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„Der kommt mir nicht mehr auf mein Grundstück“

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Anton ist Eigentümer eines großen Grundstücks am See und teilt dieses in ein direkt am See liegendes und ein davorliegendes Grundstück zur Straße auf, das er an Bruno verkauft. Das Grundstück am See hat keinen eigenen Zugang zur Straße, weshalb Anton und seine Besucher so wie früher immer über das Grundstück von Bruno gehen oder fahren, um vor Antons Haus zu parken. Bruno geht dafür über das Grundstück von Anton zum See. Jahrelang geht dies gut.

Weil aber der Hund von Anton auf dem Grundstück von Bruno ständig sein Geschäft verrichtet und Anton sich daran stört, dass Bruno im Garten hinter seinem Haus oft unbekleidet herumläuft, kommt es zum Streit. Nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Anton und Bruno zieht Bruno entlang der Grenze zwischen den beiden Grundstücken auf seiner Seite einen Zaun und versperrt damit den Zugang zum Grundstück von Anton. Er baut jedoch eine kleine Tür ein, damit er durch diese über das Grundstück von Anton zum See gelangen kann.

Anton kann deshalb seitdem sein Wohnhaus weder zu Fuß noch mit dem Auto erreichen, auch können seine Besucher nicht mehr direkt zu ihm gelangen und vor seinem Haus parken. Als Rache versperrt er seinerseits Bruno den Zugang zum See.

Gesetz und Recht: Ein Blick ins BGB ergibt: Gemäß § 903 kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

Dies bedeutet: Anton und Bruno können es jeweils verbieten, dass Unbefugte ihr Grundstück betreten. Sie können sogar Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs erstatten, wenn andere dieses Verbot missachten. Bruno kann deshalb zum Schutz seines Grundstücks auch einen Zaun ziehen. Soweit dessen Ausführung ortsüblich ist und auch sonst keinen gesetzlichen oder örtlichen Vorschriften widerspricht, benötigt er dazu auch keine Baugenehmigung.

Anton kann jedoch nicht verbieten, dass Bruno sich in seinem eigenen Garten, ohne Einsicht durch die Öffentlichkeit, nackt sonnt oder dort badet. Handlungen auf dem eigenen Grundstück, die das ästhetische oder sittliche Empfinden des Nachbarn verletzen oder sogar den Verkehrswert des Nachbargrundstücks mindern, sind grundsätzlich nicht als Beeinträchtigung zu werten (RG 76, 130/32; BGH 95,307). Hier ist aber letztlich der Einzelfall entscheidend.

Anton kann jedoch nun nicht mehr sein eigenes Grundstück erreichen. Üblicherweise wird deshalb bei der Teilung von Grundstücken in ein Vorder- und ein Hinterliegergrundstück zugunsten des Hinterliegers ein Geh- und Fahrtrecht gemäß § 1018 ff. BGB vereinbart und dieses auch im Grundbuch eingetragen, wobei der Umfang der Nutzung und oft auch eine Beteiligung am Unterhalt des Weges dann einzelvertraglich ausgehandelt werden. Besteht ein solches im Grundbuch eingetragenes Geh- und Fahrtrecht, darf Anton auch über das Grundstück von Bruno gehen und fahren, wie dies auch seine Besucher dürfen.

Im vorliegenden Fall hat Anton bei der Aufteilung der Grundstücke vergessen, sich ein solches Geh- und Fahrtrecht zu sichern. Er ist aber der Ansicht, dass Bruno es weiterhin dulden muss, dass er über dessen Grundstück zu seinem eigenen Haus fährt, schließlich sei dies schon jahrelang so üblich und er habe deshalb bereits aus Gewohnheit dieses Recht. Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH V ZR 155/18) müssen Dienstbarkeiten gemäß §§ 1018 ff. BGB wie ein Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein. Ein Gewohnheitsrecht gibt es hier nicht.

Anton hat deshalb nur noch ein Notwegerecht gemäß § 917 BGB. Danach kann ein Grundstückseigentümer vom Nachbarn verlangen, dass er dessen Grundstück als Zugang beziehungsweise Zufahrt benutzen darf, wenn seinem Grundstück die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt und er somit sein Grundstück nicht mehr ordnungsgemäß benutzen kann.

Art und Ausmaß dieser Nutzung müssen begründet notwendig sein, bei einem Wohngrundstück ist auch die Zufahrt für Kraftfahrzeuge zur Erreichbarkeit des Grundstücks notwendig (BGH NJW-RR 09/515). So muss es auch möglich sein, dass zum Beispiel Lieferanten für Heizstoffe oder auch Krankenwagen das Anwesen von Anton erreichen können.

Dieses Notwegerecht gilt jedoch nicht für seine Besucher. Wenn die über das Grundstück von Bruno nur fahren wollen, um vor dem Haus des Anton parken zu können, ist dies nicht erlaubt, da nicht notwendig. Besucher haben, wenn in der Nähe auf der Straße eine Parkmöglichkeit besteht, ihr Fahrzeug dort abzustellen (BGH NJW-RR 14,398). Bruno kann zusätzlich für das Befahren seines Grundstücks von Anton eine Notwegrente verlangen.

Die Höhe der Notwegrente bemisst sich gemäß einer Entscheidung des BGH (BGH V ZR 297/89) grundsätzlich nach dem Wertverlust, den der Eigentümer des durch den Notweg belasteten Grundstücks hinnehmen muss, nicht nach dem Vorteil oder dem Nutzen, den der Berechtigte zieht.

Sollten die Parteien von sich aus keine Einigung über die Höhe der Notwegrente erzielen können, so muss hierzu ein Sachverständiger eingeschaltet werden. Er hat den Wertverlust des Verkehrswerts des Grundstücks zu errechnen und dann mit 4 Prozent auf die Dauer von 25 Jahren abzuzinsen (OLG München 7 U 4085/11).

Im Gegenzug kann Anton aber auch in Zukunft verbieten, dass Bruno sein Grundstück betritt, um zum See zu gelangen. Auch hier gibt es kein Gewohnheitsrecht. Auch ein Notwegerecht ist hier nicht gegeben, da das Grundstück von Bruno unmittelbaren Anschluss an einen öffentlichen Weg hat und er über das Grundstück von Anton nur zum See gelangt.

Wie geht es weiter? Wenn sich Anton und Bruno nicht wieder vertragen und gütlich einigen, so bleibt für jeden nur die Möglichkeit, ihre jeweiligen Ansprüche auf Unterlassung gemäß § 1004 ff. BGB beziehungsweise auf Gewährung und Duldung des Notwegerechts gemäß § 917 BGB gerichtlich geltend zu machen.

Was ist die beste Lösung? Das Sprichwort „Rache ist süß“ kollidiert mit dem anderen bekannten „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“. Weil sich Nachbarn kaum aus dem Weg gehen können, kann man wohl davon ausgehen, dass der Racheakt nicht das letzte Lachen ist. Reaktion erzeugt Gegenreaktion. Es beweist Stärke, wenn man trotzdem den Weg in die Verhandlung sucht. Manchmal braucht es zunächst eine Eskalation, um den Nachbarn zum Verhandeln zu zwingen. Dann sollte man aber darauf achten, dass die Eskalation nicht in die Lösung (also das vorgestellte Verhandlungsergebnis), sondern lediglich in die ernsthafte Verhandlung führt.

Gut beraten im Nachbarschaftsrecht

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