Читать книгу Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf - Dolf Hermannstädter - Страница 29
ОглавлениеTrust #17 – März 1989
Nachdem ja nun auch von der Öffentlichkeit meine Kompetenz erkannt worden ist (vgl. Zap Feb. ‘89) will ich mich hier als Qualifizierter gleichmal zu einem Thema äußern das völlig unwichtig ist, in letzter Zeit aber doch wieder durch verschiedene Bands/Leute/Medien ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde. Jep, genau, Straight Edge. Ich hatte ja nie vor darüber zu schreiben, aber es scheint ja wohl doch notwendig zu sein einfürallemal zu sagen was Sache ist – und dann Ruhe, ok.
Gehen wir doch mal zum Ursprung (des Übels?), also um einige Jährchen zurück nach Boston, MA, und Washington, DC, an der Ostküste der USA. Dort ist diese ›Bewegung‹ entstanden. Warum also nichts zechen und Kreuzchen auf der Hand? Na ist doch logo, wenn man vierzehn-fünfzehn ist, dann bekommt man dort eben noch keinen Alk, und wenn man ihn doch bekommt, bekommt man Ärger mit den Cops oder den Eltern. Dann haben die Barleute auch keinen Bock die Leute jedesmal nach dem Alter zu fragen und lassen den Kiddies riesen Kreuze auf den Handrücken pinseln. Ziemlich dumme Situation für die Kids, also macht man eben das Beste draus und ist einfach stolz drauf. Redet was von klar denken und das Hirn frei zu haben und das man besseres zu tun hat als zu saufen, dass es ungesund ist, usw., usw. Wäre ja alles schön, wenn die ›Bewegung‹ aus diesen Gründen entstanden wäre. Aber Primärgrund war wohl bei den meisten das Alter. Beweis hierfür sind die Leute, nicht wenige, die damals XXX schrien und heute genauso saufen, rauchen, etc. wie alle anderen. Rühmliche Ausnahme ist hier DC, einmal sind viele Leute dort heute immer noch straigth edge und zum anderen sprechen, geschweige singen, sie nicht die ganze Zeit davon – sie sind eben einfach so. Außerdem beschränkt sich dort Straigth Edge nicht nur auf saufen, drogen und vögeln, sondern beeinflußt alles. Also Nahrung, Einstellung, Politik … eben konsequent das ganze Leben. Deshalb sind McKaye und seine Freunde hier nicht gemeint, sondern die andern Schreihälse. Von denen wären ja einige im trinkfähigen Alter, also zählt hier das Argument nicht mehr, macht nix, da fällt mir nämlich gleich ein, dass sie ja eigentlich gar nicht so hart und toll sind wenn sie drogenfrei sind. Objektiv betrachtet ist es ja wirklich einfach, irgendwas auf die Reihe zu bekommen, wenn man immer einen klaren Kopf hat. Schwieriger gestaltet es sich da schon, wenn man außer klar denken auch noch was anderes macht (sprich drogt, trinkt) und trotzdem noch was auf die Reihe bekommt. Auch ist es einfach, nicht von irgendwas abhängig zu werden, wenn man nichts nimmt – es gehört aber doch schon etwas dazu nicht abhängig zu werden, obwohl gewisse Sachen konsumiert werden (klingt banal, ist aber so). Wenn du auf einem Balken über ne Schlucht läufst ist immer die Gefahr dass du abstürzt, wenn du aber erst garnicht auf den Balken gehst, besteht auch gar keine Gefahr abzustürzen. Da kann man ja gleich ganz zu haus bleiben.
Was soll ich hier noch viel lästern und Argumente aufzählen, wie unnötig es ist über Straight Edge zu reden/singen. Fassen wir es doch gleich hier zusammen. Grundsätzlich ist es mal gut drogenfrei und gesund zu leben – logo. Aber es gibt/gab genügend lebende, denkende und auch handelnde Beweise, dass es auch möglich ist kreativ, verantwortungsbewußt und zuverlässig zu sein, wenn Drogen benutzt werden (natürlich gibt es auch massig negative Beispiele). Grundsätzlich ist es auch schlecht wenn man von etwas abhängig ist (oder nicht?). Das Problem ist also nicht: Drogen ja oder nein? Sondern es kommt drauf an, wie Drogen benutzt werden. Warum soll jemand der das kann, also mit der Droge umgehen, sie nicht benutzen? Wer es nicht kann (oder will) der sollte besser die Finger davon lassen (wenn man sich die meisten Drogenkonsumenten ansieht, ist das wohl die Mehrzahl). Also nicht soviel labern, wo gar nichts ist.
Zum Abschluß möchte ich noch sagen, dass ich noch immer auf die erste Frauen-positiv-straigthedge-Band warte, muskelbepackt, mit kurzen Haaren?? Sollte auch mal zu denken geben, wieso (na, weil macho) denn sowenig Frauen bei dieser ›Bewegung‹ sind (wahrscheinlich sind sie doch klüger als die Männer). Bitte schickt keine Briefe, es lohnt sich nicht über das Thema zu labern – Zeitverschwendung. Obwohl es ja so aussieht, dass grade solche wichtigen Sachen die meisten zu interessieren scheint (siehe Slammer vs. Punk, Nord vs. Süd, Punk vs. HC, etc.) Vielleicht schaffen wir es noch …
Die besten Schriftsteller waren Trinker.