Читать книгу Ärzte der Kultur statt Manager in der Kultur - Die heillose Kultur - Band 1.2 - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 12

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Auf Wissen und Gewissen

Die Art und Weise, wie Menschen ihre Lebensgüter produzieren und wie sie mit den daraus erwirtschafteten Gütern umgehen und Gewinne daraus auf Konten sammeln, lässt den Verdacht zu, es ginge um Geldherstellung und Geldsammlung und nicht um die Herstellung menschlicher Lebensbedingungen oder genießbarer Lebensmittel und Erhalt der Natur. Schon im Mittelalter ließen die Reichen ihre Kornkammern schließen statt Erbarmen mit den Armen zu haben: man ließ das Korn lieber von den Mäusen auffressen, als etwas abzugeben. Daran hat sich nichts geändert – oder zumindest nicht viel.

In den letzten Tagen beschlich mich im Zusammenhang mit diesen Kornkammern die außergewöhnliche Vorstellung, ich könnte nach Italien, Spanien, Griechenland oder sonst wohin auswandern, weil ich gehört hätte, man würde von Staatswegen finanziell aufgefangen, würde eine Wohnung, wenn auch eine kleine, bezahlt bekommen, bezöge Kindergeld für meine Kinder und würde obenauf noch Geld bekommen, um Lebensmittel einzukaufen. Im Winter kann ich dann noch Kleidergeld oder Heizkosten beantragen und müsste dafür einen Nachweis führen, dass ich mich um Arbeit bemühe. Meine Kinder könnten studieren. Vorher hätten wir einen Sprachkurs in italienisch, griechisch oder spanisch auf Staatskosten bezahlt bekommen... Irgendwie fand ich diesen Gedanken höchst erstaunlich... dass ich auf Kosten der Menschen, die in diesen Ländern leben, mein eigenes Leben finanzieren lassen könnte...

Daran schloss sich weiter der Gedanke an: Obwohl in den deutschen Kornkammern nicht viel drin ist, wird dennoch immer weiter bereitgestellt, bereits verschuldetes Korn heraus gegeben für alle möglichen Zwecke und verschuldete Länder unterstützt: wer wird da eigentlich unterstützt? Wird die Bevölkerung, die wenig hat, unterstützt, oder die Menschen, die Geld, Besitz und Kapital haben, damit sie dem Staat im eigenen Land weiterhin die Steuern verweigern können – wie über die reichen Griechen in der Presse berichtet wurde? Und wer ersetzt das nicht vorhandene oder verschuldete Korn, das da herausgegeben wird?

Betrachtungen globaler Art und weniger individuelles Gedankengut führen zu folgenden Aussagen: Der gepriesene Wettbewerb führt zu unvorstellbarem Reichtum einiger weniger Leute, während er das Elend der auf der Welt lebenden übrigen Menschen vermehrt und potenziert. Wie die Vertreter und letztendlichen Sieger des weltweiten Wettbewerbs mit dieser Schuld leben wollen, ist schwer vorstellbar. Man kann einen derart ausgeprägten Abwehrmechanismus für fehlendes Mitgefühl verbunden mit korrupter Verantwortungslosigkeit nur pathologisieren – aber weder entschuldigen noch verkehrend mit Mitgefühl für Verursacher krönen.

Der sich mit dem Ökonomismus paarende Narzissmus in Reinform sprießt weltweit: Nicht der Mensch ist wertvoll, erhaltens- und förderungswürdig, sondern der Verkauf von Produkten und zwar je preiswerter in der Herstellung, umso hochpreisiger im Verkauf und desto höher die Gewinnspannen – nicht Lebensspannen und Gesundheit zählen. Das Wichtigste ist in dieser Kultur die Darbietung der die Gewinne produzierenden Firmen als Retter von Wirtschaft und damit von Leben der Menschen in Deutschland. Gesteigert, die Vorstellung derartiger Unternehmen als weltweite Retter der Menschheit und Sieger im globalen Wettbewerb. Der Zerstörer erscheint gleichzeitig als vermeintlicher Retter, Heiler und Menschenfreund, weil er freiwillig etwas für Arme spendet, ein Projekt unterstützt, eine Universität kauft oder sponsert! Sie erinnern sich, was Léon Wurmser in Bezug auf Nietzsche sagte? Nein? Hier die Erinnerung: „So leuchten denn Macht und Zerstörung als radikale, archetypische Abwehrformen gegen die Außenwelt undeutlich und doch ungeheuerlich auf.“ (Wurmser, 1998, S. 381, Hervorhebung M.E.)

Analog der extremen Formulierung Wurmsers, leuchten Macht und Zerstörung in der Außenwelt gegenwärtig mittels Bankenpleiten in den USA und in Europa mittels Staatspleiten der Griechen, möglicherweise auch die der Italiener und Spanier, am Himmel der Kultur ungeheuerlich auf. Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass ich dieses Zitat vermutlich nicht im Sinne von Léon Wurmser platziert habe oder besser gesagt, ich weiß nicht, ob er die gesellschaftlichen Verhältnisse im Oktober 2008 in den USA auch so sehen und einordnen würde.

Verstanden wissen möchte ich dieses Zitat an dieser Stelle nicht ausschließlich im Sinne von Abwehrstrukturen oder latent vorhandener Schutzmechanismen, die dann eingesetzt werden, wenn Gefahr droht. Sondern an erster Stelle als realiter wirkende Werkzeuge, „Macht und Zerstörung“, die durch Finanzspezialisten und Manager aktiv benutzt wurden und sich nun in der Auswirkung ausschließlich egoistisch basierter Motive auf Gewinn ungeheuerlich gegen Menschen wenden. Egoistisch und archetypisch sorgten sie ausschließlich für Gewinne und sich selbst. Um andere Menschen und Lebensformen scherten sie sich nicht. Was die Gegenwart und Zukunft uns auf Grund dessen bescheren wird, ist im Herbst 2008 noch nicht prognostizierbar. „Ein Heiler und Bringer von Unheil? fragt Wurmser in Bezug auf Nietzsche. (Wurmser, Lèon: Das Rätsel des Masochismus, 1998, Seite 438 f.) Diese Frage ist auf Kapitalisten, Banker und Manager gleichfalls zu übertragen. Man hat aus der Vergangenheit aus Machtmissbrauch gelernt? Wohl kaum, lässt sich an dieser Stelle nur noch sagen. Denn Verarbeiten und Lernen bedeutet nicht, ausschließlich analog und platt Vergleiche anzustellen, sondern auch zu Übertragungen auf andere Situationen und Gegebenheiten in der Lage zu sein. Manager und Finanzexperten haben in ihrem Beruf gezeigt, dass sie zu Transfer und Übertragung in der Lage sind. In Bezug auf Konsequenzen für Menschen und Menschheit sind sie das nicht? Da es mir nicht darum geht, eine Gruppe von Menschen nun als die Schuldigen zu präferieren, sondern aufzuzeigen, dass kein Mensch perfekt ist, ist daraus der Schluss zu ziehen, umsichtig in Bezug auf den Menschen zukünftig Wirtschaft und Politik zu gestalten.

Die Armen erscheinen in dieser wirtschaftspolitischen Szenerie noch ärmer und erbärmlicher aufgrund von Spenden, weil sie auch noch die Verbeugung und den Dank an edle Spender vor der Brust haben: Eine weitere Demütigung! Sie haben nichts zurückzugeben außer Anpassung, die oftmals Schweigen bedeutet.

Generell ist diese spezifische Beziehungsgestaltung ein direkter Ausfluss kapitalistischer Politik und Gewinnsucht. Dafür wird Natur vernichtet und Gesetze zur Entfaltung und Erhaltung von Leben und Mensch missachtet. Gibt es ein politisches und ökonomisches Gewissen der Menschen Oben? Weit gefehlt: Tagtäglich ereilen Menschen auf der ganzen Welt Hiobsbotschaften, die als direkte Auswirkungen der kapitalistischen und menschenfeindlichen Wirtschaft zu verstehen sind. Gehen Sie mal davon aus, dass ein Brötchen mehr wert ist als ein Mensch – dann erfassen Sie die volle Skala der deutschen und internationalen Werteebene. In Kairo erschlagen sich Menschen gegenseitig, um ein Fladenbrot zu ergattern. Alleinig der Kapitalismus regelt, was wichtig ist und was nicht, und legt damit jegliche Rangordnung fest, auch wie viel Menschen wissen oder nicht wissen sollen.

Kapitalismus brilliert mit Grenzenlosigkeit: Im egoistischen Erfolg und allgemeinen Zerstörungsgrad von Natur und Mensch. „Geht es der Wirtschaft gut, geht es den (besitzlosen) Menschen gut“ ist reziprok ins Gegenteil verkehrt: Je besser es der Wirtschaft geht und je höher die Gewinne, desto schlechter geht es den (besitzlosen) Menschen auf der ganzen Welt. Neue, halbherzige Eichungen zu Ungunsten der Besitzlosen folgen Schlag auf Schlag. Unten wird politisch um ein paar Cents mehr oder weniger und Oben um Millionen Euro, ja, sogar um Milliarden, mehr oder weniger gefeilscht. Personell werden Manager als Pappkameraden der Kapitalbesitzer in das öffentliche Feuer der wirtschaftlichen Kämpfe und Auseinandersetzungen geschickt – die Besitzenden lassen kämpfen und Argumente finden, warum es so sein muss. Dafür bekommen Manager ihr Gehalt und Besitzlose ein paar Cents – zwei Marionetten mit unterschiedlichem Freiheitsradius im kapitalistischen Spiel.

Nun kann man nicht hingehen und alles auf einmal verändern – aber einiges kann man sofort machen: denn es fehlt nicht an Innovationen zu Produktionsformen, die tatsächlich Grenzwerte in der Natur und beim Menschen einzuhalten gestatten würden. Statt vom Gewinn mehr Geld in die Entwicklung fließen zu lassen, werden weiterhin aus gut dotierter Managerhand Entwicklungskosten an die Verbraucher weitergegeben. Wo liegt hier das Risiko? Was für ein Risiko und welche Verantwortung tragen die Unternehmer heute noch? Es scheint, sie tragen ausschließlich die Verantwortung für ihre Gewinne – werden diese nicht erzielt, sind es schlechte Manager und werden entlassen. Zunächst müsste also haarfein festgestellt werden, wofür der eine Manager ein sehr hohes Gehalt und der andere ein vergleichbar niedrigeres bekommt – dann ist man einen Schritt weiter. Als nächstes muss festgelegt werden, was zukünftig als „Erfolg“ definiert wird. Wie wird also das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Profitrate definiert. Was bedeutet in diesem Zusammenhang Erfolg?

Das Thema Gewinnverteilung muss neu angegangen werden. Auch diese ist neu zu gestalten. Sprich, die Beziehung des Menschen zu seinen Produkten muss neu definiert und organisiert werden − unter Verminderung und Minimierung der Ausbeutungsspannen der besitzlosen Menschen.

Das Verhältnis, wie der Mensch zum Menschen steht, ist demgemäß komplett, von A bis Z in Augenschein zu nehmen und im Sinne des Menschen umzugestalten: Oben und Unten muss der Mitte weichen – existenziell und menschlich.

Ziel muss es sein, Menschen psychisch Stück für Stück aus Entfremdungsprozessen herauszulösen. Die sozial-narzisstische Wippe, Oben und Unten, in Gesellschaft und Mensch muss in dem gegenwärtigen Ausprägungsgrad der Vergangenheit angehören – dieser Prozess braucht Zeit. Aber er wird unumgänglich sein, will man langfristig gesündere Menschen auf der Welt haben und die Gesundheitskosten nicht weiter steigen lassen. Will man eine Menschwerdungsentwicklung unterstützen, in denen Menschen fühlen dürfen und in denen ihnen wahrheitsgemäße Informationen zuteil werden, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die einer entsprechenden Kommunikation förderlich sind. Lebensumstände, bei denen Menschen selbst Einfluss auf Lebensstrukturen nehmen können und in denen jeder auf bestmögliche Art und Weise bei Krankheiten auf Behandlungen vertrauen kann, weil sie auf Heilung zielen. Gesellschaftliche Strukturen, in denen sie ihre Interessen vertrauensvoll in Hände legen können, von denen sie nicht enttäuscht werden und in denen ihre Interessen gewahrt bleiben.

In der Gegenwart scheint Politik aus diesem vorstehenden Blickwinkel einem großartig angelegten Vertuschungsmanöver zum Erhalt des Gefälles zwischen Oben und Unten zu gleichen: sie muss nur richtig mittels medienwirksamer Strategien verkauft werden.

Politisch wäre zu diesem Thema „Grenzwerte“ die konkrete Frage zu stellen, warum die Wirtschaft nicht mit finanziellen Abgaben reziprok zu den von ihnen in Luft oder Erde gejagten Schadstoffen zur Gewinnmaximierung und Gewinnerhaltung konfrontiert und zur Kasse gebeten wird. Diese Frage berührt weitere Spuren von Fragen, die auf Sinninhalte von Recht und Gesetz verweisen. Lässt man sich nicht in die Irre leiten und entkleidet die offiziell gegebenen Antworten ideologisch und analysiert sie ökonomisch, verweist die Antwort wieder ursächlich auf den Kapitalismus: Wie der Mensch zum Menschen steht. Dort findet dann in der Regel das Geleit in das Reich der demokratischen Notwendigkeiten statt, die Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit propagiert und Ungleichheit, Unfreiheit und Ungerechtigkeit im gleichen Atemzug manifestiert. Nicht ohne meisterlich ideologische Bosheit in sokratischer Manier dem Frager die falsche Antwort zu suggerieren. (Formulierung in Anlehnung an Peter Sloterdijk, 1999, S. 23).

Ein vorläufiges Ergebnis könnte an dieser Stelle lauten: Wenn Dinge nicht geändert werden sollen, dann müssen sie besprochen werden und, wenn möglich, heilig gesprochen werden: Das erinnert an (alte) schamanische Praktiken, die werbewirksam und ihres ursprünglichen Herzens und Sinns entehrt und entwürdigt, in das moderne Leben gehoben werden.

Ärzte der Kultur statt Manager in der Kultur - Die heillose Kultur - Band 1.2

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