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Welche Wiese?

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Es ist ein strahlend windstiller Sommertag. Die Mittagshitze flimmert über der braunvertrockneten Wiese, die am Ende der Herchenbachstrasse zwischen dem zurückbleibenden Buschwald und den ersten Häusern liegt, da, wo die Strasse steil aus Baden-Baden hochsteigt und dann flacher wird. Ein Stück weit auf der anderen Seite steht eine Bank. Auf der sitzen mein Freund Axel und ich und betrachten aufmerksam eine kleine Rauchsäule, die mitten in der Wiese leise emporsteigt, und langsam stärker wird.

Wir sind etwas über 9 Jahre alt und sehr unternehmungslustig und, wie wir meinen, verdammt clever. Vor allem sind wir technisch sehr interessiert. Axel ist nicht nur mein bester Freund, sondern auch mein Fahrlehrer – regelmässig klaut er den Opel Kapitän seines Vaters, der Landarzt in Feldrennach ist, und da er gut fahren kann, bringt er es mir bei.

Aber natürlich nicht gerade jetzt.

Denn im Moment führen wir eine empirisch wissenschaftliche Erhebung durch. Axel hat zum Geburtstag eine Armbanduhr mit Stoppuhr bekommen, und das hat uns auf die Idee gebracht, mal was zu stoppen oder zu timen oder so. Mein Vorschlag war, zu testen, wie schnell die Feuerwehr irgendwo ist, zum Beispiel bei einem Feuer. Axel fand das auch erhebungswürdig.

Und deshalb sassen wir am oberen Ende der Herchenbachstrasse in Baden-Baden, Axel mit der Stoppuhr in der Hand, und warteten. Wir waren inzwischen guter Hoffnung, denn eine alte Vettel hatte im ersten Haus soeben aus dem Fenster geguckt, „huch, ein Feuer“ gerufen, und war ins Zimmer zurückgeeilt. Das war kurz vor dem Moment, in dem Axel den Knopf der Stoppuhr drücken sollte.

Ich fand das eigentlich unwissenschaftlich, denn wir konnten damit natürlich den genauen Zeitpunkt des Alarmanrufes nicht präzise festlegen. Aber wir kamen überein, dass man mit der natürlichen Geschwindigkeit einer alten Vettel vom Fenster zum Telefon zuzüglich der üblichen Sprachverzögerung der badischen Mundart ganz gut rechnen konnte. Also hatte Axel, als sie ins Zimmer zurückgesaust war, die Stoppuhr hochgehalten und folgendermassen gesprochen; er war einfach als Sohn eines badischen Landarztes in solchen Dingen erfahrener als ich als Berliner Junge:

Ach Gottsche wo is dann jetzt das Telefon do brennt die Wiesn glab i o lieber Monn o lieber. Alla gottseidank do isses. Wie jetzerdle – äh, 110, glaab i. Oder?

Ja des klappt - alla Sie hier is die Frau Mechels do brennt die Wies die trockene kommeseschnell…, wie? Ei die Frau Mechels. Ach so! Ha, Herchebachstross 7 in Bade Bade, ja ja also komme Sie? Gut.“

Diesen wahrscheinlichen Verzögerungseffekt hat Axel eingerechnet. Nach genau 7 Minuten erschien die Baden-Badener Feuerwehr mit 3 Wagen; die Wiese brannte schon ganz nett. 5 Minuten später kamen zwei weitere Wagen und mehr C-Rohre. Das Feuer breitete sich aus. Nach weiteren 6 Minuten erschien die Gernsbacher Wehr mit 4 Wagen, 5 Minuten später eine aus Neuweiher mit 2 Wagen. Die mussten die angrenzenden Häuser unter Wasser setzen, weil die Wiese zunächst nicht zu bändigen war und der Brand inzwischen seine eigene Windkraft entfachte – ein Phänomen, das wir als vorher nicht bedacht, aber für die Zukunft höchst bedenkenswert sofort registrierten.

Inzwischen waren mehrere Polizeifahrzeuge eingetroffen, das technische Hilfswerk und die Malteser und die Johanniter und die Presse.

Axel und ich verbuchten die Aktion gerade als grossen Erfolg, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und gewahrte im Lichte der immer noch eindrucksvoll brennenden Wiese meinen eingeheirateten Grossvater, den Herrn Pfarrer Ippach.

Er sah mich ernst und durchdringend an, eine alte Masche von ihm, er kiekte immer so, und fragte, mit Seitenblick auf Axel:

Habt Ihr mit der Wiese da was zu tun???“

Und so blickte ich ihm treuherzig in´s verschwommene blaue Auge und fragte zurück:

WELCHE WIESE?“

Da, sagte Axel später, war ihm das erste Mal klar, dass ich jedenfalls mal Rechtsanwalt werden würde.

Das Leben findet während der Fahrt statt

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