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Trust #16 – Januar 1989

Einigen von euch wird ja aufgefallen sein, dass im letzten Heft keine Kolumne von mir zu lesen war, das lag nicht daran dass ich mich eingeschissen hab oder nichts mehr zu sagen habe – ganz im Gegenteil! Vielmehr hatte das ganz andere Gründe, da ich selbst unterwegs war hab ich das Manuskript Thomasso gegeben, der just zu dieser Zeit am Umziehen war und im allgemeinen Durcheinander ging das Teil (sowie auch einige News und Zinekritiken) verloren. Pech. Nach eifrigem(?) überlegen bin ich zu dem Schluss gekommen, nicht zu versuchen, das Ding nochmals zu schreiben. Der Komplettheit halber hier die Kernaussage: Die war, dass sich Bands, die sich auf Tour ankündigen, darüber im Klaren sein müssen, ob sie dafür auch bereit sind und somit Verantwortungsbewusstsein brauchen. Es war nämlich zu der Zeit ganz schön nervig mit Bands, die sich ankündigten und dann wieder kurzfristig absagten. Es ›leiden‹ ja nicht nur die Bands, sondern auch der Promoter, lokale Veranstalter und manchmal sogar der Besucher.

Aber das ist ja eh völlig klar – eigentlich, wie so vieles andere – eigentlich – auch völlig klar ist. Es ist doch jedem klar, dass faschi-, rassi-, sexi-, und noch einige andere smus’es scheiße sind, dass die Umwelt geschützt werden muß, dass es Ungerechtigkeit/Schweinereien bei den Bullen, in der Justiz, in der Politik, in anderen Ländern, bei den Nachbarn, … gibt. Dass es gut ist, independent zu sein, aber besser ist, alternativ-independent zu sein. Tierschutz ist auch nicht unwichtig, übrigens auch nicht wichtiger als Kinder- bzw. Menschenschutz. Usw., usw., die Liste der aktuellen und der seit Jahren diskutierten Themen ist ewig. Was soll viel geredet/geschrieben werden, wenn alles so klar ist – oder erscheint das nur mir so und es ist vielleicht doch noch wichtig etwas über, z.B. Vegetarismus, zu schreiben? Ich denke ja, manchmal, kurz nach dem Aufwachen, beim Scheißen oder beim Lesen hatte ich doch noch Ideen, die mir lohnenswert schienen behandelt zu werden, aber – plop – weg sind sie (und da scheint es nicht nur mir so zu gehen). Als Konsequenz daraus hab ich mir vorgenommen diese ›Gedankenblitze‹ in Zukunft sofort auf einem Stück Papier festzuhalten, mal sehen ob es gelingt.

Ein Thema wäre bestimmt die Entwicklung bzw. der Stand der Szene, Armin hat das auch kurz in der foreigner-page angesprochen. In letzter Zeit gehts ja doch ganz gut ab. Ist besonders bei FUGAZI aufgefallen – Coverstory im Sounds mehr Presse im NME und Melody Maker, Bericht im französischen Fernsehen, zwei Seiten in der Spex, im Zap und zuguter Letzt auch bei uns. Ist bestimmt gut für die Band und für das Label/den Vertrieb – oder? Überhaupt, schau dir das Cover der dezember Spex an: DIE KREUZEN, FUGAZI, BLIND IDIOT GOD, FISHBONE, sollte uns (mit ›uns‹ meine ich euch) das freuen oder zu denken geben. Erinnert euch an die zahlreichen Touren nordamerikanischer Bands im letzten Jahr, die meisten waren erfolgreich – sowas wäre auf diesem Level noch vor zwei-drei Jahren undenkbar gewesen. Ist der kommende Zusammenschluß (in Anführungszeichen) einiger europäischer Indies (u.a. Efa, Boudisque, Southern) das Ergebnis guter Zusammenarbeit und ein Schritt voran oder eine Monopolisierung durch Kartellbildung? Kann das unsereins überhaupt noch beurteilen oder müssen wir die Zeit ans Werk lassen und abwarten. Liegt es im Sinn der Sache, dass über diese Musik/Szene in verschiedenen Satellit/Kabel-Sendungen berichtet wird, oder jetzt ganz neu, eine Art NME für Deutschland – das Shark, alle zwei Wochen mit astronomischer Auflage (100.000!) erscheint. Kollege Moses vom Zap sagt ja schon im Tribal Area-Videozine (diesmal auch schon eingeschweißt …) dass es gut wäre, wenn Hardcore zur Massenbewegung würde (vergiss aber nicht, dass du wahrscheinlich nicht zu denen gehören wirst, die die große Kohle machen – ich weiß, ich weiß, ist nicht dein Anliegen, meins auch nicht). Ich werde dazu im Moment nur soviel sagen, dass mich die ganze Sache, so wie sie jetzt ist, nicht stört – mal sehen wie es weitergeht.

Ich ertappe mich manchmal selbst dabei, dass ich ›Angst‹ habe bei all diesen ›großen/tollen‹ Sachen den Kontakt zu neuen, jungen, kleinen Sachen zu verlieren. Zu den Leuten, die vom eigenen Fotoapparat und nicht von Telefax oder Laserprinter träumen. Zu Bands, die nicht an Plattenverträge und europaweite Tourneen denken, sondern die ganze Woche aufgeregt sind, weil sie am Wochenende zweihundert km entfernt im JuZ spielen. Zu Leuten, die die ganze Sache nur aus Spaß machen, voller Enthusiasmus/Idealismus, und nicht davon leben wollen/können/müssen. Andererseits kann ich nicht abstreiten, dass mir manchmal irgendwelche ›primitiv‹-Zines/Demos auf den Sack gehen und ich mich frage, ob die Macher nicht was sinnvolles machen könnten. Aber das ist wohl normal und Interesse ist ja noch da. Ich weiß, woher ich komme und werde, egal wohin ich gehe, das hoffentlich nie vergessen.

So, jetzt zum Schluss vielleicht noch ein paar technische/interne Sachen. Es sieht so aus das wir, trotzt der Erhöhung der Seitenzahl, auch in Zukunft unsern Preis halten können. Even-tuell werden wir ab März auch von Efa vertrieben – warum? Warum nicht? Ach ja, wir erscheinen nicht am Ersten jeden zweiten Monat!! Wir erscheinen alle zwei Monate am Anfang des Monats, das kann der erste sein, aber auch der vierte, fünfte oder siebte – wenn du allerdings am zwanzigsten immer noch kein Heft hast, solltest du um dein Geld bangen und dich hier melden. Ansonsten sei gesagt, dass der Vertrieb jetzt so gut wie unter Kontrolle ist. Allerdings lässt die Zahlungsmoral zu wünschen übrig, was immer unnötige Arbeit macht. Einige Leute haben uns auch abgelinkt (oder zahlt ihr doch noch?) und deren Namen müssen wir wohl demnächst veröffentlichen. Ist zwar nicht so toll, aber das letzte was wir noch machen können, damit nicht auch andere Leute abgezogen werden.

Ich weiß übrigens selbst, dass wir zuviele Musik/Interviews haben, wen es stört, der soll uns doch bitte kompetente Schreiber oder gute Artikel besorgen, oder selbst was machen! Ok, ich muß (??) jetzt auf ein Konzert/Party und verabschiede mich bis zum nächsten mal. Übrigens bin ich jetzt wieder bis mindestens Mitte März unter meiner Nummer zu erreichen.

Gut – wir werden sehen!

Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf

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