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Festgefahrene Beziehungen

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Wenn Sie in einer Beziehung mit einem Energievampir sind, dann lautet die Frage: Warum steigen Sie nicht aus? Warum sagen Sie nicht, was Sache ist und schützen sich selbst? Wie gesagt, es gibt viele hochempathische Menschen, die es schaffen, weil sie die Probleme frühzeitig erkennen und den Vampir sofort fallen lassen.

Wer das nicht tut, hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist so jemand von Natur aus mitfühlend und fürsorglich und übersieht einfach die Warnsignale, vor allem dann, wenn die Person ihrer Intuition nicht traut und den Umständen um sie herum zu wenig Beachtung schenkt. Und dann sind es seelische Verletzungen, die mit einem starken Verlangen nach Akzeptanz einhergehen und zu dem Wahn führen, die Gefühle anderer unter gar keinen Umständen verletzen zu dürfen. Bei den Empathikern mit alter Seele gibt es noch ein drittes hinderliches Element: Wir glauben wirklich, dass unsere Liebe und Fürsorge andere Menschen heilen kann – in diesem Fall den Vampir. Und obwohl wir die Warnsignale vielleicht sogar gesehen haben, glauben wir fest, dass es mit uns anders laufen wird – und dass es den anderen einfach an unseren Fähigkeiten und unserem Mitgefühl gemangelt hat.

Kommt es dann zur unvermeidlichen Kränkung, ist unsere erste Reaktion Wut, Verletztheit und Enttäuschung. Doch schnell ersetzen wir diese Regungen durch Schuldgefühle – das haben wir schon früher so gemacht, in der Kindheit, in früheren Leben oder in beidem. Wir machen den Fehler zu denken, Energievampire seien genauso sensibel wie wir. Weil wir auf keinen Fall riskieren wollen, ihre Gefühle zu verletzen – und weil wir verdammt gut darin sind, Probleme zu lösen –, nähren wir sie mit unserer Kraft und verausgaben uns eher selbst dabei, anstatt das Risiko einzugehen, aufzustehen, für uns einzustehen und zuzugeben, wie wütend, verletzt und enttäuscht wir in Wahrheit sind. Und dann die Beziehung beenden.

Stattdessen bleiben wir dran, wollen sie überzeugen, sich Hilfe zu holen und etwas zu ändern. Aber das führt zu nichts, denn ändern werden sie sich nicht. Wer sich in der Beziehung zu einem Energievampir ändern muss, das sind Sie. Sie müssen der Sache ein Ende bereiten und aus der Beziehung aussteigen. Ich weiß, dass Sie das ungern hören, besonders diejenigen unter Ihnen, die über Jahre so viel Arbeit in die Beziehung investiert haben, aber je eher Sie sie aufgeben und sich auf sich selbst besinnen, desto besser für Ihre Gesundheit, Lebensfreude und Leistungsfähigkeit.

Eine meiner Freundinnen, die sich seit geraumer Zeit von ihrer Ehe mit einem Energievampir erholt, hat mir erzählt, wie sich ihr Leben verändert hat, seit sie ihn verlassen hat. Im Zuge ihrer Genesung hat sie sich an ein früheres Leben erinnert. Darin war sie alt und saß in einer Höhle. Ihr Stamm hatte sie verlassen, und das obwohl sie fast alle seine Kinder als Hebamme auf die Welt geholt hatte. Wir sprechen hier von Verlassenheit und Trauer. In ihrem jetzigen Leben fand ihre Familie sie schon als kleines Mädchen seltsam, denn schon früh hatte sie sich für Meditation, Yoga, Sanskrit, Ernährung und meditativen Tanz interessiert, worin sie sehr begabt war. Dennoch lagen ihr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl am unteren Ende der Skala. Hinzu kommt, dass sie durch Armutsgelübde und Keuschheitsversprechen ihrer Klosteraufenthalte in früheren Leben viel mit Selbstverleugnung und Schuld in Berührung gekommen war. Sie wusste, was Selbstgeißelung ist und hatte, was den Wert einer Frau angeht, eine regelrechte Gehirnwäsche durchlaufen.

All das machte sie natürlich zu einem gefundenen Fressen für einen Energievampir, da nützten auch ihre Supereigenschaften und zahlreichen Doktortitel nichts. In dieses Leben war sie gekommen, weil sie glaubte, dass sie nicht liebenswert war. Und als sie diesem hübschen und charmanten Mann begegnete, der sie gleich mit Liebe überschüttete, war es um sie geschehen. Als sie sich kennenlernten, erwartete er gerade einen warmen Geldregen. Das Familienunternehmen wurde verkauft – ein Unternehmen, das er allerdings nicht aufgebaut hatte. Es war nur geerbtes Geld gewesen, und nachdem sie verheiratet waren, hatte er fortan immer Ausreden parat, warum seine eigenen Unternehmungen scheiterten. Er war ein richtiger Blender.

Von der fatalen Anziehung zwischen alten Seelen und Energievampiren wusste sie nichts, und deshalb tat sie alles dafür, um ihn zu motivieren und erfolgreich zu machen. Sie bezahlte seine Business-Trainings und sogar seine privaten Reisen – alles in der Hoffnung, dass ihn das glücklich und erfolgreich machen würde. Schließlich war er groß, sah blendend aus und hatte Potenzial. Während sie mehr als 80 Stunden pro Woche in drei verschiedenen Jobs arbeitete, trug er fast nichts zum gemeinsamen Einkommen bei, beschuldigte sie aber, das Geld mit vollen Händen auszugeben.

Nach 19 Jahren Ehe litt sie schließlich unter Nebennierenerschöpfung, Schlaflosigkeit, Schilddrüsenproblemen, Brustschmerzen und einem niedrigen Selbstwertgefühl. Auch zweifelte sie allmählich an ihrem Verstand.

Der Mangel an Selbstwert und das dringende Bedürfnis, akzeptiert und geliebt zu werden, macht viele von uns zu einem perfekten Ziel für Energievampire und die dunklen Seiten der menschlichen Natur insgesamt. Das betrifft nicht nur unsere engsten Beziehungen, sondern auch die Arbeitswelt. Eine Frau, mit der ich gearbeitet habe, hatte einen Job als persönliche Sekretärin für einen vermögenden und erfolgreichen Mann. Obwohl sie gut ausgebildet war und ihre Arbeit gut machte, verlangte er immer nach mehr. Sagte sie dann: „Diese zusätzlichen Stunden stehen nicht in unserem Arbeitsvertrag“, pflegte er zu entgegnen: „Aber meine Liebe, Sie organisieren mein Leben. Was würde ich ohne Sie tun?“ Das war natürlich Balsam. Oh, toll. Er braucht mich wirklich. Ich bin wirklich etwas Besonderes!

Leider hat sie es nicht geschafft, eine klare Grenze zwischen Privatleben und Arbeit zu ziehen, weil ihr Chef diese permanent verletzt hat. Eine Kollegin – die dieses Spiel schon mit ihren Vorgängerinnen beobachtet hatte – sagte dazu nur: „Wenn Sie bis Dezember noch hier sind, weiß ich, dass Sie verrückt sind.“ Als sie schließlich ging – aus gesundheitlichen Gründen wohlgemerkt – waren die letzten Worte ihres Chefs nicht „Vielen Dank für Ihre tolle Arbeit“. Von wegen. Stattdessen sagte er: „Werden Sie mich vermissen?“

Diese Dynamik sehen wir im Übrigen auch häufig in spirituellen Beziehungen. Wie bereits erwähnt, zieht es empfindsame Menschen mit alter Seele oft zu spirituellen Lehren und bestimmten Gruppen, gern auch zu verschiedenen Gurus. Das habe ich selbst erlebt, als ich mich auf eine Meditationsbewegung einließ, die noch in der Gründungsphase steckte. Die Organisation hat sich damals sehr bemüht, mich als Lehrer zu gewinnen. In dem Zusammenhang habe ich reichlich Vorträge in meiner Heimatstadt organisiert. Aber schon bald sah ich, dass die Organisation – wie andere auch – vor allem unentgeltliche Arbeit erwartete. Der Einzige, der am Ende profitiert hat, war der Guru. Ich spreche nicht von Menschen, die durch eine spirituelle Gruppe Motivation und Bereicherung erfahren haben. Das gibt es sicher auch. Doch ich habe zu viele Gurus aller Couleur gesehen – manche davon religiös, manche nicht –, die nichtsahnende Hochsensible rekrutiert und solange eingespannt haben, bis diese am Ende alles verloren hatten, Zeit, Geld und Selbstachtung. Dies passiert vor allem mit charismatischen Führern, die meinen, sie hätten eine direkte Verbindung zu Gott, wo doch in Wahrheit Gott nicht in irgendeiner äußeren Prophetengestalt zu finden ist. Gott ist im Inneren. Das sollten wir beispielhaft vorleben und verkünden.

Der Vampir – egal ob Mann, Frau, Geliebter, Kollegin oder Guru – nährt sich davon, dass er die Lebenskraft und die Ressourcen hocheinfühlsamer Menschen aussaugt, so lange, bis diese krank werden, ratlos, pleite und mit emotionalen Blessuren zurückbleiben. Und das alles nur, weil sich die alten Verletzungen der mitfühlenden Menschen gegen diese selbst richten.

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