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4.Theologische Anthropologie
ОглавлениеBereits an diesem Punkt zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der theologischen Anthropologie sich der Theologengeneration der 60er Jahre von verschiedenen Seiten her nahe legt. Die Anliegen der Neopatristischen Synthese, eine an den existentiellen Fragen des modernen Menschen ausgerichtete Theologie zu formulieren, fordern zur Reflexion über das Menschenbild ebenso heraus wie die Unzufriedenheit mit den Engführungen einer »verwestlichten« und »rationalistischen« Theologie und mit einer auf ethische Fragen fixierten Spiritualität. Die in der Folge innerhalb der orthodoxen Theologie des 20. Jahrhunderts diskutierten Themen stehen in engem Zusammenhang mit anthropologischen Fragen. Die philosophischen Strömungen ihrer Zeit, vor allem der Existentialismus heideggerscher und französischer Prägung, sowie der Marxismus konfrontieren mit einem anders gearteten Menschenbild und fordern dazu heraus, demgegenüber in Abgrenzung und Übereinstimmung das christliche Menschenbild zu profilieren.
Die Arbeit an den Texten der Kirchenväter des 4. Jahrhunderts gibt einen weiteren und wohl den entscheidenden inhaltlichen Impuls, sich anthropologischen Fragestellungen zu widmen. Insbesondere durch die Beschäftigung mit der Theologie der Großen Kappadozier rückt der Personbegriff neu ins Blickfeld. Er bildet, wie noch zu zeigen ist, die Mitte der theologischen Arbeit von Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas und fordert dazu heraus, von ihm her auf die anderen loci theologici zu schauen, den Personbegriff gewissermaßen in alle anderen Bereiche der Theologie »durchzubuchstabieren«, wie umgekehrt eine erneuertes Verständnis dieser loci, die Reflexion ihrer anthropologischen Prämissen erfordert.
105Vgl.: Georges Florovsky: Collected Works, Belmont/Mass. 1972-1979. Zum Werk Florovskys s. auch G. Williams: Georges Vasilievich Florovsky: His American Career (1948-1965), GOTR 11 (1965), 7-107. Eine umfassende deutschsprachige Darstellung der Theologie Florovskys bietet Künkel, a.a.O..
106Florovsky, Westliche Einflüsse in der russischen Theologie, in: Procès verbaux du Premier Congrès de Théologie Orthodoxe à Athènes. 29 novembre – 6 décembre 1936. Publiés par les soins du Président Hamilcar Alivisatos, Athen 1936, 212-231, 218. Vgl. auch: »Patristic texts are kept and repeated. Patristic mind is too often completely lost or forgotten.” (Florovsky. Patristics and Modern theology, in: Procès verbaux du Premier Congrès de Théologie Orthodoxe à Athènes. 29 novembre – 6 décembre 1936. Publiés par les soins du Président Hamilcar Alivisatos., Athen 1936, 238-242, 239); »Am gefährlichsten war es hierbei, dass seither die theologische Problematik ihre Lebensnähe verlor und die Lehre Gottes bald als Schulgezänk enger Fachleute erschien.« (Westliche Einflüsse, 230).
107»Eine westliche Kultur, ja eine westliche Theologie wird aufgebaut. Eine Schultheologie freilich, die keinen Untergrund hatte: Auf fremdem Boden entstanden und gewachsen wurde sie jetzt gleichsam Überbau über einer leeren Stelle; statt natürlicher Fundamente, ruht sie lediglich auf Pfählen. Eine Theologie auf Pfählen, - das ist das Resultat des theologischen Westlertums im russi-schen 18. Jahrhundert.«, Florovsky, Westliche Einflüsse, 221 (Hervor-hebungen Florovsky.)
108Florovsky, Westliche Einflüsse, 229f. Florovsky übernimmt diesen Begriff, der ursprünglich der Geologie entstammt, von Oswald Spenglers »Untergang des Abendlandes«. Zum Begriff und zum Geschichtsverständnis, das sich daran zeigt, vgl. Künkel, 265. Vgl.: Felmy: Einführung, 7 38: »Man kann darüber streiten, ob der Begriff glücklich gewählt ist oder nicht, die mit ihm bezeichnete Sache ist jedoch von vielen Theologen, besonders von Georgij Florovskij selbst, klar erkannt worden.«
109Patristics and Modern theology, in: Procès-verbaux, 238-242.
110Im Folgenden werden die Grundlinien einer neopatristischen Synthese nach Georges Florovsky referiert. Auf das je eigene Profil, das sie bei Nellas, Yannaras und Zizioulas bekommen, wird bei der Untersuchung des jeweiligen Theologen im zweiten Teil dieser Arbeit eingegangen.
111G. Florovsky, Art. Theologie, IV. Orth. Theologie, in: RGG3 Bd. VI. (1963), 779-782, 781, Hervorhebung DG.
112Westliche Einflüsse, 231, Hervorhebungen Florovsky.
113Ebd.
114Künkel, 267. Wie sich diese Forderung aus dem Geschichtsverständnis, der Christologie und der Ekklesiologie Florovskys herleitet, hat ausführlich Christoph Künkel untersucht. Vgl. insbes. Künkel, 261-276. Florovsky ist wiederholt »Historismus« vorgeworfen worden. Speziell auf Florovskys Geschichtsverständnis kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Die Problematik, die sich auch bei Nellas, Yannaras und Zizioulas zeigt, wird später an entsprechender Stelle noch näher untersucht.
115Florovsky, Patristics and Modern Theology, 238.
116»'Moderne Philosophie' muss zuerst vom katholischen Selbstverständnis der Kirche her geprüft werden.«, Patristics and Modern Theology, 241.
117Florovsky, Westliche Einflüsse, 231, Hervorhebungen Florovsky.
118Patristics and Modern Theology, 238.
119Ortodossia, 7.
120Felmy: Einführung, 12. Als ein weiteres Beispiel nennt Felmy die dreibändige Moraltheologie des rumänischen Theologen D. Staniloae, die ebenfalls als »wichtigste patristische Zeugen« Theologen anführt, »die der Gotteserfahrung und Gotteserkenntnis nachgesonnen haben, und nicht 'Moraltheologen' im eigentlichen Sinne« Vgl. Vl. Lossky, Théologie mystique de l’Église d’Orient, Paris 1944, dt. Übersetzung: Die mystische Theologie der morgenländischen Kirche. Übers. von Mirjam Prager OSB, Graz - Wien -Köln 1961 (= GLOK; 1); D. Staniloae, Teologia morala ortodoxa pentru instituele teologice, Bd. III: Spiritualitatea ortodoxa, Bukarest 1981 (Die orthodoxe Moraltheologie für die theologischen Institute, Bd. III, Die orthodoxe Spiritualität).
121Viele Arbeiten tragen Titel in der Form »Orthodoxie und …« Ein charakteristisches Beispiel für die Arbeiten, die in dieser Zeit geschrieben wurden ist die Dissertation von Nikos Nissiotis: Sören Kierkegaard Karl Jaspers, Martin Heidegger Jean-Paul Sartre (»Existentialismus und christlicher Glaube bei Sören Kierkegaard und den zeitgenössischen Existenzphilosophen Karl Jaspers, Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre«), Athen 1956.
122Vgl. die Einführungen in den einschlägigen Handbüchern und Überblickswerken. Eine kurze Zusammenfassung findet sich z.B. bei M. Begzos: Der Apophatismus in der ostkirchlichen Theologie. Die kritische Funktion einer traditionellen Theorie, in: . . , (Wissenschaftliche Gesellschaft der Theologischen Fakultät Athen: Festgabe für Markos Ant. Siotis«), hrsg. von A: Yannoulatos, (= Wissenschaftliche Gesellschaft der Theologischen Fakultät; 26), Athen 1986, 179-216, 216. sowie in vielen anderen seiner Veröffentlichungen.
123Diesen Vorwurf Losskys hat ausführlich J. Freitag untersucht: Geist-Vergessen – Geist-Erinnern, a.a.O..
124Ortodossia, 8.
125Vgl. z.B. I. Zizioulas: Christologie, Pneumatologie und kirchliche Institutionen in orthodoxer Sicht, in: Kirche im Wandel. Eine kritische Zwischenbilanz nach dem Zweiten Vatikanum, hrsg. von G. Alberigo, Y. Congar, H. J. Pottmeyer, Düsseldorf 1982, 124-140; Ders.: Die pneumatologische Dimension der Kirche, IKaZ 2 (1973), 133-147.
126Ortodossia, 8: »Questo tema ha acquisito una tale importanza nel lavoro teologico del nostro tempo da poter essere chiamato 'il' tema teologico del nostro secolo.” Dies gilt nicht nur für den Bereich orthodoxer Theologie. Im Westen ist hier z. B. an Otto Dibelius (1880-1967) oder an Romano Guardini (1885-1968) (»Die Kirche erwacht in den Seelen«) zu denken; vgl. R. Guardini: Vom Sinn der Kirche, Mainz 1922.
127»sobor« ist die altslavische Übersetzung des griechischen . Verwendet wird der Begriff der Sobornost vor allem im Blick auf das Verhältnis von Lokal- und Universalkirche. Vgl. hierzu G. Florovsky: Sobornost. Kirche, Bibel, Tradition. Werksausgabe Band 1, München 1989, bes. 41-86. S. auch die einschlägigen Passagen bei Zizioulas, Ortodossia, 8.
128Vgl. zur eucharistischen Ekklesiologie (außer den einschlägigen Schriften von Ioannis Zizioulas) auch P. Plank, Art. Eucharistische Ekklesiologie II. Ostkirchlich, LThK3 III (1995), 971-972; Ders.: Die Eucharistieversammlung als Kirche. Zur Entstehung und Entfaltung der eucharistischen Ekklesiologie Nikolaj Afanas'evs (1893-1966), Würzburg: Augustinus-Verlag 1980 (= Das östliche Christentum: N.F.; 31), eher zu westlichen Ansätzen einer Eucharistischen Ekklesiologie: A. Thaler: Gemeinde und Eucharistie. Grundlegung einer eucharistischen Ekklesiologie, Fribourg 1988 (= PTD; 2), 286-299, der den Ansatz Afanas'evs darstellt, auf Zizioulas aber nur am Rande Bezug nimmt; J. Freitag, Art. Eucharistische Ekklesiologie I. Systematisch-theologisch, LThK3 III (1995); Ders.: Vorrang der Universalkirche?, ÖR 44 (1995), 74-82.
129G. Baillargeon: Perspectives orthodoxes sur l'Église - Communion. L'oeuvre de Jean Zizioulas, Montréal 1989, 61: »L’eucharistie se trouve non seulement au point de départ de la pensée de Jean Zizioulas, mais encore apparaît-elle comme le cœur de celle-ci.«
130Vgl. zur orthodoxen apophatischen Theologie V. Lossky, Die mystische Theologie, a.a.O.; Felmy: Einführung, 1-39.
131Weder die Energienlehre an sich noch die Thesen Losskys sind Thema dieser Arbeit. Einen Überblick bietet M. Begzos, Apophatismus, a.a.O.. Vgl. hierzu neben den bereits genannten Titeln auch J. Hochstaffl: Negative Theologie. Ein Versuch zur Vermittlung des patristischen Begriffs, München 1976; R. Roques: Art. Dionysios Areopagita, RAC Bd. III, (1957), 1075-1121; D. Wendebourg: Geist oder Energie. Zur Frage der innergöttlichen Verankerung des christlichen Lebens in der byzantinischen Theologie, München 1980 (= MMHST; 4).
132N. Nissiotis: : To (»Prolegomena einer theologischen Erkenntnislehre: Die Unfassbarkeit Gottes und die Möglichkeit der Gotteserkenntnis«), Athen 1965, bes. 17-39.93-107. Nikos Nissiotis gehört der gleichen Theologengeneration der 60er Jahre in Griechenland an. Einen leichten und guten Zugang zu Person und Werk von Nikos Nissiotis einschließlich einer Bibliographie bietet die Einführung seines Schülers Marios Begzos mit dem (den Ansatz Nissiotis' gut treffenden, aber ins Deutsche unübersetzbaren) Titel: . . (»'Logos als Dia-logos'. Eine Personenbeschreibung des Nikos Nissiotis«) Thessaloniki 1991.