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Evolution, Veränderung und Neuroplastizität

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Wir Menschen haben eine einzigartige Kapazität zur Veränderung. Dank des Frontallappens können wir vorprogrammierte, genetisch verankerte Verhaltensweisen, die Aufzeichnungen unserer Menschheitsgeschichte, überwinden. Weil der Frontallappen des Menschen höher entwickelt ist als der jeder anderen Gattung auf der Erde, sind wir enorm anpassungsfähig und verfügen über die Möglichkeit der Entscheidung, der Absicht und der vollen Bewusstheit. Wir besitzen ein sehr fortschrittliches Stückchen Biotechnologie, das uns aus unseren Fehlern lernen, uns daran erinnern und unser Verhalten entsprechend anpassen lässt.

Es ist richtig, dass ein großer Teil des menschlichen Verhaltens genetisch vorbestimmt ist. Alle Lebensformen können nicht anders, als das zum Ausdruck zu bringen, was ihnen genetisch bestimmt ist, und ein großer Teil dessen, was uns Menschen ausmacht, ist genetisch verankert. Aber wir sind nicht dazu verdammt, unsere Existenz verstreichen zu lassen, ohne zukünftigen Generationen einen evolutionären Beitrag zu hinterlassen. Wir können etwas zum evolutionären Fortschritt unserer Spezies beitragen, denn im Gegensatz zu allen anderen Arten ist es uns zumindest theoretisch möglich, unser Verhalten im Lauf eines Lebens zu ändern. Die neuen Verhaltensweisen werden zu neuen Erfahrungen führen, die sich in unseren Genen niederschlagen – sowohl für die Gegenwart als auch für die Nachwelt. Das gibt Anlass zu der Überlegung: Wie viele neue Erfahrungen hatten wir eigentlich in letzter Zeit?

Die Wissenschaft der Molekularbiologie hat gerade begonnen, sich mit der Idee zu beschäftigen, unsere Gene könnten mithilfe der richtigen Signale vielleicht genauso veränderbar sein wie unsere Gehirnzellen. Daraus ergibt sich die Frage: Können wir den Zellen unseres Körpers den chemisch oder neurologisch richtigen Reiz bieten, um Zugang zu der gewaltigen ungenutzten Bibliothek genetischer Informationen zu erlangen? Oder anders gesagt: Können wir durch den Umgang mit unseren Gedanken, Gefühlen und Reaktionen bewusst den richtigen chemischen Cocktail mixen, um Gehirn und Körper aus einem chronischen Stresszustand in einen Zustand der Regeneration und Veränderung zu überführen? Können wir den Beschränkungen unserer Biologie entrinnen und zu höher entwickelten menschlichen Wesen werden? Ich beabsichtige Ihnen zu zeigen, dass es tatsächlich sowohl theoretisch als auch praktisch etwas biologisch zu verändern gibt – indem eine mentale Veränderung aufrechterhalten wird.

Ist es uns möglich, das alte Modell hinter uns zu lassen, demzufolge unsere Gene Krankheiten erzeugen? Können wir über das jüngste Credo hinaus spekulieren, das davon ausgeht, dass die Umwelt die Gene aktiviert, die Krankheiten erzeugen? Ist es möglich, dass wir durch den Umgang mit unserer eigenen Innenwelt, unabhängig von der äußeren Umwelt, Einfluss auf unsere Gene gewinnen können? Wenn zwei Fabrikarbeiter 20 Jahre lang Seite an Seite gearbeitet haben und denselben schädlichen Chemikalien ausgesetzt waren, warum bekommt dann der eine Krebs und der andere nicht? Da muss ein inneres Ordnungselement am Werk sein, das stärker ist als die ständige Belastung durch Chemikalien, die bekanntermaßen zellschädigend wirken.

Immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse verweisen auf die Auswirkungen von Stress auf unseren Körper. Unter Stress zu leben bedeutet, in einem primitiven Zustand des Überlebenskampfes zu verharren, wie es die meisten Arten nicht anders kennen. Wenn wir um unser Überleben fürchten, beschränken wir unsere evolutionäre Entwicklung, weil die durch den Stress erzeugten Chemikalien unser Gehirn dazu bringen, sich seiner chemischen Grundstruktur gemäß zu verhalten. Wir werden also mehr wie Tiere und weniger göttlich. Die Stresschemikalien verändern unseren inneren Zustand und verursachen den Zusammenbruch von Zellen. Mit diesem Prozess werden wir uns in diesem Buch noch näher beschäftigen. Nicht durch akuten Stress, sondern durch immer wiederkehrenden chronischen Stress wird unser Körper geschwächt. Mein Ziel ist es, Ihnen die Auswirkungen von Stress auf den Körper zu zeigen und damit eine Bewusstheit zu schaffen, die Sie innehalten und fragen lässt, ob irgendjemand oder irgendetwas das eigentlich wert ist.

Oft erscheint es uns, als könnten wir diese Zustände emotionalen inneren Aufruhrs nicht abschütteln. Wir sind von diesen chemischen Wirkungen so abhängig, dass sie uns dazu treiben, weiterhin in Verwirrung, Unzufriedenheit, Aggression und sogar Depression zu leben – um nur ein paar Zustände zu nennen. Warum klammern wir uns an Beziehungen und Jobs, die längst nicht mehr gut sind für uns? Warum tun wir uns so schwer damit, uns selbst und unsere Lebensbedingungen zu verändern? Es gibt etwas in uns, das uns dazu bringt. Wie halten wir das Tag für Tag aus? Wenn wir die Umstände unserer Arbeit so wenig mögen, warum kümmern wir uns dann nicht um eine andere? Wenn wir in unserem persönlichen Leben unter etwas leiden, weshalb ändern wir es dann nicht?

Es gibt darauf eine vernünftige Antwort: Wir entscheiden uns, in denselben Umständen zu bleiben, weil wir abhängig geworden sind – abhängig von den damit verbundenen emotionalen Zuständen und von den Chemikalien, die diese Zustände hervorrufen. Natürlich weiß ich aus Erfahrung, dass die meisten Menschen sich mit jeder Art von Veränderung schwertun. Viel zu viele von uns verharren in Situationen, in denen sie unglücklich sind, und meinen, keine andere Wahl zu haben, als zu leiden. Ich weiß auch, dass sich viele von uns entscheiden, in Situationen auszuhalten, die sie ihr ganzes Leben lang quälen. Dass wir uns so entscheiden, ist eine Sache, aber warum wir uns so entscheiden, ist eine andere. Wir treffen die Wahl, in einer bestimmten Geisteshaltung fixiert zu bleiben – zum einen, weil es unserer Veranlagung entspricht, und zum anderen, weil ein Teil des Gehirns durch unsere wiederholten Gedanken und Reaktionen unseren Blick für das Mögliche trübt. Wie Geiseln in einem entführten Flugzeug fühlen wir uns an einen Platz gebunden und glauben, keinen Einfluss auf den Verlauf des Geschehens zu haben. Wir merken gar nicht, wie viele Möglichkeiten uns sonst noch zur Verfügung stehen.

Ich erinnere mich an eine wiederholte Situation in meiner Jugendzeit: Meine Mutter pflegte über eine ihrer Freundinnen zu sagen, sie sei erst glücklich, wenn sie unglücklich sei. Erst in den letzten Jahren, nachdem ich mich intensiv mit dem Gehirn und unserem Verhalten beschäftigt hatte, konnte ich auf biochemischer und neurologischer Ebene so richtig verstehen, was sie meinte. Das ist einer der Gründe, warum ich dieses Buch geschrieben habe.

Vielleicht hat der Titel Schöpfer der Wirklichkeit Sie angesprochen, weil Sie an das menschliche Potenzial glauben und sich selbst entwickeln möchten. Oder Sie haben es in die Hand genommen, weil Sie mit Ihren Lebensumständen nicht ganz zufrieden sind und sich verändern wollen. »Veränderung« ist ein starkes Wort – und sie ist absolut möglich, wenn Sie sich dafür entscheiden.

Im Hinblick auf die Evolution ist Veränderung das einzige universelle, allen Arten hier auf Erden gemeinsame Element. Evolution bedeutet letztendlich Veränderung durch Anpassung an die Umwelt. Für uns Menschen spielt unsere Umwelt eine entscheidende Rolle. All die komplexen Lebensumstände, geliebte Menschen, unser sozialer Status, unser Wohnort, unser Beruf und Gelderwerb, unser Umgang mit unseren Eltern und Kindern und selbst die Zeit, in der wir leben – all das macht unsere Umwelt aus. Doch wir werden sehen: Veränderung bedeutet, über seine Umwelt hinauszuwachsen.

Wenn wir in unserem Leben etwas verändern, müssen wir es so gestalten, dass es eine andere Qualität bekommt, als wenn wir es sich selbst überlassen hätten. Veränderung bedeutet, anders zu werden; wir sind nicht mehr, wer wir einmal waren. Wir wandeln uns im Denken, Tun, Reden, Verhalten, in unserem Sein. Persönliche Veränderungen erfordern einen Willensakt und entstehen gewöhnlich, wenn uns etwas unangenehm genug war, dass wir es anders haben wollen. Entwicklung entsteht, wenn wir unsere Lebensumstände dadurch überwinden, dass wir etwas in uns selbst verändern.

Wir können unser Gehirn verändern und damit weiterentwickeln, um nicht mehr in diese sich wiederholenden, gewohnten und ungesunden Reaktionsmuster zu verfallen, die sich aus unserer Veranlagung und unseren vergangenen Erfahrungen gebildet haben. Wahrscheinlich haben Sie dieses Buch in die Hand genommen, weil es Ihnen attraktiv erscheint, aus Ihrer Routine auszubrechen. Vielleicht möchten Sie lernen, wie Sie die natürliche Befähigung des Gehirns zur Neuroplastizität (d.h. die Fähigkeit, in jedem Alter neue Neuronenmuster anzulegen) nutzen können, um Ihre Lebensqualität spürbar zu verbessern. Die Weiterentwicklung Ihres Gehirns – darum geht es in diesem Buch.

Unsere Fähigkeit zur Neuroplastizität ist äquivalent zu unserer Fähigkeit, unser Denken und uns selbst sowie unsere Wahrnehmung der Welt um uns herum – also unsere Wirklichkeit – zu verändern. Dafür müssen wir uns die gewohnten, automatischen Funktionsmuster unseres Gehirns vorknöpfen.

Testen Sie die Plastizität Ihres Gehirns anhand eines einfachen Beispiels: Betrachten Sie Abbildung 1.1. Was sehen Sie? Die meisten Menschen erkennen auf Anhieb eine Ente oder Gans. Ziemlich einfach, oder?


Abbildung 1.1

Bei diesem Beispiel bewirkt eine vertraute Form auf dem Bild vor Ihnen, dass Ihr Gehirn ein Muster in Form eines bestimmten Vogels erkennt. Die Schläfenlappen des Gehirns, sie sitzen direkt über unseren Ohren und sind für die Erkennung von Objekten zuständig, speichern eine Erinnerung. Das Bild aktiviert ein paar Hundert Millionen neurologische Muster, die in bestimmten Teilen Ihres Gehirns in einer bestimmten Sequenz Impulse aussenden, und Sie erinnern sich an eine Gans oder Ente. Nehmen wir einfach an, die Ihrem Gehirn eingeprägte Erinnerung an das Aussehen einer Gans oder Ente passt zu dem, was Sie auf dem Bild vor sich sehen, und Sie können sich den Begriff »Gans« oder »Ente« ins Gedächtnis rufen. So interpretieren wir die Wirklichkeit – und zwar ständig. Es ist die Wiedererkennung von Mustern der Sinneserfahrung.

Jetzt wollen wir neuroplastisch werden. Versuchen Sie doch einmal, in dem Bild keinen Vogel mehr zu sehen, sondern einen Hasen. Um das zu tun, muss Ihr Frontallappen Ihr Gehirn zwingen, die Muster »abzukühlen«, die mit Vögeln verbunden sind, und die Gehirnwindungen so zu reorganisieren, dass sie sich anstelle eines Federtiers mit unauslöschlicher Neigung zum Wasser ein Feldtier vorstellen. Diese Fähigkeit, das Gehirn dazu zu bringen, seine gewohnten inneren Verbindungen aufzugeben und in neuen Mustern und Verbindungen zu feuern, ist die Neuroplastizität, die uns Veränderung ermöglicht.

Wie bei Abbildung 1.1 können wir die Welt und uns selbst in neuem Licht sehen, wenn wir unsere gewohnte Art des Denkens, Handelns, Fühlens, Wahrnehmens und Verhaltens hinter uns lassen. Und das Beste an diesem kleinen Experiment in Neuroplastizität ist, dass diese Veränderungen dauerhaft sind. Ihr Gehirn hat ein neues neurologisches Muster gebildet, das auf eine andere Art funktioniert. Sie haben neue Zellverbindungen geschaffen und damit sich selbst verändert. In unserem Zusammenhang haben die Begriffe »Veränderung«, »Neuroplastizität« und »Evolution« allesamt eine ganz ähnliche Bedeutung. Das Ziel dieses Buches besteht darin, Sie erkennen zu lassen, dass es bei Veränderung und Evolution immer darum geht, die Gewohnheit Ihres »Ich«-Seins hinter sich zu lassen.

Meine zwanzigjährigen Studien des Gehirns und seiner Auswirkungen auf das Verhalten haben mich im Hinblick auf die Menschen und unsere Fähigkeit zur Veränderung sehr hoffnungsfroh gestimmt. Das steht im Gegensatz zu dem, was wir lange Zeit geglaubt haben. Bis vor Kurzem wollte uns die wissenschaftliche Literatur weismachen, wir seien Opfer unserer Veranlagung und unserer Konditionierungen und uns bleibe nichts weiter übrig, als die Tatsache anzuerkennen, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist.

Ich meine damit Folgendes: Im Evolutionsprozess passen sich die meisten Arten, die schwierigen Umweltbedingungen ausgesetzt sind (wie Raubtieren, Klima, Verfügbarkeit von Nahrung, Hackordnung, sozialem Druck etc.) im Lauf von Jahrmillionen ihrer Situation an und finden einen Weg, die Schwierigkeiten zu überwinden. Vielleicht entwickeln sie eine gute Tarnung, vielleicht schnelle Beine, um den Fleischfressern zu entfliehen, oder andere Eigenschaften, die sich in ihrer physischen, genetischen Biologie niederschlagen. Unsere evolutionäre Entwicklung ist uns tief eingeprägt.

Sich verändernde Lebensumstände werden anpassungsfähigere Kreaturen dazu bringen, sich ihrer Umgebung entsprechend zu verändern und dadurch den Fortbestand ihrer Art zu sichern. Jahrhunderte von Versuch und Irrtum erlauben es den biologischen Organismen, die dabei nicht aussterben, sich den Umständen anzupassen und auch ihre Genetik entsprechend zu verändern. So verläuft der langsame, lineare Prozess der Evolution für alle Arten. Die Umwelt wandelt sich; das Verhalten sowie die Aktionen werden den neuen Umweltbedingungen angepasst; die Gene speichern die Veränderungen und die Evolution folgt, indem sie den Wandel für zukünftige Generationen aufzeichnet. Alle Nachfahren dieser Organismen werden ihrer Umwelt jetzt besser gewappnet entgegentreten können. Die jahrtausendelange Evolution der Arten hat dafür gesorgt, dass der körperliche Ausdruck eines Organismus in der Regel seinen Lebensbedingungen entspricht oder ihnen überlegen ist. In den Genen werden die Erinnerungen und die Weisheiten unzähliger Generationen gespeichert.

Der Preis dafür sind angeborene Verhaltensmuster wie Instinkte, natürliche Fähigkeiten, Triebe, Ritualverhalten, Temperamente und gesteigerte Sinneswahrnehmungen. Wir neigen zu der Ansicht, das, was in unseren Genen angelegt ist, entspräche einem automatischen Programm, dem wir nicht entrinnen können. Sobald es in unseren Genen aktiviert ist – sei es durch eine ihm innewohnende Zeitschaltung oder durch einen Auslöser in der Umgebung (Natur versus Erziehung/Bildung) –, sind wir so verschaltet, dass wir uns auf eine bestimmte Weise verhalten. Es ist richtig, dass unsere Gene einen starken Einfluss darauf haben, wer wir sind – als lenkte uns eine unsichtbare Hand dahin, vorhersehbare Gewohnheiten anzunehmen und zu erwartende Neigungen zu entwickeln. Die Herausforderungen unserer Umwelt zu überwinden, bedeutet deswegen: Unsere Willenskraft muss uns über unsere Umstände hinausheben; Erinnerungen an vergangene Erfahrungen und die daraus entstandenen veralteten Gewohnheiten, die nicht mehr zu unseren jetzigen Lebensumständen passen, müssen wir loslassen. Eine evolutionäre Weiterentwicklung erfordert daher den Bruch mit genetisch veranlagten Gewohnheiten: Wir müssen das Erlernte als »Bahnsteig« benutzen, von dem aus die Reise weitergeht.

Veränderung und Entwicklung sind für keine Spezies angenehm. Unsere inneren Neigungen zu überwinden, unsere genetischen Programme zu verändern und uns an neue Umweltbedingungen anzupassen – das verlangt Willen und Entschlossenheit. Seien wir ehrlich: Keine Kreatur verändert sich gerne, es sei denn, sie erkennt es als Notwendigkeit. Das Alte loszulassen und das Neue anzunehmen, stellt immer ein großes Risiko dar.

Das Gehirn ist makroskopisch und mikroskopisch darauf ausgelegt, neue Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und dann routinemäßig darauf zurückzugreifen. Wenn wir nichts Neues mehr lernen oder aufhören, unsere Gewohnheiten zu ändern, leben wir nur noch die Routine. Doch unser Gehirn ist nicht dafür gebaut, das Lernen einzustellen. Wenn wir es nicht mehr mit neuen Informationen »upgraden«, wird es fest verdrahtet und spult nur noch automatisierte Programme ab, die keine Entwicklung mehr zulassen.

Anpassungsfähigkeit ist die Fähigkeit zur Veränderung. Wir sind so klug und fähig. Wir können in einem Leben Neues lernen, mit alten Gewohnheiten brechen, unsere Überzeugungen und Wahrnehmungen ändern, Schwierigkeiten überwinden, Fähigkeiten erwerben und auf geheimnisvolle Weise zu anderen Wesen werden. Unsere großen Gehirne sind die Instrumente, die es uns ermöglichen, mit solchen Riesenschritten vorwärtszueilen. Es erscheint uns lediglich als eine Frage der Entscheidung. Unsere Evolution ist unser Beitrag zur Zukunft, doch liegt es im Bereich unseres freien Willens, wie wir den Prozess einleiten.

Evolution beginnt jedoch mit der Veränderung des Individuums. Damit Sie sich mit der Idee anfreunden, bei sich selbst anzufangen, können Sie sich das erste Geschöpf vorstellen – sagen wir, ein Mitglied eines Rudels mit einem strukturierten Gruppenbewusstsein –, das sich entschloss, mit dem gewohnten Verhalten der Gruppe zu brechen. Auf irgendeiner Ebene muss dieses Wesen den Impuls gehabt haben, eine andersartige Aktion und eine Abweichung vom normalen Verhalten dieser Art könnte seinem eigenen Überleben und vielleicht auch dem seiner Art dienlich sein. Wer weiß, vielleicht sind auf diese Weise ganz neue Arten entstanden? Das sozial anerkannte Verhalten hinter sich zu lassen und etwas Neues auszuprobieren, erfordert eine gewisse Individualität – bei jeder Art. Sich kompromisslos für die eigene Vision eines neuen, verbesserten Selbst zu entscheiden und das eigene alte Verhalten zu überwinden – das kann sich dem lebendigen Gewebe aller nachfolgenden Generationen einprägen. Individuen, die dieses Maß an Kultiviertheit aufgebracht haben, werden von ihren Nachfahren oft hoch geehrt. Wahre Evolution besteht also darin, das genetische Wissen aus vergangenen Erfahrungen als Rohmaterial für den Umgang mit neuen Herausforderungen heranzuziehen.

Dieses Buch bietet Ihnen eine wissenschaftlich begründete Alternative zu der Annahme, unser Gehirn bestehe im Wesentlichen aus unveränderlichen Neuronenmustern; wir hätten in unseren Köpfen eine Art Neuro-Rigidität, die sich in dem unflexiblen, gewohnheitsmäßigen Verhalten äußert, das wir so oft erleben. Tatsächlich jedoch sind wir Meister der Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Neuroplastizität und hervorragend darauf eingerichtet, unsere neuronalen Verbindungen umzustrukturieren und das erwünschte Verhalten zu erzeugen. Wir verfügen über sehr viel mehr Macht, unser Gehirn, unser Verhalten, unsere Persönlichkeit und letztlich unsere Wirklichkeit zu verändern, als wir bislang angenommen haben. Ich weiß das, weil ich es selbst erfahren und weil ich davon gelesen habe, wie einzelne Menschen über ihre Situation hinauswuchsen, sich dem Angriff der jeweiligen Realität stellten und zu bedeuteten Veränderungen beitrugen.

Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung hätte zum Beispiel nie so weitreichende Auswirkungen gehabt, hätte nicht ein echtes Individuum wie Dr. Martin Luther King Jr. entgegen all seinen Lebensumständen an die Möglichkeit einer anderen Wirklichkeit geglaubt. Dr. King hat das in seiner berühmten Rede zwar als »Traum« bezeichnet, aber letztlich beschwor und lebte er eine bessere Welt, in der alle Menschen gleichberechtigt sind. Wie war ihm das möglich? Er entschied sich dafür, die neue Idee der Freiheit für sich selbst und für die Nation in seinen Geist zu implantieren, und diese Idee war ihm wichtiger als seine äußeren Lebensbedingungen. Und er stand kompromisslos zu seiner Vision. Dr. King war nicht bereit, seine Gedanken, sein Handeln, sein Verhalten, seine Worte oder seine Botschaft irgendwelchen äußeren Einflüssen unterzuordnen. Seinen äußeren Lebensumständen zum Trotz hielt er an seinem inneren Bild einer neuen Umwelt fest, selbst wenn das Beleidigungen oder körperliche Angriffe zur Folge hatte. Die Kraft seiner Vision war so groß, dass er Millionen von der Gerechtigkeit seiner Sache überzeugen konnte. Durch ihn hat sich die Welt verändert. Und er ist nicht der Einzige.

Unzählige andere haben den Verlauf der Geschichte durch einen vergleichbaren Einsatz beeinflusst. Millionen haben ihr persönliches Leben in ähnlicher Weise eingesetzt. Wir alle können uns selbst ein neues Leben erschaffen und es mit anderen teilen. Wir haben eine Hardware in unseren Köpfen, die gewisse Vorteile bietet. Allen äußeren Umständen zum Trotz können wir sehr lange Zeit an einem Traum oder einem Ideal festhalten. Wir haben auch die Fähigkeit, unser Gehirn neu zu programmieren, weil wir einen Gedanken in uns wirklicher werden lassen können als alles andere im Universum. Und darum geht es in diesem Buch.

Schöpfer der Wirklichkeit

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