Читать книгу Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf - Dolf Hermannstädter - Страница 21
ОглавлениеTrust #11 – März 1988
Nun mal das ›Technische‹ am Anfang, wir ihr sehen könnt ist das nun doch keine ›Sex‹-Ausgabe. Das hat mehrere Gründe: Einmal war die Resonanz sehr gering (was vielleicht auch an der falschen Ankündigungsart von Moses gelegen hat – sowas wollten wir nicht), zum anderen haben Leute, die was bringen wollten, nichts gebracht und leider muß ich mich da auch selbst dazuzählen. Aber wir können es ja immer noch machen, oder ist überhaupt kein Interesse da? Laßt Euch überraschen.
Ich bin übrigens wieder in Augsburg und habe diesmal keinen Bericht über meine Reise verfaßt (da werden jetzt eh alle aufatmen) das hat folgenden Grund: Ich könnte mich die ganze Zeit über verschiedene Sachen aufregen und es würde keinem helfen und außerdem wäre es grundsätzlich dasselbe, was ich in meiner Gastkolumne im letzten MRR geschrieben habe – die paar Interessierten können es ja dort nachlesen.
Verdammter Mist, jetzt fällt mir kein geeigneter Übergang zum eigentlichen Thema ein, ich will ja über ›Persönlich, Privat‹ schreiben. Na gut, dann eben ohne den Übergang. Denk mal nach, gibt es irgendwas das du, aus welchen Gründen auch immer, der Öffentlichkeit verheimlichen willst? Ja? Gut, dann hast du eine Privatsphäre. Hast du aber schonmal drüber nachgedacht, warum du nicht willst dass die Öffentlichkeit erfährt dass du z.B. deiner Mutter jedesmal einen Abschiedskuss gibst, wenn du das Haus verläßt. Oder dass du eine tolle Briefmarkensammlung hast und es dir außerdem einfach Spaß macht, jeden Mittwoch Abend vor dem Schlafengehen in die Badewanne zu onanieren. Da brauchst du garnicht lang zu überlegen, gell, du wirst wie die meisten anderen auch sagen: »Das geht niemanden was an, das ist persönlich.« Richtig, aber es ist auch eine (angenommene) Tatsache, es ist geschehen oder geschieht immer noch. Also sollte man doch auch zu dem, was man macht, stehen. Ob es nun gut oder oder schlecht war – die Frage stellt sich hier garnicht – es ist nun mal so. Beleuchten wir doch mal die Gründe für Privates. Es kann sein, dass es Leuten peinlich ist und verletzt oder dass sie ihr Ansehen verlieren oder dass es für andere Leute unangenehm ist. Man kennt das ja, irgendeine hochangesehene Persönlichkeit wird mit ein paar Gleichgesinnten in einer Folterkammer gesehen und ist auch schon sofort sein ganzes Image los.
Darf ich mir erlauben zu sagen, dass viele Leute ihre Persönlichkeit leugnen, nur um nicht ihr Ansehen zu verlieren? Ist es richtig, dass Leute, die viele persönliche Geheimnisse haben und nicht gerne über ihre Privatsphäre reden, einfach nur die Wahrheit verdrängen wollen? Wäre es da nicht angebracht, soviel wie möglich gerade über die Privatsphäre von Leuten zu erfahren, um sie wirklich kennenzulernen?
Ich wäre auf jeden Fall geschockt, wenn ich erfahren würde das Jello Biafra in seiner (privaten) Freizeit, wenn er nicht auf der Bühne ist oder ein Interview gibt, mit Nazis zusammenhängt – wo er doch in aller Öffentlichkeit sagte »Nazi Punks Fuck Off« – oder meinte er nur Nazi Punks? (Das ist übrigens nur ein Beispiel, unterstelle mir bloß keiner ich hätte das gesagt!!)
Rauszufinden, was wer zu verbergen hat und warum! Wenn jemand begründet etwas verbergen will, wie soviele Politiker und andere ›Persönlichkeiten‹, dann hat das meist gute Gründe, Betrug, Lügen, Gegensätze, usw. Und meist sind doch sehr viele Leute froh drüber, wenn gewisse private Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangen.
Oder propagiere ich hier nur den Klatsch und Tratsch? Nein, dagegen bin ich auch, da oft Lügen, Un- und Halbwahrheiten an die Öffentlichkeit gegeben werden. Deshalb hat es auch nichts mir Klatsch zu tun, das was ich meine sind – TATSACHEN.
Aber keine Angst, nur weil ich der Meinung bin, es sollte praktisch nichts Privates geben, heißt das noch lange nicht, dass ich in Zukunft alles, was ich weiß, an die große Glocke hängen werde. Ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass die wenigsten Leute da so denken und sehr aggressiv werden können, wenn man gewisse ›wunde Punkte‹ anspricht oder darüber spricht. Im übrigen hab ich halt mal wieder in Schriftform gedacht bzw. viel Gedachtes zusammengefaßt – wie man das eben so macht.
Um zu ‘nem Ende zu kommen sag ich nur noch, dass jeder zu sich selbst und anderen gegenüber so ehrlich wie möglich sein sollte (natürlich nicht grad, wenn du mit Dope in der Tasche von ‘nem Zivi geschnappt wirst, man muß da schon unterscheiden), steh zu dem was du tust oder hör auf.
Shit, jetzt muß ich doch noch was ›technisches‹ zufügen, falls irgendwas nicht klappte (Post- oder Trust-mäßig) sorry, ab jetzt klappts wieder.
P.S. Die paar, die mich letztes Jahr in Homburg nach’n paar Bier zuviel während einer Schlafunterbrechung aus’m Zimmer wandeln und ins Eck pissen sahen und sich fragen, ob es mir peinlich wäre, wenn das an die ›große Öffentlicheit‹ gelangt und sich schon hinterlistige Leserbriefe ausdenken:
Spart es euch! Es ist mir nicht peinlich, es ist eine Tatsasche und die ist so passiert. Ich finde es zwar nicht richtig, sogar ziemlich scheiße – aber das kann dem besten positiven Trinker passieren – it’s Life