Читать книгу Die kälteste Stunde - Dirk Rühmann - Страница 10
Kapitel 6
ОглавлениеAm nächsten Tag flatterte der Staatsanwältin der Obduktionsbericht auf den Tisch. Der vermutlich obdachlose Mann, der vor der Tür der Kirche ihres Freundes den Tod gefunden hatte, starb ohne Fremdeinwirkung. Er war erfroren. Es gab auch keine Hinweise darauf, dass ihn jemand tot vor die Kirche gezerrt und da abgelegt hatte. Den Weg dorthin musste der volltrunkene Mann in der Hoffnung, im Kirchengebäude Unterschlupf und Schutz vor der Kälte zu finden, allein zurückgelegt haben. Sein Alkoholgehalt im Blut belief sich auf 3,4 Promille. Cora Dennigsen gab nun ein Polizeifoto, das den Toten zeigte, an Fernsehen, Presse und soziale Medien mit der Frage weiter, ob jemand den Mann kenne. Seine Akte konnte sie definitiv schließen. Falls die Staatsanwältin Glück haben und sich jemand auf ihre Anfrage mit einem Hinweis melden sollte, könnte sie nachträglich seinen Namen den Akten hinzufügen. Ansonsten bliebe er einer von den namenlosen Toten dieser Welt.
Cora Dennigsen zog das Foto, das der Verstorbene bei sich gehabt hatte, aus der Akte heraus und hielt es in den Händen. Es wunderte sie, dass er es so sorgfältig in seinen Lumpen verstaut hatte. Doch wie versprochen legte sie es nicht wieder in die Akte, sondern würde es Jörg zu ihrem nächsten Treffen mitbringen. Im Augenblick wusste sie jedoch nicht, wann eine neuerliche Begegnung mit dem Pfarrer stattfinden würde und ob sie es überhaupt wollte. Cora war wieder gespalten in ihren Gefühlen diesem Mann gegenüber. Sie besah sich das Foto, noch einmal, bevor sie es in ihrer Handtasche verstaute. Dann beschäftigte sie kurz die Frage, was der so stark alkoholisierte Erfrorene mit diesem bildhübschen Mädchen zu tun hatte. Doch schließlich rief die Arbeit. Berge von Akten wollten beackert werden. Cora machte sich daran und schnell geriet das Mädchen mit den Klapperlatschen wieder in Vergessenheit.