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Trust #3 – November 1986

Neulich hab ich mir mal wieder Gedanken über meine/unsere Zukunft gemacht, natürlich bin ich nicht auf DIE Lösung gekommen. Also haltet mir nicht schon wieder vor, ich würde nur Themen anschneiden, ohne sie ausführlich zu behandeln. Die Themen sind einfach zu komplex, als dass man sie in dieser Form erörtern könnte, auch kann ich keine Patentlösung anbieten, ich spreche bewußt nur die Sachen an, den Rest könnt Ihr Euch selbst überlegen – oder wenn ihr wollt auch wieder kritisieren. Aber zurück zu der Zukunft – wie lange wird es das TRUST noch geben, in dieser Regelmäßigkeit und Form? Sagen wir mal ein Jahr. Wenn wir es geschafft haben den Vertrieb bis dahin zu organisieren (ist ja nicht unsere Schuld – siehe sonstwo im Heft) kann bzw. denken wir an eine Auflagensteigerung, warum auch nicht? Das hat aber eigentlich gar nichts mit dem Kernpunkt zu tun, also bin ich mal ganz direkt. Ich mach momentan soviel (??) für die Szene, dass ich nebenbei gar nicht mehr die Zeit habe einen Job zu haben um Kohle zu verdienen. Geld brauch ich aber, und da stellt sich die Frage, soll ich meine Aktivitäten zurückschrauben um auch noch Zeit für nen Job zu haben oder soll ich versuchen irgendwie davon zu leben? Ich würde es vorziehen noch mehr zu machen und davon zu leben, klar, Kommerz hör ich jetzt schon wieder die ersten schreien, aber egal, schreit nur, wir sprechen uns wieder wenn ihr in fünf Jahren immer noch schreit. Ich frage mich nur, ob es überhaupt möglich ist von den Dingen die ich z.Zt. mache, sprich TRUST & Co, zu leben. Bisher ists ein +0 Geschäft bzw. zahl ich noch eher drauf – und zumindest das muß aufhören. Ich finde es gar nicht schlimm wenn jemand von dem, was er macht, lebt, es kommt eben drauf an, wie. Man kann Leute ausbeuten oder aber korrekt sein und solange jemand korrekt ist, gibts nichts dran auszusetzen, oder? Ich hab halt immer noch meine idealistische Einstellung, dass es möglich ist eine gute Szene aufzubauen, ohne Kommerz und Ablinkerei. Aber da scheiterts oft an den Fähigkeiten der Leute. Ein ziemlich leistungfähiger sogenannter Independent-Vertrieb, für mich ist es keiner, ist EFA, ich bin mir sicher, wenn es einer aus der echten Independent-Szene schaffen würde, ähnlich ›gut‹ zu arbeiten, dass dann einige Leute umsteigen würden, aber solange die Szenster keine Alternative zu dem Bestehenden bieten, wird eben immer noch zu den Großen gerannt. Da gibts unzählige Kleinvertriebe die zehn-zwanzig Platten verkaufen und dann Schwierigkeiten haben, nicht dass ich diesen Leuten ausreden will was sie machen, aber einige sollten sich doch mal überlegen ob sies nicht besser machen könnten. Oder, Gigs, da gibts Leute, die haben die Möglichkeit in ihrer Stadt/Umgebung Gigs zu machen, und dann machen sie das mit einem Eifer dass einem schlecht wird. Warum ist es nicht möglich irgendwo anzurufen, Bescheid zu geben welche Band zu welchem Zeitpunkt wo spielen will usw. und derjenige dann zu einem ausgemachten späteren Zeitpunkt wieder zurückruft und sagt was Sache ist – Nein, da muß man dann immer wieder selbst nachfragen ohne irgendwelche konkreten Infos zu erhalten und die Telefonrechnung steigt und steigt, für völlig sinnlose Actions. Es gibt zum Glück in D-land einige Leute die die Sache geblickt haben, aber sicher noch nicht genug. Stop, da fällt mir noch was ein – einige werden bestimmt meinen, warum soll der von der Sache leben und ich nicht? Ganz einfach, es steht jedem frei genau das zu machen, was ›der‹ auch macht, also mach! Hier ist dann wieder die neue Frage, stell dir vor jeder in der Szene würde Gigs, Zine, Touren, Band, Vertrieb machen, dann ist irgendwann mal zuviel da, ich glaub aber dieses Problem wird eh nicht auftreten. Trotzdem wäre es zu überlegen mal was Neues zu starten, eben nicht den üblichen Vertrieb, Tape-Sampler, etc., lasst euch doch mal was einfallen. Ach ja, wenn ihr meint dass ihr jetzt schon durch den Kauf des Heftes meinen Lebensunterhalt zahlt liegt ihr falsch – ich hab die Sache nur mal angesprochen, davon, dass ich/wir es jetzt so machen war kein Wort, mal sehen wie es weitergeht. Jetzt noch was, ich werde sehr wahrscheinlich ab ca. Mitte November für vorerst zwei Monate nach Kalifornien gehen, sollte es nicht klappen erübrigt sich das hier. Wenn ich weg bin kann ich logischerweise keine Post usw. machen, also, ich bin praktisch für ne kleine Zeit außer Betrieb (wenns ganz dringend ist bin ich über die MRR- Adresse zu erreichen). Aber ich komme wieder zurück und dann gehts volle Kanne weiter! Jetzt möchte ich zum Abschluß zwei berühmte Männer zitieren, das eine ist von Mykel Board: »It is just that the consumers pay in money, the producers in time and effort. Thats the deal.« Das andere ist von Goethe: »Andere verschlafen ihren Rausch, meiner steht auf dem Papier.« Wir sehen uns – MACHT WEITER!!

Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf

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