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Beziehungen zwischen Hochsensiblen und Vampiren
ОглавлениеWeil wir dazu neigen, uns um andere zu kümmern, weil wir verletzt wurden und gefallen wollen – wundert es nicht, dass wir leichte Beute für Menschen werden, die sich von der Energie anderer nähren. Das betrifft vor allem alte Seelen, denn sie glauben an das Gute im Menschen. Tief in unserem Herzen sehen wir in allem und jedem nur das Beste. Noch aus hundert Metern sehen wir das Potenzial eines Menschen und wollen dann alles tun, dass es auch Früchte trägt. Wir sind die enthusiastischen, treuen Cheerleader, die das Feuer der Liebe und des Lichts anfachen – auch wenn andere es nicht sehen können. Mit jahrhundertelangem Heilwissen kommen wir in diese Welt. Empathische Persönlichkeiten wollen die Dinge verbessern, das Leben der Menschen oder einfach dafür sorgen, dass andere Menschen Möglichkeiten bekommen, die wir womöglich nicht hatten.
Und so fühlen wir uns natürlich zu den „Mühseligen und Beladenen“ der Menschheit hingezogen – denjenigen, die unser Licht brauchen. Helfen fühlt sich gut an. Tatsächlich gehört es zu den wahren Freuden des Erdenlebens. Es gibt nichts Erfüllenderes, als einem Außenseiter zuzusehen, wie er von hinten kommt und gewinnt, besonders wenn dies daran liegt, dass er endlich jemanden gefunden hat, der ihn sieht und unterstützt. Zum Beispiel traf ich in diesem Frühjahr einen Mann, der als Heimkind zu einem international bekannten Boxer wurde. Der Wendepunkt kam, als ein Mann ihn beim Training sah und sagte: „Da ist etwas. Ich sehe etwas in dir. Ich helfe dir.“ Das war der Schlüssel zur Wende. Wir wissen, dass es nur einen Menschen braucht, der an uns glaubt und etwas in uns sieht, ob wir unsere Träume umsetzen oder nicht.
Wenn eine Beziehung zum gegenseitigen Nutzen ist – ob das zu Hause ist, in der Familie, im Unternehmen oder beim Dienst an den Bedürftigen – dann geschieht ein Wunder. Denn die heilende Energie von zwei oder mehr Leuten, die geeint für das Gute wirken, erzeugt noch etwas Drittes, das größer ist als das, was jeder allein für sich zu tun vermag. Diese heilende Quantenenergie hat Jesus gemeint, als er sagte: „Wann immer zwei oder mehr von euch in meinem Namen versammelt sind, werde ich unter euch sein.“
Allerdings gibt es auf der anderen Seite auch wenig förderliche Beziehungen. Und hier wird es problematisch. Wenn wir in eine Beziehung mit jemandem geraten, der unlautere Motive hat, dann werden unsere alten Wunden wieder aufgerissen. Doch weil wir meinen, dass wir etwas bieten müssten, um geliebt zu werden, wollen wir andere glücklich machen – zum Schaden unserer körperlichen und geistigen Gesundheit. Da wir uns nicht vorstellen können, dass wir für das geschätzt werden, was wir sind, trauen wir uns nicht, unsere Verwundbarkeit in Beziehungen preiszugeben, weil wir Angst davor haben, abgelehnt zu werden. Ein Mann hat mich einmal – im Vergleich zu anderen Frauen – als „kugelsicher“ bezeichnet. Was er damit meinte, war, dass ich weder Bedürfnisse noch Schwachstellen zu haben schien. Wie er sich geirrt hat. Allerdings hatte ich mein ganzes Leben dafür gesorgt, dass meine Bedürfnisse verborgen blieben. Und sie lieber selbst erfüllt.
Wie ich im ersten Kapitel erwähnt habe, werden empathische Menschen leichte Beute, aber es sind vor allem die alten Seelen darunter, die in langfristige Beziehungen mit einem Vampir verwickelt werden, weil sie an das Gute im Menschen glauben und davon ausgehen, jeder so sei wie sie. Die roten Ampeln, die anderen Leuten auffallen, übersehen sie komplett. So idealisieren wir Menschen und Beziehungen auf eine Weise, die unrealistisch und nicht nachhaltig ist. Ein gutes Beispiel für unser Wunschdenken ist die berühmte Szene im Film Jerry Maguire, in der Jerry (gespielt von Tom Cruise) während einer Selbsthilfegruppensitzung für geschiedene Frauen im Wohnzimmer seiner Geliebten aufschlägt und Renée Zellweger weismacht, dass sein Erfolg nichtig sei, wenn sie nicht da ist: „Du erst machst mich ganz.“ Natürlich fallen die Frauen fast in Ohnmacht, so sehr wünschen sie sich, dass dies einmal ein Mann zu ihnen sagen möge.
Viele hochempathische Menschen haben ein unerlöstes inneres Kind, das ein Leben lang versucht, Liebe durch Dienst und Opferbereitschaft zu gewinnen. Dadurch aber investieren mehr in eine Beziehung, als tatsächlich gut ist. Doch wir sind so daran gewöhnt, zu viel zu geben, dass, wenn jemand 25 Prozent im Vergleich zu unseren 75 Prozent gibt, wir schon meinen, im Beziehungsnirwana angekommen zu sein. OMG, er hat den Toilettensitz runtergeklappt, er liebt mich wirklich.
Wenn wir nicht bei uns sind, dann werden unsere Beziehungen von den unerfüllten Bedürfnissen unseres inneren Kindes getrieben. Ich werde noch einmal auf dieses Thema zurückkommen, wenn ich auf die Verletzungen zu sprechen komme, die wir bei uns selbst heilen müssen. Denn wir geben, was wir so verzweifelt selbst empfangen wollen. Mit unseren Verletzungen allein zu bleiben ist keine Option – zumindest solange wir sie nicht kennen. Dann bleiben wir viel zu lang in Beziehungen, in denen wir zu viel geben und zu wenig bekommen, auch wenn die Beziehung von außen betrachtet gut aussehen mag. Schließlich ist es gesellschaftlich von Vorteil, normal zu erscheinen.
In einer wenig wertschätzenden Beziehung ist das schon problematisch, aber richtig schlimm wird es, wenn wir mit einem Energievampir zusammen sind.