Читать книгу Diabetes mellitus - Dr. Hanspeter Hemgesberg - Страница 18
Insulin: Das „Insel-Hormon“
ОглавлениеUnstrittig:
Auch die Geschichte des Insulins und somit auch der Insulin-Präparate ist ein wichtiger Abschnitt in der gesamten „Medizin-Historie“.
Fakt ist:
Ohne Insulin und auch die oralen Antidiabetika (OAD) hätte die Krankheit „Diabetes“ ihren Schrecken als tödliche Krankheit noch immer nicht verloren!“
Daher nachfolgend einige wichtige An- und Bemerkungen zum und über das Insulin.
Kurz und bündig:
Insulin ist ein Peptid-Hormon () oder Proteo-Hormon ().
Darunter versteht man einen Botenstoff () [= Hormon ()].
Es handelt sich dabei um Lipid-unlösliche (Fett-unlösliche) Substanzen, die eine Eiweiß-Struktur [Protein = Eiweiss-Körper] besitzen; die also aus miteinander-verbundenen Aminosäuren () aufgebaut sind, welche durch die Protein-Synthese hergestellt werden.
Es handelt sich demnach um „spezielle Eiweiße“, welche Hormon-/Boten-Funktion ausüben, somit bestimmte Regelfunktionen im Organismus bewirken.
Wie auch Steroid-Hormone () sind Proteo-Hormone () eine Biomolekül-Gruppe.
Der Begriff Proteohormon bezieht sich auf die strukturelle Einteilung der Hormone.
Proteohormone sind Proteinmoleküle und unterscheiden sich dadurch strukturell von den Ringmolekülen mit Steroidstruktur, den Eikosanoiden und den biogenen Aminen (Katecholamine wie z.B. Adrenalin) ().
Proteohormone haben sehr viele unterschiedliche Funktionen und Aufgaben in Organismen.
Peptidhormone sind Proteo-Hormone; sie bestehen aber aus weniger Aminosäuren und sind chemisch gesehen Peptide mittels Peptidbindungen
verknüpfte Amino-Säuren (AS).
Die Eiweißstruktur von Peptiden unterscheidet sich nach der Anzahl der Aminosäuren. Peptide sind kurzkettige Eiweiße. Wenn weniger als 10 Aminosäuren zu einer Kette verbunden sind, spricht man von Oligopeptiden. Wenn 10 bis 100 Aminosäuren zusammengekettet sind, spricht man von Polypeptiden. Wenn mehr als 100 Aminosäuren verkettet sind, nennt man dieses ein Protein. Allerdings sind Polypeptide auch Proteine, aber auch als Oberbegriff zu verstehen.
Peptidhormone können aus einer oder mehreren Aminosäure-Ketten aufgebaut sein. LH und FSH zum Beispiel bestehen im Gegensatz zu ACTH ()aus zwei Peptidketten. Die zwei Ketten werden dann als alpha- und beta-Untereinheit bezeichnet.
Wichtige Peptidhormone sind:
I. Proteohormone
1. Angiotensine
(früher Hypertenine)
(d.s. Peptidhormone mit vasokontriktorischer Wirkung; sie zählen zu den Gewebshormonen; sie werden in der Leber durch enzymatische Spaltung gebildet. Sie nehmen die Schlüsselposition in dem für die Aufrechterhaltung des Blutdrucks und des Wasserhaushalts zuständigen Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ein]
2. Leptin
[d.i. vom Fettgewebe produziertes Adipokin, welches als Hormon an der Steuerung von Hunger- und Sättigungs-Gefühl beteiligt ist]
3. Prolaktin (PRL)
[d.i. ein Proteohormon, das in den lactotropen (aud die Milchabsonderung gerichtet) Zellen des Hypophysen-Vorderlappens (HVL) synthetisiert wird]
II. Kurzkettige Eiweiße (Oligopeptide)
1. Oxytocin
(Wehenhormon, Uteruskontraktion )
2. Antidiuretisches Hormon (ADH)
(= Vasopressin; 9 Aminosäuren; Regulation des Wasser-Haushalts)
3. Bradykinin
(9 Aminosäuren)
4. Desmopressin
(synthetisch, 9 Aminosäuren)
III. Langkettige Eiweiße
1. Gonadoliberin
(10 Aminosäuren/AS) (Dekapeptid)
2. Insulin
(A-Kette: 21 Aminosäuren, B-Kette: 30 Aminosäuren; Regulation des Blutzuckerspiegel)
3. Glucagon
(29 Aminosäuren, Gegenspieler des Insulins)
4. Gastrin
(Big-Gastrin: 34 Aminosäuren, Gastrin I und II: 37 AS, Mini-Gastrin: 14 AS)
5. Somatostatin
(14 AS)
6. Calcitonin
(32 Aminosäuren) (Ca-Stoffwechsel: Ca2+-Spiegel-Senkung)
6. Parathormon
(84 Aminosäuren) (Ca-Stoffwechsel: Ca2+-Spiegel-Hebung)
7. (Antinatriuretischer Faktor (ANF)
(33 Aminosäuren) (Natriuretisches Peptid)
8. Ghrelin
(117 Aminosäuren) (Nahrungsregulation, appetit-steigernd)
9. Obestatin
(Nahrungsregulation, appetit-hemmend)
10. HCG (Humanes Choriongonadotropin)
(alpha-Untereinheit: 92 Aminosäuren, beta-Untereinheit: 145 Aminosäuren)
11. Glykoproteinhormone der Hypophyse und Hypothalamus:
a. Thyreotropin (TSH)
(Schilddrüsenstimulierendes Hormon)
(Schilddrüsenfunktion)
b. Thyreoliberin (Releasing-Hormon) (TRH)
c. Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
Follitropin
(Follikelwachstum, Spermienbildung)
d. Luteinisierendes Hormon (LH)
Luteotropin
(alpha-Untereinheit: 92 Aminosäuren, beta-Untereinheit: 118 Aminosäuren)
e. Adrenocorticotropes Hormon (ACTH)
Adrenocortikotropin
(39 Aminosäuren)
f. Melanozyten Stimulierendes Hormon (MSH)
g. Erythropoeitin (EPO)
165 Aminosäuren)
12. Wachstumshormone
a. Somatotropn
(= HGH = GH = STH)
(191 Aminosäuren)
b. Insulin like Growth Factor-1 (IGF-1)
(Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor-1)
Nun aber endlich zum lebenswichtigen Insulin:
Insulin ist ein für Menschen und alle Tiere lebenswichtiges Peptid-Hormon, das in den beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet wird.
Diese spezialisierten Zellen befinden sich nur in den Langerhans‘schen Inseln (Insulae pancreaticae) ().
Insulin reguliert die Aufnahme von Glucose in Körperzellen.
Es wirkt Blutzucker-senkend und spielt eine wesentliche Rolle bei der Therapie des Diabetes mellitus
Insulin ist der natürliche Gegenspieler des Hormons Glucagon.
Und umgekehrt.
Die Regulation der Blut-Konzentration von Glucose erfolgt durch einen Regelkreis aus zwei Hormonen, die in Abhängigkeit von der Blutzucker-Konzentration ausgeschüttet werden.
Insulin ist das einzige Hormon,das den Blutzuckerspiegel senken kann.
Sein Gegenspieler ist das Glucagon, dessen Hauptaufgabe es ist, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen.
Aber auch Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Cortison und Schilddrüsen-Hormone haben Blutzucker-steigernde Wirkungen!
Der Blutzucker-Spiegel steigt vor allem nach der Aufnahme Kohlenhydrat-reicher Nahrung an. Als Reaktion darauf wird von den beta-Zellen Insulin
ins Blut ausgeschüttet.
Die Hauptwirkung des Insulins für die rasche Senkung der Blutzucker-Konzentration ist seine „Schlüsselfunktion“ für den Transport von Glukose aus dem Blutplasma und aus der Gewebsflüssigkeit in das Zellinnere.
Vor allem die Leber- und Muskel-Zellen können in kurzer Zeit große Mengen von Glukose aufnehmen und sie in der Folge entweder in Form von Glykogen speichern oder in Energie umwandeln (siehe Glykolyse).
Auch auf andere Arten von Zellen wirkt Insulin. Es hat Einfluss auf den Fett- und Aminosäure-Stoffwechsel sowie auf den Kalium-Haushalt.
Fakt ist:
Insulin spielt eine wesentliche Rolle bei:
1. Diabetes mellitus
2. Insulin-Resistenz (IR)
3. Metabolisch-Vaskulärem Syndrom (MVS)
4. Hyperinsulinismus
[oder Hyperinsulinämie; d.i. ein Zustand mit einer über das normale Maß hinausgehenden erhöhten Konzentration des Hormons Insulin im Blut]
5. Insulinom
[d.i. ein seltener, meist gutartiger neuro-endokriner Tumor aus endokrinen Zellen (Langerhans-Inseln) des Pankreas, in dem vermehrt Insulin produziert wird und der sich durch wiederkehrende Unterzuckerungen bemerkbar macht. Meist handelt es sich um ein Adenom]
Insulin ist ein Makro-Molekül (d.s. sehr große Moleküle, die aus sich wiederholenden, gleichen oder unterschiedlichen Struktureinheiten bestehen und eine hohe Molekülmasse haben. Die Grundbausteine sind meist Atomgruppen, können aber auch Atome sein).
Es besteht aus 2 längeren Poly-Peptiden, einer A-Kette mit 21 und einer B-Kette mit 30 Aminosäuren. Die beiden Ketten sind durch 2 Disulfidbrücken
miteinander verbunden, die zwischen den Cystein-Bausteinen der Poly-Peptide ausgebildet werden.
Eine dritte Disulfidbrücke besteht innerhalb der A-Kette. Sie dient der Stabilisierung der Raumstruktur.
Durch die Ausbildung von Wasserstoff-Brückenbindungen zwischen den Sauerstoffatomen der Carbonyl-Gruppen und den Wasserstoff-Atomen der Amid-Gruppen der beiden Poly-Peptidketten entsteht die Sekundärstruktur
des Insulins: Die Molekülketten ziehen sich schraubenförmig zusammen. Die A-Kette bildet 2 alpha-Helices, die durch einen Aminosäure-Baustein voneinander getrennt werden. Die B-Kette wickelt sich zu ca. 40% zu einer alpha-Helix auf.
In Lösung hat Insulin die Tendenz, unter Ausbildung von Wasserstoff-Brücken Dimere [Ein Dimer ist ein Molekül oder ein Molekülverbund, der aus zwei oft identischen Untereinheiten, den Monomeren, besteht. In Bezug auf die Größe, die Molekül-Masse und die Komplexität ist das Dimer das einfachste Oligomer bzw. Polymer. Den Vorgang der Dimerbildung bezeichnet man als Dimerisation] zu bilden, d.h. sich zu Molekül-Paaren zusammen zu lagern.
In Anwesenheit von Zink bilden sich aus den Dimeren sogen. Hexamere.
[Vorab-Hinweis:
Darum ist das Spurenelement „Zink“ für Diabetiker beonders wichtig!]
Biosynthese des Insulins
Insulin wird in den sogen. beta-Zellen der Langerhans’schen Inseln der Pankreas synthetisiert.
Die genetische Information für die Synthese von Insulin wird von nur einem
Gen-Lokus im kurzen Arm des Chromosoms 11 codiert.
Die aus dem Gen transkribierte mRNA [messenger Ribonuklein-Säure = Boten-RNS] wird in den Ribosomen des rauhen Endoplasmatischen Retikulum (RER) zunächst in ein inaktives Prä-Proinsulin übersetzt, ein Peptid aus 110 Aminosäuren. Es besteht aus einer Signalsequenz, an die sich zunächst die 30 Aminosäuren der B-Kette schließen, danach ein C-Peptid (connecting peptide) und schließlich die A-Kette aus 21 Aminosäuren:
Signalsequenz: B-Kette C-Peptid A-Kette
Die Signalsequenz sorgt dafür, dass Prä-Proinsulin in den Innenraum des
Endoplasmatischen Retikulums transportiert wird. Dort erfolgt die weitere „Reifung“ des Peptidhormons:
Durch Abspaltung der Signalsequenz und Bildung von drei Disulfid-Brücken entsteht das Proinsulin (84 Aminosäuren).
Im Verlauf der weiteren Reifung wird die C-Kette durch spezifische Enzyme, die Peptidasen, abgespalten, es entsteht inaktives Insulin.
Das Insulin-Molekül liegt dann als Hexamer (d.i. ein Makromolekül aus 6 gleichen Bausteinen) durch ein Zink-Ion stabilisiert in Vesikeln des Golgi-Apparats.
Der Golgi-Apparat zählt zu den Organellen eukaryotischer Zellen (d.s. Zellen mit einem echten Zellkern) und bildet einen Membran-umschlossenen
Reaktionsraum innerhalb der Zelle.
Er ist an der Sekretbildung und weiteren Aufgaben des Zell-Stoffwechsels beteiligt und wurde nach dem italienischen Pathologen und Histologen Camillo Golgi (1843-1926 / italien. Arzt und Histologe / er erhielt 1906 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie gemeinsam mit Santiago Ramon y Cajal) benannt, der ihn 1898 bei histologischen Forschungen am Gehirn entdeckte, an der Zellmembran der beta-Zelle gespeichert vor in seiner inaktiven = unwirksamen Form. Die hohe Bindungsfreudigkeit von Insulin-Molekülen an Zink hat mehrere wichtige Auswirkungen.
Insulin ist in der Form von Hexameren nicht wirksam, auch nach dem Zerfall in Dimere noch nicht, sondern erst als Einzelmolekül.
Diese Eigenschaft spielt bei den Insulin-Präparaten eine wichtige Rolle.
Bei schnell-wirkenden Insulin-Präparaten ist der zu langsame Zerfall der Molekül-Verbände unerwünscht und es wird nach Möglichkeiten gesucht, den Zerfall zu beschleunigen. Bei lang-wirkenden Insulin-Präparaten wird die Zinkbindung zur Verlängerung der Wirkdauer durch hohe Zink-Konzentrationen gezielt verstärkt. Bei der Entwicklung von oralen Insulin-Präparaten wird die Zinkbindung zur Kopplung von Insulin an Transportmoleküle genutzt.
Ein steigender Blutzuckerspiegel (ab ca. 4 mmol Glucose/l Blut – d.s ca. 70 mg/dl) als Sekretionsreiz führt schließlich durch Verschmelzen der Membranen zur Entleerung des Vesikelinhaltes in den Extrazellulärraum
als aktives (aktiviertes = wirksames) Insulin!
Wirkungen von Insulin
Die Wirkung von Insulin wird über die Bindung an Insulin-Rezeptoren auf der Zelloberfläche des Leber-, Muskel- und Fettgewebes vermittelt, die in der Zelle eine intrazelluläre Signalkaskade, das sogen. Insulin-Signal auslösen.
Insulin beeinflusst den Glucosestoffwechsel durch mehrere Mechanismen. Zu den wichtigsten biologischen Wirkungen des Insulins gehören:
a. Membraneffekte
b. Beschleunigung der Glucoseaufnahme
in Muskel- und Fett-Zellen (Translokation der Glucose-Transporter)
c. Beschleunigung der Aufnahme von Aminosäuren und Kalium in Muskel- und Fett-Zellen
d. Metabolische Effekte
e. Induktion der Glykogen-Synthese und -Speicherung
in Leber und Muskel
f. Steigerung der Triglycerid-Synthese
in Leber und Fettgewebe
g. Speicherung von Aminosäuren im Muskel
h. Hemmung der hepatischen Gluconeogenese
i.a Hemmung der Glykogenolyse
j. Regulation des Zellwachstums und der Proliferation
durch die Aktivierung der Transkription von Genen, die den Zellzyklus kontrollieren.
Angeregt wird die Insulin-Synthese (= Insulin-Neubildung) und Freisetzung u.a. durch:
1. Substrate (Glukose, Mannose, Ribose, Leucin, Arginin, Ketonkörper, Fettsäuren)
2. Hormone (ACTH, STH, Glukagon (s.u.), Gastrin, Sekretin u.a.) ()
3. Pharmaka (Sulfonylharnstoffe, beta-Sympathomimetika, alpha-Glukosidase-Hemmer u.a.)
Gehemmt wird die Sekretion durch:
1. Katecholamine ()
2. Somatostasin (ein Hormon-Releasing-Faktor aus der Hypophyse) ()
Der Abbau des Insulins erfolgt vor allem in der Leber enzymatisch, außerdem in der Niere und auch in geringen Anteilen in den sonstigen Geweben.
In Kurzform die wichtigsten Stoffwechseleffekte des Insulins:
A. Positive [Stoffwechsel-]Effekte hat Insulin auf:
a) Glukose-Transport
b) Aminosäuren-Transport
c) Kalium-Transport
d) Glucose-Oxidation (durch vermehrte Glukosebereitstellung in der Zelle)
e) Glykogensynthese
f) Fettsäure-Synthese
g) Lipid-Synthese
h) Protein-Synthese
B. Negative [Stoffwechsel-]Effekte hat Insulin auf:
a) Lipolyse (Spaltung der Lipide)
b) Proteolyse (Spaltung von Proteinen)
c) Ketogenese (Bildung von Ketonkörpern)
d) Gluconeogenese + Glykogenolyse (Glucoseneubildung / Abbau von Glykogen)
Zusammengefasst:
Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und wirkt direkt und/oder indirekt auf alle Stoffwechsel-Reaktionen ein!
Um es klar herauszustellen:
Alle diese Effekte sind immens wichtig für alle Menschen und nicht nur für Diabetiker, für die allerdings noch weit bedeutender!
Wichtig ist aber für den gesamten Stoffwechsel nicht nur das Insulin selbst, sondern vielmehr auch die Insulin-Resistenz; und die ist von besonderer Wichtigkeit für Diabetiker.
Insulin-Resistenz, was ist das?