Читать книгу Absprachen im Strafprozess - Dirk Sauer - Страница 32

aa) Rechtsdogmatik de lege lata!

Оглавление

45

So hat der Gesetzgeber in § 257c Abs. 1 Satz 2 explizit entschieden, § 244 Abs. 2 bleibe unangetastet, gleiches soll für die freie Beweiswürdigung nach § 261 gelten. Es ist also evident, dass das Gesetz keine Abstriche bei Wahrheitsfindung und freier Überzeugungsbildung des Gerichts macht. Eine Gesetzesauslegung, die behauptet, die Urteilsabsprache sei ohne solche Abstriche unmöglich,[13] ist also ihrerseits mit dem Gesetz schlicht nicht zu vereinbaren. Eine Behauptung wie diejenige, es handele sich bei § 244 Abs. 2 um ein „Lippenbekenntnis“[14] oder eine „Mogelpackung“[15] verkennt, dass es sich dabei nicht um irgendeine Äußerung irgendwelcher Politiker, sondern um eine gesetzliche Anordnung handelt. Es geht also nicht darum, ob irgendjemand sich glaubhaft oder nicht glaubhaft zu irgendetwas bekannt hat. Das Gesetz fordert vielmehr die strikte Einhaltung des Aufklärungsgrundsatzes ein, und dieser Forderung ist in einem Rechtsstaat schlicht und einfach nachzukommen. Wie die Forderung zu interpretieren ist, kann die Rechtsdogmatik herausarbeiten und die Rechtsprechung kann sich für eine bestimmte Gesetzesauslegung entscheiden. Das Gesetz aber schlicht und einfach so zu verstehen, als handele es sich um eine unverbindliche Meinungsäußerung, die unglaubwürdig und daher nicht ernst zu nehmen sei, verbietet sich für den Rechtsdogmatiker von selbst. Es fällt also nicht leicht, nachzuvollziehen, was mit solchen Äußerungen in der Literatur eigentlich bezweckt ist.[16]

46

Diese Einsicht hat erhebliche Konsequenzen. Hat man einmal erkannt, dass es nach dem geltenden Recht Urteile, die auf Absprachen beruhen, bei denen aber nicht die Wahrheit in vollem Umfang nach der Vorgabe des § 244 Abs. 2 aufgeklärt wurde und/oder bei denen das Gericht nicht das ausspricht, was zu seiner Überzeugung im Sinne des § 261 aus der Hauptverhandlung hervorging, schlicht nicht geben darf, so bieten sich dem Dogmatiker im Prinzip zwei Wege. Entweder, es wird die Auffassung vertreten, in keinem einzigen Fall könne ein Geständnis, das im Rahmen einer Urteilsabsprache abgegeben wird, zur Wahrheitsfindung beitragen und/oder strafmildernde Wirkung haben. Dann resultierte hieraus nicht die Rechtswidrigkeit der Urteilsabsprache, sondern einfach der Umstand, dass in keinem einzigen Fall eine rechtmäßige Urteilsabsprache möglich sei.[17] Das wäre zwar unplausibel, aber in sich jedenfalls widerspruchsfrei. Oder aber, man akzeptiert, dass im Gesetz die gegenteilige Auffassung deutlich zum Ausdruck gebracht ist. Das führt dazu, dass man sich die Frage stellen muss, unter welchen Voraussetzungen denn ein im Rahmen einer Absprache abgegebenes Geständnis zur Wahrheitsfindung beitragen kann, welche weiteren Schritte bei der Sachverhaltsaufklärung dann jeweils noch geboten sind, inwieweit und aus welchen Gründen es strafmildernd berücksichtigt und unter welchen Voraussetzungen mithin ein abgesprochenes Urteil als prozessordnungsgemäß angesehen werden kann. Dass der zuletzt genannte Weg der vorzugswürdige ist, dürfte auf der Hand liegen.

Absprachen im Strafprozess

Подняться наверх