Читать книгу Schöpfer der Wirklichkeit - Джо Диспенза - Страница 6

1 Anfänge Wie wundersam, dass man nicht liest, wie das Gehirn doch oft umschließt in winziger Zelle, doch in Völle Gottes Himmel oder Hölle. Oscar Wilde

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Ich möchte Sie einladen, einen Gedanken zu fassen, irgendeinen Gedanken. Gleich, ob Ihr Gedanke etwas mit Gefühlen des Ärgers, der Traurigkeit, der Inspiration, der Freude oder sogar sexueller Erregung zu tun hatte – Sie haben damit Ihren Körper verändert. Sie haben sich selbst verändert. Alle Gedanken – seien sie »Ich kann nicht …«, »Ich kann …«, »Ich bin nicht gut genug« oder »Ich liebe dich« – haben die gleichen messbaren Auswirkungen. Während Sie dasitzen, entspannt diese Zeilen lesen und dabei keinen Finger krümmen, durchläuft Ihr Körper eine Unmenge dynamischer Veränderungen. Wussten Sie, dass Ihre Bauchspeicheldrüse und Ihre Adrenalindrüsen (Nebennieren) aufgrund Ihres letzten Gedankens vielleicht plötzlich ein paar Hormone mehr ausstoßen? Wie in einem Gewitter zuckten elektrische Stromstöße durch verschiedene Bereiche Ihres Gehirns und verursachten die Ausschüttung bestimmter Neurochemikalien, deren Anzahl zu groß ist, als dass ich sie hier aufführen könnte. Ihre Milz und Ihre Thymusdrüse haben eine Massen-E-Mail ans Immunsystem verschickt, um gewisse Anpassungen vorzunehmen. Verschiedene Magensäfte wurden produziert, Ihre Leber hat Enzyme erzeugt, die vor wenigen Minuten noch nicht da waren, Ihr Herzschlag und Ihr Lungenvolumen haben sich verändert und die Durchblutung Ihrer Extremitäten wurde beeinflusst. All das nur durch einen einzigen Gedanken. So machtvoll sind Sie.

Aber wie können Sie all das bewirken? Wir verstehen intellektuell, dass das Gehirn im Körper viele verschiedene Funktionen steuert. Aber wie viel Verantwortung für die Aufgaben des Gehirns als oberster Instanz des Körpers liegt eigentlich bei uns? Ob es uns recht ist oder nicht: Sobald wir einen Gedanken gedacht haben, liegt der Rest völlig außerhalb unserer Macht. All diese körperlichen Reaktionen auf unser absichtsvolles oder unabsichtliches Denken entfalten sich jenseits unseres Einflussbereichs. Wenn man sich das einmal klarmacht, ist es absolut erstaunlich, welch weitreichende Konsequenzen ein oder zwei bewusste oder unbewusste Gedanken haben können.

Ist es zum Beispiel möglich, dass die scheinbar unbewussten Gedanken, die uns täglich und wiederholt durch den Sinn gehen, eine Kaskade von chemischen Reaktionen auslösen – Reaktionen, die nicht nur bestimmen, welche Gefühle wir entwickeln, sondern auch, wie es uns damit geht? Können wir akzeptieren, dass die Langzeitwirkungen unserer Denkgewohnheiten möglicherweise die Ursache für Ungleichgewichte in unserem Körper sind – bis hin zu Krankheiten? Trimmen wir am Ende durch unsere wiederholten Gedanken und Reaktionen unseren Körper darauf, krank zu sein? Katapultieren wir vielleicht einfach durch unser Denken unsere innere Chemie so oft aus dem Bereich des Normalen heraus, dass das Selbststeuerungssystem des Körpers irgendwann diese abnormalen Zustände als normal einstuft? Es ist ein subtiler Prozess, den wir bislang vielleicht noch nie so stark beachtet haben. Möge Ihnen dieses Buch ein paar Vorschläge bieten, wie Sie Ihr eigenes inneres Universum besser verwalten können!

Da es gerade um das Thema Wahrnehmung geht, möchte ich Sie bitten, jetzt einmal ganz aufmerksam zu sein und zu lauschen: Hören Sie das Brummen des Kühlschranks? Das Geräusch der vorüberfahrenden Autos? Das ferne Hundegebell? Oder Ihren eigenen Herzschlag? Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach verlagert haben, haben Sie in Millionen von Zellen Ihres Gehirns einen Stromstoß und einen Spannungsanstieg ausgelöst. Durch Ihre Entscheidung, Ihre Aufmerksamkeit zu modifizieren, haben Sie Ihr Gehirn verändert – und zwar nicht nur im Vergleich zu seiner Arbeit wenige Augenblicke zuvor, sondern auch, wie es im nächsten Augenblick und vielleicht für den Rest Ihres Lebens funktionieren wird.

Wenn Ihre Aufmerksamkeit dann zu den Worten auf dieser Seite zurückkehrt, verändern Sie die Durchblutung in Ihrem Gehirn erneut. Sie lösen eine Kaskade von Impulsen aus, leiten elektrische Ströme zu verschiedenen Bereichen Ihres Gehirns und passen sie an. Auf mikroskopischer Ebene tun sich zahlreiche Nervenzellen chemisch zusammen und kommunizieren, um langfristige Beziehungen zueinander zu entwickeln. Weil Sie den Brennpunkt Ihrer Aufmerksamkeit verlagert haben, feuert das schimmernde dreidimensionale, komplexe neurologische Gewebe Ihres Gehirns jetzt in neuen Kombinationen und Sequenzen. Sie haben das aus freiem Willen getan, einfach indem Sie Ihren Fokus verändert haben. Der englische Ausdruck »You changed your mind« (»Sie haben es sich anders überlegt«; wörtlich: »Sie haben Ihren Geist geändert«) trifft hier wortwörtlich zu.

Als menschliche Wesen haben wir natürlicherweise die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit allem Möglichen zu widmen. Wie, wo, worauf und wie lange wir unsere Aufmerksamkeit auf irgendetwas richten, das definiert uns auf neurologischer Ebene – wie wir später noch genauer erkunden werden. Doch wenn unsere Aufmerksamkeit so beweglich ist, warum fällt es uns dann so schwer, bei Gedanken zu bleiben, die uns dienlich sind? Gerade jetzt, während Sie sich auf die Lektüre konzentrieren, haben Sie vielleicht Ihre Rückenschmerzen oder die Auseinandersetzung mit Ihrem Chef heute Morgen vergessen und denken vielleicht nicht einmal daran, welches Geschlecht Sie haben. Unser Seinszustand wird wesentlich dadurch bestimmt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken.

Wie aus heiterem Himmel steigt zum Beispiel eine bittere Erinnerung aus unserer Vergangenheit auf, die gewöhnlich tief in den Falten unserer grauen Hirnsubstanz ruht; wie von Zauberhand erwacht sie zum Leben. Wir können uns auch um die Zukunft sorgen, um Dinge, die noch gar nicht existieren, bis wir sie in unserer Vorstellung heraufbeschwören. Für uns sind sie in diesem Augenblick real. Unsere Aufmerksamkeit kann alles zum Leben erwecken und »wirklich« werden lassen, was bis eben noch unbemerkt oder irreal war.

Ob Sie es glauben oder nicht: Den Erkenntnissen der Neurowissenschaft zufolge macht die Aufmerksamkeit, die wir auf einen Schmerz im Körper lenken, diesen Schmerz existent, weil die neuronalen Schaltkreise der Schmerzwahrnehmung elektrisch aktiviert werden. Wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, dann können diese Neuronenmuster der Schmerzverarbeitung und Körperempfindung abgeschaltet werden – und prompt verschwindet der Schmerz. Doch wenn wir dann überprüfen wollen, ob der Schmerz wirklich weg ist, werden die entsprechenden Neuronenmuster wieder aktiviert, weshalb das unangenehme Gefühl zurückkehrt. Neuronenmuster, die wiederholt feuern, entwickeln stärkere Verbindungen. Achten wir zum Beispiel täglich auf einen Schmerz, dann wird unsere Schmerzwahrnehmung deutlicher, weil die entsprechenden Neuronenmuster durch die Beobachtung gestärkt werden. Ihre eigene Wahrnehmung kann also starke Auswirkungen haben. Das könnte eine Erklärung dafür sein, wie Schmerzen und Erinnerungen uns prägen, selbst wenn sie vielleicht schon lange zurückliegen. Wir werden neurologisch zu dem, woran wir wiederholt denken und worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Endlich hat man neurowissenschaftlich begriffen, dass wir die neurologische Grundstruktur unseres Selbst durch das prägen, worauf wir immer wieder unsere Aufmerksamkeit richten.

Alles, was uns ausmacht – unsere Gedanken, Träume, Erinnerungen, Hoffnungen, Gefühle, heimlichen Fantasien, Ängste, Fähigkeiten, Gewohnheiten, Freuden und Leiden –, ist im lebendigen Gitterwerk unserer 100 Milliarden Gehirnzellen verankert. Wenn Sie dieses Buch bis hierher gelesen haben, ist Ihr Gehirn schon dauerhaft verändert. Wenn Sie auch nur eine einzige Information aufgenommen haben, sind zwischen winzigen Hirnzellen neue Verbindungen entstanden und Sie sind jemand anderes. Die Bilder, die diese Worte in Ihrem Gehirn hervorriefen, haben in der endlos weiten neurologischen Landschaft dessen, was Sie als »Ich« identifizieren, Fußspuren hinterlassen, denn dieses fühlende Wesen Ihres »Ich« existiert tatsächlich in dem inniglich miteinander verwobenen Geflecht Ihres Gehirns. Ihre Individualität definiert sich durch die Art, wie Ihre Nervenzellen miteinander verbunden sind, ausgelöst durch das, was Sie gelernt haben, an was Sie sich erinnern, was Sie erfahren, was Sie sich vorstellen, was Sie tun und was Sie über sich selbst denken.

Sie sind ein Werk, das laufend fortgeschrieben wird. Die Organisation Ihrer Gehirnzellen, die bestimmt, wer Sie sind, ist in ständiger Bewegung. Vergessen Sie die Idee, das Gehirn sei etwas Starres, Festes. Aus neurologischer Sicht werden wir unablässig durch die endlosen Reize der Welt verändert. Statt sich Nervenzellen als unbewegliche winzige Stäbchen vorzustellen, die zusammen die graue Masse Ihres Gehirns bilden, möchte ich Sie einladen, sie lieber als tanzende Muster aus zarten elektrischen Fasern eines lebendigen Netzwerks zu betrachten, die sich ständig verbinden und wieder lösen. Das kommt der Wahrheit dessen, wer Sie sind, viel näher.

Die Tatsache, dass Sie die Worte auf dieser Seite lesen und begreifen können, ist aus den vielen Interaktionen entstanden, die Sie im Lauf Ihres Lebens erfahren haben. Verschiedene Leute haben Sie unterrichtet und Ihr Gehirn mikroskopisch verändert. Falls Sie die Idee, dass sich Ihr Gehirn beim Lesen dieser Seiten verändert, akzeptieren können, erkennen Sie sicher leicht, dass Ihre Eltern, Lehrer, Nachbarn, Freunde, Familie und Kultur wesentlich zu dem beigetragen haben, wer Sie heute sind. Durch unsere Sinneswahrnehmungen, durch unsere verschiedenen Erfahrungen schreiben wir die Geschichte dessen, wer wir sind, auf die Tafel unseres Geistes. Unsere Meisterschaft zeichnet sich dadurch aus, wie wir dieses bemerkenswerte Orchester aus Gehirn und Geist dirigieren, denn wie wir gerade gesehen haben, können wir unsere mentale Aktivität durchaus steuern.1

Jetzt wollen wir Ihr Gehirn noch ein wenig weiter verändern. Ich möchte Ihnen etwas Neues beibringen. Und das geht so: Schauen Sie auf Ihre rechte Hand. Berühren Sie mit dem Daumen Ihren kleinen Finger, dann den Zeigefinger, dann den Ringfinger und dann den Mittelfinger. Wiederholen Sie die Abfolge, bis Sie sie fließend meistern. Dann machen Sie die Übung schneller, bis Sie Ihre Finger sehr rasch bewegen können, ohne sich zu verhaspeln. Mit ein wenig Aufmerksamkeit sollten Sie in wenigen Minuten in der Lage sein, diese kleine Aktion zu beherrschen.

Um diese Übung zu machen, mussten Sie Ihren entspannten Ruhezustand verlassen und Ihre Aufmerksamkeit ein wenig anspannen. Sie haben sich entschieden, Ihr Gehirn ein bisschen auf Trab zu bringen; Sie haben Ihre Aufmerksamkeit freiwillig erhöht. Um sich die Bewegung zu merken, mussten Sie etwas mehr Energie in Ihr Gehirn bringen. Sie haben gewissermaßen den Dimmer des Lichts, das ständig in Ihrem Gehirn brennt, ein wenig hochgedreht, sodass es heller wurde. Sie wurden motiviert, und die Entscheidung aktivierte Ihr Gehirn.

Um den Bewegungsablauf zu erlernen und auszuführen, mussten Sie Ihre Aufmerksamkeit erhöhen. Das hat die Durchblutung und die elektrische Aktivität in Ihrem Gehirn verstärkt; Sie konnten sich besser auf das konzentrieren, was Sie taten. Sie hielten Ihre Gedanken davon ab, woanders hinzuwandern, und lernten etwas Neues. Dieser Prozess hat Sie Energie gekostet. Sie haben die Art verändert, in der ein Arrangement von Millionen von Hirnzellen in diversen Mustern feuert. Diese vorsätzliche Handlung erforderte Willenskraft, Fokus und Aufmerksamkeit. Und wieder haben Sie sich neurologisch verändert, nicht nur indem Sie einen Gedanken dachten, sondern indem Sie eine neue Handlung oder Fähigkeit demonstrierten.

Als Nächstes bitte ich Sie, Ihre Augen zu schließen. Diesmal sollen Sie die Übung nicht mit den Fingern machen, sondern sich nur innerlich vorstellen, es zu tun. Erinnern Sie sich also an das, was Sie gerade gemacht haben, und berühren Sie mental Ihre Finger auf genau die gleiche Weise: Daumen zum kleinen Finger, dann zum Zeigefinger, zum Ringfinger und zuletzt zum Mittelfinger. Üben Sie es mental ein wenig, ohne die Finger körperlich zu bewegen. Wenn Sie es ein paarmal gemacht haben, öffnen Sie die Augen wieder.

Haben Sie bemerkt, dass Ihr Gehirn sich die Sequenz genauso vorgestellt hat wie zuvor? Wenn Sie sich wirklich ganz darauf konzentriert haben, die Fingerübung mental zu wiederholen, waren dieselben Nervenzellen Ihres Gehirns aktiv wie zuvor, als sie es körperlich getan haben. Ihr Gehirn kennt keinen Unterschied, ob Sie eine Handlung in der Tat ausführen oder sie sich mental vergegenwärtigen. Diese Art von mentaler Übung eignet sich sehr gut dazu, um in Ihrem Gehirn neue neuronale Muster anzulegen und zu stärken.

Neuere neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass wir unser Gehirn einfach durch unser Denken verändern können. Überlegen Sie also: Was wiederhole ich innerlich am meisten, woran denke ich am häufigsten und was zeigt sich dann auch entsprechend? Gleichgültig, ob Sie Ihre Gedanken und Handlungen bewusst oder unbewusst formen – sie bilden immer einen Teil dessen, was Ihr neurologisches Selbst ausmacht. Womit auch immer Sie mental am meisten Zeit verbringen – es ist das, was Sie sind und was Sie werden. Ich hoffe, dieses Buch hilft Ihnen zu verstehen, warum Sie so sind und wie Sie so wurden und wie Sie sich durch bewusste Gedanken und Taten verändern können.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Was macht es uns möglich, die Funktionen des Gehirns willentlich zu modifizieren? Wo existiert dieses »Ich«, und wodurch können wir verschiedene Neuronenmuster an- und abschalten, was uns dann bewusst oder unbewusst handeln lässt? Dieses »Ich«, von dem hier die Rede ist, sitzt in einem Teil des Gehirns, der »Frontallappen« genannt wird. Ohne Frontallappen gibt es dieses »Ich« nicht mehr. Dieser Bereich des Gehirns hat sich in der Evolution als Letztes entwickelt und sitzt genau hinter der Stirn, direkt über den Augen. Im Frontallappen ist Ihr Selbstbild beheimatet, und was immer Sie dort gespeichert haben, bestimmt, wie Sie sich in der Welt verhalten und wie Sie Ihre Wirklichkeit wahrnehmen. Der Frontallappen steuert und reguliert die anderen, älteren Teile des Gehirns. Er bereitet Ihre Zukunft vor, kontrolliert Ihr Verhalten, träumt von neuen Möglichkeiten und lenkt Sie durchs Leben. Auch Ihr Gewissen ist dort verankert. Der Frontallappen ist unser Geschenk der Evolution. Dieser Teil des Gehirns ist äußerst anpassungsfähig, hier können unsere Gedanken und Handlungen sich entwickeln. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, diesen jüngsten Teil Ihres Gehirns zu nutzen, um Ihr Leben und Ihre Bestimmung neu zu gestalten.

Schöpfer der Wirklichkeit

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