp wurde auch das „rode Dorp“ genannt, denn viele seiner Bewohner sympathisierten mit den Kommunisten und Sozialisten. Es ist ein einfaches und enges Wohngebiet, aber nicht arm. Ein Haus reiht sich an das andere, nur sehr selten wird diese Kette von unbebauten Lücken unterbrochen. In der Regel sind die Häuser zweistöckig, vereinzelt auch ein- oder dreistöckig. Die Straßennamen suggerieren einen ländlichen Charakter: So gibt es die Graanstraat (Getreidestraße), Oogst-straat (Erntestraße), die Veeteeltstraat (Viehzuchtstraße), die Landbouwstraat (Landbaustraße) und die Akkerstraat (Ackerstraße). Doch freie Flächen gibt es kaum, die Gärten messen, sofern sie überhaupt existieren, nur wenige Quadratmeter. Wer draußen spielt, muss auf die Gehwege und Straßen.
Noch heute wirkt Betondorp wie ein Dorf in der Stadt, eingekapselt vom Middenweg im Osten, der A10 und dem Gooiseweg mit ihren hohen Böschungen im Süden bzw. Westen und einem Kanal im Norden. Rund 3.000 Menschen leben heute in dem sternförmig angelegten Viertel mit dem Platz de Brink als Mittelpunkt. Am Brink 24 liegt die legendäre Slagerij Korrel, die 1946 eröffnete. Auch die Cruyffs kauften dort ein.
Der Fußballstar Johan Cruyff ist nicht der erste und einzige Betondorper, der es zu Prominenz bringt. Der Schriftsteller Gerard Kornelis van het Reve (1923-2006), der zu den Großen der modernen niederländischen Literatur gezählt wird, der Fotograf und Filmemacher Ed van Elsken (1925-1990), der u. a. in zahlreichen renommierten Museen wie der Museum of Modern Art in New York, dem Art Institute of Chicago und dem Amsterdamer Stedelijk Museum ausstellte und 1971 den Staatspreis der Niederlande für Film erhielt, der ehemalige KLM-Manager Leo van Wijk (Jg. 1946), der mit Cruyff in der Ajax-Jugend kickte, als Baseballspieler aber erfolgreicher war, der langjährige Ajax-Assistenz- und Jugendtrainer Bobby Haarms (1934-2009), die Klublegende schlechthin, und die Schauspielerin Willeke van Ammelrooy (Jg. 1944), u. a. in der Komödie „Antonias Welt“ (1995) und dem Filmdrama „Das Haus am See“ (2006) zu besichtigen, stammen ebenfalls aus Betondorp.