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Kapitel 11
ОглавлениеCoras braune Augen funkelten. Die gedimmten Glühlampen unter der Decke des Restaurants, in dem sie sich zum Essen an einen der hinteren Tische gesetzt hatten, spiegelten sich in ihnen. Verliebt schauten die beiden einander an.
Sie hatten Bad Harzburg als Treffpunkt gewählt. Interessiert studierten sie die Speisenkarten und lasen sich gegenseitig jene Gerichte vor, die auf ihren anfänglichen Geschmack trafen. Irgendwann fiel die Entscheidung und sie bestellten ihr jeweiliges Menü. Cora bevorzugte Fisch, während Jörg gern Fleisch aß. Da sie beide mit dem Auto hierhergekommen waren, tranken sie Alkoholfreies, wenngleich ihnen ein trockener Rotwein lieber gewesen wäre.
»Hast du inzwischen reinen Tisch gemacht oder bin ich noch immer deine heimliche Mätresse?«, fragte sie ihn schließlich.
»Ich wollte es ihr sagen, aber ich konnte es noch nicht. Der richtige Augenblick dafür – er war noch nicht da.«
»Den richtigen Augenblick für so etwas wird es wohl nie geben. Dir fehlt der Mut. Den musst du aufbringen, wenn du mich wirklich haben willst.«
»Ich will dich. Dessen bin ich mir sicher. Nur dich. Aber ich habe Angst, meine Frau zu verletzen, ihr wehzutun.«
»Trennung bedeutet nun mal Schmerz.«
»Ja. Ich habe eine neue Freundin und meine Frau steht allein da. Das ist irgendwie nicht fair.«
»Deine Frau mit mir zu betrügen geziemt sich für einen Pfarrer erst recht nicht.«
»Ich weiß, Liebes. Morgen werde ich es ihr beichten. Ohne Rücksicht auf Verluste.«
»Na hoffentlich. Und was machen deine Recherchen in Sachen Todesfall vor deinem Gotteshaus?«, wollte Cora nun von ihm wissen.
»Ich komme ganz gut voran. Ich weiß jetzt, wer das junge Mädchen auf dem Foto ist, das der Tote bei sich hatte. Ich habe sogar vor ungefähr zehn Jahren ihren Vater beerdigt. Eine treue Gottesdienstbesucherin von 92 Jahren war einst die Patentante dieses Mädchens. Sie hat nicht besonders gut über sie gesprochen. Vielleicht war der Tote ein früherer Freund des Mädchens.«
»Und weshalb kommt der nach so vielen Jahren nach Leuterspring zurück?«
»Keine Ahnung. Das werde ich noch rausfinden müssen.«
»Wie willst du das denn? Und was soll es bringen? Der Tote war ein Obdachloser. Ein Alkoholiker.«
»Zunächst einmal war er ein Mensch.«
»Ja, Jörg. Ich habe das Foto, das wir von dem Toten gemacht haben, an die sozialen Medien und die überregionale Presse weitergegeben. Das weißt du doch. Keine Reaktion. Ich habe es auch nicht anders vermutet. Es bleibt ein tragischer Todesfall, für den wir keine Erklärung haben und sicherlich auch nicht bekommen werden. Für die Staatsanwaltschaft ist es kein Fall. Ich habe genug anderes zu tun.«
»Ich habe die Zeit und die Motivation, die rätselhafte Geschichte zu ergründen. Vielleicht werde ich nicht weiterkommen. Aber das wird sich zeigen. Möglicherweise weiß Frau Schmuck, das Mädchen vom Foto, wer der Mann war, der ihr Bild so sorgfältig aufbewahrt hatte und nach Leuterspring gekommen ist, um dort zu sterben.«
»Warum willst du das alles in Erfahrung bringen?«
»Ich glaube, Gott hat es mir aufgetragen.«
»Wie denn?«
»Indem er den Toten vor meine Kirchentür gelegt hat.«
»Man kann dich von deinem Vorhaben nicht abbringen. Was du dir einmal in den Kopf gesetzt hast, das ziehst du durch. Nicht wahr?«
Der Pfarrer nickte.
»Nur was uns anbelangt, da machst du keinen reinen Tisch mit deiner Frau.«
Ebeling senkte verlegen seinen Kopf.
Die Speisen wurden serviert.