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Die Familie von Heyl

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Ich schildere sie kurz, denn sie ist ein wunderbares zeitgeschichtlich bedeutendes Familiengebilde, eine Art Buddenbrocks der rheinischen Kultur, voll von bewundernswerten Menschen. Man kann auch sagen, eine oder sogar mehrere verwobene Geschichten vom Aufstieg und Fall einer Familie und ihres, so kann man das schon ausdrücken, Reiches.

Das fing an mit Cornelius von Heyl (1792 bis 1858), der damals noch einfach Heyl hiess, ohne von. Die Heyls werden schon viel früher urkundlich erwähnt als bedeutende Fischer- und Flösserfamilie aus Worms. Cornelius ging in jungen Jahren unter anderem auch nach Paris. Dort soll er – jetzt kolportiere ich Gerüchte, wie ich überhaupt etliches nur aus Überlieferungen meiner Verwandten wiedergeben kann und insgesamt einigermassen unvollständig bleiben werde – also dort soll er ein Mägdelein beglückt haben, die Tochter eines Herstellers von Chevreauxleder. In einer Liebesnacht oder mehreren soll sie ihm das Geheimnis der Herstellung dieses unglaublich dünnen, festen, wunderbar in allen Farben glänzenden Ziegenleders, auf das Frankreich damals ein Weltmonopol hatte, verraten haben.

Jedenfalls kehrte er nach Worms zurück, gründete die Heyl´schen Lederwerke Liebenau und stellte – was wohl? – Chevreauxleder her. Das Unternehmen florierte, nein, boomte. Er wurde ein bedeutender Mann, Abgeordneter der Paulskirche, grosser Kunstsammler (Heyl´sche Kunstsammlung in Worms), sozialer Arbeitgeber (baute als einer der ersten Industriellen in Deutschland Arbeiterwohnungen). Sein Enkel - dazwischen gab es kurz seinen Sohn Daniel Cornelius Heyl - Cornelius Wilhelm Heyl (1843 bis 1923) war ebenfalls ein bedeutender Mann, wurde deshalb 1886 geadelt, kaufte sich das Schloss Herrnsheim, und hiess fortan Freiherr von Heyl zu Herrnsheim. Er war Dr. h.c., Lederindustrieller, Reichstagsabgeordneter, Mitglied und Präsident der I. Hessischen Abgeordneten-Kammer (Januar 1874 bis Juli 1878, 30. Oktober 1879 bis Oktober 1881 und Juni 1893 bis November 1918), Nationalliberale Partei, zuletzt bei keiner Fraktion.

Mein ehemaliger Bundesbruder in meiner studentischen Verbindung „Heidelberger Kreis“, der spätere Präsident der Bundesdeutschen Rektorenkonferenz und langjährige Präsident der Stiftung preussischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Werner Knopp, pflegte sich über unseren Bundesbruder Gebhard „Geppi“ von Heyl gelegentlich zu dessen mit säuerlichem Lächeln verbrämten Missfallen mit der „wahren Geschichte, wie die Heyls geadelt wurden“ lustig zu machen.

Danach steht 1918, nach dem verlorenen 1. Weltkrieg, der Kaiser in seinem Zimmer und packt eilig für die Abreise nach Doorn. Da pfeift es gellend vor dem Fenster. Der Kaiser zu seinem Adjudanten: „Itzenplitz, sehn´se mal nach wer da so vulgär pfeift“. Itzenplitz tritt an´s Fenster und meldet: „Das issn Bote von dem lästigen Heyl aus Worms, Majestät, der will sein Adelspatent abholen“. Darauf der Kaiser: “Mensch Itzenplitz, det liegt da links auf´m Schreibtisch. Binden Sie ´n Stein dran und werfen´se ´s runter“. Itzenplitz verfährt so, der Bote wendet das Ross, die meuternden Matrosen kommen schon auf das Schloss zu, haben aber an der Ampel Rot, und das verschafft dem Getreuen den nötigen Vorsprung. Ergo: VON Heyl.

Wie Sie wissen, ist das erfunden, 32 Jahre nach vorne verlegt; aber super erzählt.

Der frischgebackene Freiherr hatte viele Kinder, darunter meine oben erwähnte Grossmutter und deren Bruder, meinen sehr geliebten und verehrten Patenonkel Ludy von Heyl, ein guter Unternehmer, grosser Kunstmäzen und gläubiger Christ. Vermutlich deswegen hatte der Karl bei ihm immer noch die besten Karten, wenngleich auch nicht richtig gute.

Um meinen Onkel Ludy zu charakterisieren, mag eine kleine Geschichte dienen. Er war königlich preussischer Oberleutnant oder Oberst und Bataillonskommandeur oder so was im 1. Weltkrieg. Als die Kapitulation verkündet wurde, löste sich die Reichswehr weitgehend auf und alle latschten nachhause.

Nicht so Ludys Leute. In geschlossener Formation und in voller Bewaffnung führte er sie aus dem Felde heim nach Worms. Auf dem Domplatz liess er in Reih und Glied und Habacht-Stellung anhalten und sprach: „Soldaten, Ihr habt treu Eure Pflicht getan für Kaiser und Vaterland. Der Krieg ist aus. Ich entlasse Euch hiermit aus Eurem Fahneneid. Abgesessen! Geht nachhause, und Gott mit Euch“!

Das ist, auch von einem Rheinländer, echtes Preussentum, oder?

Als Onkel Ludy 1962 starb, war ich im Ausland. Aber meine Mutter nahm an der Beerdigung teil und erzählte mir, es wäre ihr schwer gemacht worden, sich ihrer Trauer hinzugeben. Denn die Familie ging hinter dem von zwei Pferden gezogenen Katafalk her zur kleinen Grabkapelle der Heyls in Herrnsheim, und auf dem Wagen, der den Sarg trug, stand hinten in grossen weissen Lettern „Pietät Wiesel“ drauf.

Reklame an der falschen Stelle, würde ich mal sagen.

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