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Frühstück bei Valentina

Der helle Frühlingstag draußen bildet einen angenehmen Kontrast zu Eiche brutal, die Liobas Wohnung verdunkelt. War ohnehin nur als Übergangslösung gedacht. Eine Art Zwischenstation auf dem Jakobsweg.

Lioba hatte wenige Wochen nach ihrer Trennung zusammen mit Angela, einer Freundin, die schon seit Jahren von einer schadensfreien Scheidung in Harmonie träumt, alle Vorträge darüber besucht und begierig nach innerem Frieden in sich aufgesogen. Pilgern auf dem Jakobsweg. Erleuchtung auf dem Jakobsweg. Ich bin dann mal weg. Spirituelle Reise und Reise zu deinem Ich auf dem Jakobsweg im Wechsel. Sie wollte nicht als gestrandeter Wal in ihrer Notwohnung verenden. Als sie es mit Rucksack und Wanderschuhen ohne Angela, die doch lieber fürs Erste, natürlich nur noch für kurze Zeit, bei Manfred bleiben wollte, in einer Gruppe von berenteten Hobbypilgern und vor allem -pilgerinnen durch Aachen und Kornelimünster geschafft hatte, mit Blasen an den Füßen in den Bus nach Hause gestiegen war und ihre Pilgerreise definitiv abgeschlossen hatte, war das zusammengewürfelte Refugium geblieben.

„Gott sei Dank hast du die Wohnung nicht vor deiner Wanderung und inneren Einkehr aufgelöst", hatte Valentina gelästert, während sie auf Liobas Füße eine Mischung aus Melkfett, Arnika und Vaseline auftrug.

Nun ist Liobas Unternehmungslust geweckt, als sie sich mit den beiden hübsch verpackten Büchern zu ihrer langjährigen Freundin aufmacht. Es beflügelt sie, dass sich in Valentinas Dunstkreis keiner aus ihrer Familienphase aufhält.

Valentina hat in ihrer geräumigen Wohnküche Ess- und Balkontisch aneinandergerückt und die lange Tafel mit ihrem altertümlichen Geschirr eingedeckt. Die große, weiße Tischdecke unterstreicht die Frische der in ziselierten Gläsern angeordneten Maiglöckchen und die Zartheit des Geschirrs. Valentina ist vernarrt in solche Details.

Die Balkontür steht offen. Auf der Brüstung sind für die Raucher mit Sand gefüllte Blumentöpfchen dezent neben den frisch bepflanzten Blumenkästen aufgestellt.

Eine burschikos aussehende Helen hat einen riesigen Hefezopf gebacken, in den bunte Eier eingelassen sind. „Mhmm! Wie der duftet", wird er mehrstimmig gewürdigt. Es gibt Marmeladen nach raffinierten Rezepten mit und ohne Alkohol, verschiedene Sorten Honig und Käse. Dazu Obstsalat mit Mandelsplitter, Rumrosinen und in Ahornsirup karamellisierten Nüssen.

Eine kleine Ursula schwärmt von einem Kurs über idiomatische Redewendungen im Englischen, den sie gerade zusammen mit ihrem Mann, einem pensionierten Lehrer für Deutsch und Geographie, im Seniorenstudium belegt hat. Lioba schaut sie an. Dunkelblauer Strickpulli, dunkelblaue Jerseyhose, die Füßchen in Mephisto. Das schwarzgraue Haar auf Hausfrauenkurzhaarschnitt reduziert.

„Du bist wohl oft in England?", fragt sie das kleine Neutrum, einen Anflug von Interesse heuchelnd.

„Nein, das nicht." Putziges Gackern. „Aber der Kurs ist wirklich spannend." Die Kleine bleckt gottgefällig die Krönchen. „Das findet mein Mann auch." Sie lässt noch ein schmales Glucksen erklingen. „Letztes Semester haben wir römische Geschichte aufgefrischt - einfach nur so."

„Aha", fällt Lioba dazu ein. Automatisch checkt sie ab, ob es etwas geben könnte, das sie noch weniger interessierte.

„Gegenstand war vor allem die Rolle der Polis für die heutige Demokratie. Das vergisst man so leicht, dass dort unsere Wurzeln liegen." Durch ihr zartes Silberrandbrillchen blickt die Musterschülerin in die Runde, einen kleinen Triumph in der Miene.

Die Umsitzenden schweigen.

Lioba spürt eine Art von Verachtung für diese kleine, vertrocknete Frau, obwohl ihr keine wirklichen Gründe gegen das Seniorenstudium einfallen. Es kann schließlich nicht jeder seinen unermesslichen Zeitreichtum im Rentnerdasein durch Ehrenämter breitschlagen. Und die Einführung von Seniorenklappen steht noch aus, lästert es durch Liobas Gemüt. Vor ihrem inneren Auge sitzen die kleine graue Maus und ihr Gatte über einem spitzfindigen Idiom, ohne einander zu berühren. Auch nicht aus Zufall. Als niemand weiter auf Ursula eingeht, empfindet Lioba Schadenfreude. Außer ihrem Gatten würde ein Mann die Kleine noch nicht einmal mit dem Hintern ansehen. Und der Gatte vermutlich auch schon lange nicht mehr...

Lioba wechselt die Saite

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