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Prosemitismus kontra Antisemitismus

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Laut „Ajax Experience“ hat die Stigmatisierung von Ajax als „jodenclub“ mit einem Zwischenfall begonnen, an dem Bennie Muller unfreiwillig beteiligt war. Am 17. Januar 1965, einem Sonntag, wurde im Amsterdamer Olympiastadion das Lokalderby zwischen Ajax und DWS angepfiffen. Dabei soll DWS-Keeper Jan Jongbloed, der 1974 mit den Niederlanden Vize-Weltmeister wurde, den jüdischen Ajacieden Bennie Muller als „vuile rot-jood“ („dreckiger verrotteter Jude“) beschimpft haben. Der Vorfall schlug hohe Wellen. Jongbloed wurde für einige Spiele gesperrt, wodurch DWS möglicherweise die Meisterschaft verpasste. Denn Jongbloed-Ersatz Leo Heeres griff einige Male daneben.

Ende der 1970er, so das Ajax-Museum, hätten die antisemitischen Schmähungen gegen Ajax zugenommen. Als Reaktion darauf hätte sich unter den Ajax-Fans ein Prosemitismus entwickelt, dessen Träger aber in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit Nicht-Juden waren und sind. Neben dem Text steht ein Foto, dass die berühmt-berüchtigte F-Side, eine militante Gruppe von Ajax-Fans, bei einem Derby gegen Feyenoord Rotterdam mit einer riesigen israelischen Fahne zeigt. (Als der Autor im Februar 2012 das Europa-League-Spiel zwischen Ajax und Manchester United besuchte, wehte an den zahlreichen Ständen mit Fanartikeln auch die Fahne Israels. Zudem gab es Ajax-Schals zu kaufen, die neben dem Klubsymbol auch ein Davidstern schmückte.)

Das jüdische Image des Vereins hat möglicherweise auch damit zu tun, dass Jaap van Praag nicht Ajax’ einziger Präsident jüdischer Herkunft blieb. Von 1989 bis 2003 saß dem Klub sein Sohn Michael van Praag vor. Somit wurde Ajax ca. 28 Jahre von van Praags geführt, und sämtliche bedeutenden internationalen Trophäen – viermal der Europapokal der Landesmeister bzw. die Champions League, zweimal der Weltpokal – wurden in ihren Amtszeiten errungen.

Ein weiterer jüdischer Ajax-Präsident folgte 2008 mit Uri Coronel. Von 1989 bis 1998 war er beim Klub für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständig gewesen. Auch Uri Coronel stammt aus einer typischen Ajax-Familie, bereits sein Vater war Mitglied des Klubs. Seit seinem fünften Lebensjahr wurde Uri Coronel mit seinem Bruder vom Vater zu den Spielen des Klubs mitgenommen: „Wir atmeten Ajax in unserer Familie. Heute umfasst unsere große Familie rund 60 Mitglieder, und wir alle, egal ob orthodox oder liberal, Männer, Frauen und Kinder, sehen uns sämtliche Spiele von Ajax an.“

Ein Jude an der Spitze von Ajax ist in Amsterdam so selbstverständlich und normal wie ein Jude als Bürgermeister. Von 1977 bis 2010 wurde Amsterdam die meiste Zeit von jüdischen Bürgermeistern regiert (Wim Polak: 1977-83, Ed van Thijn: 1983-94, Job Cohen: 2001-2010, Lodewijk Asscher). Der prominenteste von ihnen war der Sozialdemokrat Ed van Thijn, der die Verfolgung durch die Nazis in 18 verschiedenen Verstecken überlebte. Über Ajax blieb van Thijn mit seinem Vater in Verbindung. Van Thijn senior ging bei Ajax ein und aus und war mit vielen Spielern persönlich bekannt.

Ajax ist kein jüdischer Klub, aber Ajax ist unverändert das Thema, das Amsterdams Juden miteinander verbindet. Auch Uri Coronel will nicht bestreiten, dass Ajax „zweifellos eine große Rolle im Leben der Juden von Amsterdam spielt“. Der Businessclub von Ajax setze sich zu zehn Prozent aus Juden zusammen, „was überdurchschnittlich viel ist angesichts des Anteils von Juden in der holländischen Bevölkerung“. Von den 600 Ajax-Mitgliedern (Mitglied wird man nur auf Einladung) seien 30 Juden, also fünf Prozent. „An diesem Verein gibt es absolut nichts Jüdisches, abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass sich bei einem Match ein Häuflein von 750 Juden wacker in der Masse von 45.000 bis 50.000 Zuschauern behauptet. (…) Wenn wir allerdings in Israel spielen, finden es die Israelis toll, dass es in Holland einen ‚jüdischen Verein‘ gibt, und ich muss ihnen die Realität mühsam begreiflich machen.“ Als Ajax in der Saison 1999/2000 im UEFA-Pokal gegen Hapoel Haifa spielte, freute sich der Hapoel-Vorsitzende auf ein „jüdisches Derby“. Evi Shvidler, Journalist der israelischen Zeitung „Haaretz“, porträtierte Ajax als den „wahrscheinlich jüdischsten Klub der Welt und ohne Zweifel Israels Lieblingsklub“. (Seitdem in Israel bekannt ist, dass der FC Bayern seinen ersten deutschen Meistertitel 1932 unter einem jüdischen Präsidenten und mit einem jüdischen Trainer errang und der Klub sich in der Nazi-Zeit vergleichsweise anständig verhielt, läuft der deutsche Rekordmeister Ajax diesen Rang ab.)

Der König und sein Spiel

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