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2.1.6 Stress durch Angst: z. B. die Corona-Pandemie

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Wir leben in einer Welt, die schwer zu verstehen ist. Und niemand kann im Voraus sagen, was wohl als Nächstes passieren wird. Selbst Zukunftsforschern gelingt das in der Regel nicht mehr gut, sie sind selbst oft überrascht von der näheren Zukunft. Die Klima-Problematik war lange nicht wirklich zu spüren in Deutschland, eine Erderwärmung von zwei Grad oder aber drei Grad ist als Unterschied heute nicht wahrnehmbar, sondern wird an Folgeszenarien durchgespielt, die noch recht weit weg scheinen. Eine Angst vor einer Klimakatastrophe lässt sich insofern aktuell noch ganz gut verdrängen, was zwar fatal ist, weil jetzt gehandelt werden müsste, aber noch gelingt. Doch eine Angst zu verdrängen heißt nicht, sie zu meistern, sie wirkt sich physiologisch aus und erzeugt trotzdem Stress.

In der Salutogenese, der Lehre von dem, was für die Gesundheit wichtig ist, ist die Durchschaubarkeit und Erklärbarkeit der Welt ein wichtiger Faktor für Gesundheit. Dieser Faktor geht den Menschen zunehmend verloren, weil ein Wandel ansteht, aber die politischen Autoritäten nicht davon reden, was dieser Wandel anfordert. Das machte die Welt nebulös und unsicher, schon vor der Corona-Pandemie.

In der Corona-Krise konnte man jetzt zwar kurzfristig das öffentliche Leben anhalten, aber die Autoritäten, Wissenschaftler, Ärzte, Politiker kennen das Virus auch nicht bzw. müssen es erst einmal kennenlernen. Ein a priori richtiges Vorgehen gibt es nicht, wird aber erwartet, weil es früher so etwas zu geben schien. Wir erheben sozusagen Anspruch auf wissende Autoritäten und sind nicht nur enttäuscht, dass es sie nun nicht gibt, sondern kommen ohne funktionierende Experten leicht in Hilflosigkeit und Angst. Wir haben also tiefe existenzielle Ängste, zusammen mit konkreten Ängsten, teilweise die finanzielle Existenz vernichtenden Bedrohungen. Das verursacht ungeheuren Stress und versetzt das Vegetativum vieler Menschen in eine anhaltende sympathikotone Reaktionshaltung. Da niemand eindeutig sagen kann, wie es weitergeht, sind reaktiv Krankheitsentwicklungen, insbesondere auf dem Boden des schon vorbestehenden Stresslevels an der Tagesordnung. Was ist jetzt zu tun?

Die Einstellung der Gesellschaft und des Einzelnen zum schon stattfindenden Wandel muss in den zentralen Fokus rücken. Jeder Mensch kann seinen Lebensstil so ändern, dass sein Immunsystem davon profitiert und Politik muss die ganze in der Corona-Krise offensichtlich gewordene, aber schon vorbestehende Unordnung und Ungereimtheit unseres Lebens hier in Deutschland neu ordnen. Dazu ist es wichtig, dass alle wissen, dass die Selbstverständlichkeiten der letzten Jahrzehnte, also ein so ressourcenverbrauchendes, carbonbasiertes Wirtschaften mit Wachstum nicht weitergeht. Entweder wir ignorieren die Notwendigkeit, die Wandlung als Gemeinschaft anzupacken und ernten dann in einigen Jahren ein unbeherrschbares, jeden bedrohendes Chaos, oder wir beginnen radikal, also die Themen an der Wurzel packend, den Wandel zu gestalten, und begrenzen die Folgen so konkret, dass das Leben auf der Erde lebenswert bleibt.

Dazu bietet die Corona-Krise eine hervorragende Chance, wenn die Politiker begreifen, dass sie und ihre Wähler um den Wandel nicht herumkommen. Im Wandel kann es schmerzhaft sein, aber wenn man durch diesen Schmerz durch ist, gewinnt man sogar die Menschlichkeit zurück und die Menschen ihre Würde.

Die Politiker müssen anfangen, ihren Wählern zu erklären, dass es verantwortungslos ist, nicht zu handeln. Es geht um Radikalität, die ein Übel an der Wurzel packt, dabei aber Zeit zum Reifen lässt, im Gegensatz zur Revolution, die diese Zeit zum Reifen nicht ermöglicht. Radikalität ohne wortreiche, aber nichtssagende Ausflüchte ist jetzt notwendig, weil in der allgemeinen Verdrängung der entstandenen Notlage kein wirksames Handeln möglich war und so wertvolle Handlungszeit verschenkt worden ist.

Es wird also unbequem für die Parteien, sie müssen den Bürgern die Wahrheit einschenken und ihnen gleichzeitig helfen, diese nicht nur zu verdauen, sondern als Aufbruch in eine neue menschlichere Zeit zu sehen. Dies wird sicherlich ein oder zwei Wahlperioden brauchen, weil die konservativen Kräfte ihren festgelegten und quasi gewonnenen Handlungsrahmen nicht ohne Weiteres aufgeben können und viele Wähler, insbesondere Ältere, weiter darauf hoffen, dass sich nichts ändern muss. Aber die Erderwärmung mit ihren spürbaren Folgen auch in Deutschland wird dieses Vorgehen pushen.

Wichtig ist dabei, die älteren Menschen mitzunehmen, also ehrlich zu schauen, wie man älteren Menschen schon in und während dem radikal notwendigen Wandel Sicherheit und Geborgenheit geben kann. Man muss in die Änderung eintreten, aber kreativ und liebevoll vorgehen. Das geht, weil Kreativität und Liebe im Gegensatz zu Konkurrenz und Konsum keine solchen Kosten zeitigen. Dann werden „die Alten“ beginnen, den Wandel mitzutragen, weil sie merken, dass etwas Besseres im Gange ist.

Dies gilt es im Weiteren genauer zu besprechen. Das werde ich in Kapitel 4 und 5 machen. Dort soll auch das für die Corona-Krise wichtige Thema des Immunsystems angesprochen werden, das wir in der gesellschaftlichen Diskussion wieder aus der Vergessenheit herausholen wollen.

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