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Schulabbrecher, Autodidakt und erstes Gehalt

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1959 ereilt den zwölfjährigen Johan Cruyff ein schwerer Schicksalsschlag. Manus Cruyff stirbt nur 45-jährig an einem Herzleiden. Der frühe Tod des Vaters, mit dem der Sohn viele intensive Gespräche geführt hat, ist von prägender Bedeutung für Johan und erklärt vielleicht auch die spätere starke Hinwendung zu seinem Schwiegervater Cor Coster und dessen Familie. Simon Kuper zitiert den ehemaligen Ajax-Psychologen Dolf Grunwald: „Cruyff lehnt jegliche Autorität ab, weil er – unbewusst – jeden mit seinem Vater vergleicht.“ Als Roelf Zeven die psychologische Betreuung des Ajax-Teams übernimmt, soll Cruyff mit ihm permanent über seinen Schwiegervater Cor Coster gesprochen haben.

Die Familie Coster ist wohl auch der wesentliche Grund für das extrem schlechte Verhältnis zwischen Johan Cruyff und seinem zweieinhalb Jahre älteren Bruder Henny. Auch Henny spielte in der Jugend für Ajax, verfügt aber bei Weitem nicht über das Talent seines Bruders. Für Henny Cruyff, der 1968 in der Elandsgracht im Jordaan ein Sportgeschäft eröffnete und sich heute in einer lokalen Bürgerinitiative für die Belange seines Viertels engagiert, hat der Bruder seine eigene Herkunft gewissermaßen verraten. Dafür macht er Johans Hinwendung zur Coster-Familie verantwortlich, wie ein naher Bekannter vermutet: „Henny Cruyff glaubt, dass Cor Coster und die Familie Coster ihm den Bruder geraubt haben.“

Vor einigen Jahren behauptete Henny Cruyff, Johans Schwiegervater Cor Coster sei im Zweiten Weltkrieg SS-Mann und stellvertretender Lagerführer in Lettland gewesen. Er kontrastierte dies mit der Geschichte seines Vaters Manus, der sich in der Zeit der deutschen Besatzung im Widerstand engagiert und dabei sein Leben riskiert habe – ein Vater also, auf den Johan, im Gegensatz zum Schwiegervater Cor Coster, stolz sein könnte. Seither kommunizieren die Brüder überhaupt nicht mehr miteinander. Stattdessen leiteten Johan und seine Frau Danny juristische Schritte ein, und Henny Cruyff musste die Behauptungen über Cor Costers Vergangenheit von seiner Homepage entfernen. Das Nederlandse Institut voor Oorlogsdocumentatie (NIOD), das von Henny Cruyff zunächst als Zeuge aufgeführt wurde, widersprach später einer SS-Mitgliedschaft Cor Costers. Dieser sei vielmehr zu einem Arbeitseinsatz in Lettland gezwungen worden. (Das NIOD – zunächst: Rijksbureau voor Oorlogsdocumentatie / RIOD – war bereits am 8. Mai 1945 gegründet worden. Seine Aufgabe war das Sammeln und Zugänglichmachen von Quellen über die Kriegsjahre 1940-1945. Es avancierte zur umfangreichsten Literatur- und Quellensammlung über die Zeit der Besatzung.)

Nach dem frühen Tod ihres Mannes muss Nel Cruyff den Gemüseladen aufgeben. Zunächst arbeitet sie als Putzfrau und anschließend in der Kantine von Ajax, wodurch ihr Sohn Johan noch stärker in das Klubleben eintaucht. Im September 1959 wechselt der Zwölfjährige auf das Frankendaal-Ulo, einer höheren Schule in Watergraafsmeer. Aber der Unterricht interessiert ihn nicht, und nach zwei „Ehrenrunden“ beschließt Johan, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, um sich ausschließlich dem Fußball zu widmen.

Dass er später trotzdem ein gutes Englisch spricht – manche behaupten sogar, sein Englisch und sein Spanisch seien besser als sein zuweilen grammatikalisch etwas eigenwilliges Niederländisch –, hat er den englischen Ajax-Übungsleitern Keith Spurgeon und Vic Buckingham zu verdanken, bei denen er in den 1950ern und frühen 1960ern häufiger zu Mittag isst. Außerdem treibt ihn der Wille, alles aufzusaugen, was irgendwie mit Profifußball zu tun hat, und dazu gehört auch die englische Sprache. Dem Autor Simon Kuper erzählt er später: „Meine Schulzeit war nicht sehr lang. Deshalb musste ich alles in der Praxis lernen. Auch Englisch.“

Später legt der Autodidakt und Schulabbrecher größten Wert auf Bildung und sorgt dafür, dass seine drei Kinder studieren. „Studium und Sport: diese beiden Dinge. Ich denke, dass Sport viel zu sehr unterbewertet, nicht wertgeschätzt wird. Ich denke, dass geistige Klarheit fast immer durch den Sport entsteht. Und Studieren, finde ich, sollte man auch.“

Nach dem Ende seiner Karriere als Spieler und Trainer wird Johan Cruyff mit den Cruyff Institutes (Amsterdam, Barcelona, Mexiko, Stockholm), Cruyff Universities (Amsterdam, Tilburg) und Cruyff Colleges (Amsterdam, Enschede, Nijmwegen, Groningen Roosendaal) eigene akademische Einrichtungen gründen, die Leistungssportlern die Parallelität von Training und Studium ermöglichen sollen und sie im Sportmarketing ausbilden. Cruyff: „Meiner Ansicht nach besitzen Sportler bemerkenswerte Fähigkeiten. Sie sind intelligent, engagiert, begierig darauf, sich zu verbessern, und zielorientiert. Mit diesen Charakterzügen und dem richtigen akademischen Training können Sportler erfolgreich Führungspositionen in der Welt des Sportmanagements übernehmen. Gibt es jemand Besseren, zum Wohle des Sports zu handeln, als jemand, der das Herz eines Sportlers hat?“ In diesem Sinn kritisiert Cruyff am heutigen FC Barcelona die mangelhafte Spracherziehung seines Stars Lionel Messi: „Der Klub hätte bei der Erziehung Wert darauf legen müssen, dass Messi Englisch lernt. Mit Englisch und Spanisch beherrschst du die Welt. So ist es sehr unglücklich, dass Messi mit der halben Welt nicht sprechen kann.“

Die Konzentration des jungen Johan auf den Fußball wird dadurch erleichtert, dass die Ajax-Nachwuchsspieler Anfang der 1960er Jahre schon etwas Geld verdienen. Trainer Vic Buckingham hat dafür gesorgt, dass die jungen Kicker pro Spiel zehn Gulden bekommen. Buckingham will so ermöglichen, dass die Jungs sich ganz dem Training widmen können und nicht durch andere Tätigkeiten ihr Taschengeld aufbessern müssen.

Zu einem Markstein in der Karriere des Johan Cruyff gerät das Jahr 1963, denn erstmals wird eine breitere Fußballöffentlichkeit auf das Talent aufmerksam. Ajax veranstaltet ein internationales Turnier mit Inter Mailand, Arsenal London und dem FC Barcelona. Zu den Beobachtern gehört auch der Journalist Maarten de Vos, der nun die erste große Story über den 16-jährigen Johan schreibt. Im gleichen Jahr wird Cruyff zum besten Jugendspieler der Niederlande gewählt, und die laufende Saison 1963/64 beendet er mit Ajax als niederländischer Juniorenmeister. Beachtliche 74 Tore hat Cruyff in dieser Spielzeit erzielt.

Als er 1965 Profi wird, beträgt sein monatliches Salär zunächst 120 Gulden. In der Vorstandsetage hält sich die Begeisterung für das Talent in Grenzen. Mit nur 60 Kilo gilt der 18-Jährige als zu schmächtig. Vor allem missfällt den Funktionären aber Cruyffs öffentlicher Zigarettenkonsum.

Der König und sein Spiel

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