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August 2013. Transsilvanien. ≻ Erster Abschnitt
ОглавлениеIch parkte den Wagen am Ende des Feldwegs, oben auf dem Hügel. Die letzten Strahlen der Abenddämmerung verlängerten die Schatten der Grabsteine auf dem Friedhof so, dass sie sich quer über das Weideland erstreckten. Es sah so aus, als wollten magere Arme nach ihrer flüchtenden Beute greifen.
Die Menschen hatten sich für die Nacht bereits in ihre Häuser zurückgezogen. Nur ein Pferdewagen ratterte noch durch die fernen Kornfelder, verfolgt von seinem sich ständig verlängernden Schatten.
Aus den Schornsteinen der Häuser im Tal stieg Rauch auf und der Geruch von verbrennendem Holz vermischte sich mit dem Duft von Blumen, der bis zu uns auf dem Hügel vordrang.
Mein Freund Charlie und ich hatten noch einen zweiminütigen Spaziergang bis zur mittelalterlichen Kirche vor uns. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob wir hineinkommen würden. In den abgelegenen Dörfern Transsilvaniens schließen die Priester ihre Kirchen bei Sonnenuntergang ab, um sie vor Dieben oder Vandalen zu schützen.
»Ich bin im Wagen nur eine Minute eingeschlafen, und wir sind Hunderte von Jahren in der Zeit zurückgereist«, sagte Charlie. »Wo sind wir überhaupt?«
»Gehen wir. Ich möchte dir eine der verborgenen mittelalterlichen Kirchen in meinem Land zeigen«, antwortete ich. »Die Kirche des Heiligen Nikolaus im Dorf Densus zählt zu den ältesten Gotteshäusern in Rumänien. Niemand weiß, wer sie gebaut hat. Aber die Einheimischen sagen, dass in längst vergangenen Zeiten Riesen diese Kirche auf den Ruinen eines alten heidnischen Tempels errichtet haben.«
»Das ist wirklich etwas Besonderes«, bemerkte Charlie, als wir durch das Tor gingen. Gras hatte den Steinboden im Kirchhof durchlöchert und Teile der Mauer waren zu Steinhaufen zerfallen. Zwei im Laufe der Zeit verblichene gemalte Heiligendarstellungen säumten den Haupteingang.
»Mehr als siebenhundert Jahre lang kamen die Menschen an Sonntagen hierher, um am Gottesdienst teilzunehmen und zu beten. Das tun sie auch heute noch«, rief eine liebenswürdige Stimme mit deutlichem rumänischem Akzent in englischer Sprache. »Willkommen in meiner Kirche.«
»Guten Abend, Pater«, sagte ich und wandte mich um. »Wir haben Sie gar nicht gesehen.«
Aus den Schatten in unserem Rücken tauchte ein alter Mann auf. Er trug, wie bei christlich-orthodoxen Priestern in meinem Land üblich, ein schwarzes Gewand. Sein langer grauer Bart bedeckte halb das Holzkreuz an seiner Brust. Von seinen Händen baumelten ein Rosenkranz und ein Schlüsselbund. Beim Gehen neigte er den Kopf so, als wäre jeder seiner Schritte ein Gebet. Und seine Augen glänzten, als strahlten sie inneren Frieden und ein Licht aus, das nicht von dieser Welt war.
»Wir sind froh, dass Sie so spät am Abend noch hier sind«, sagte ich. »Mein Freund ist den ganzen Weg von Amerika hierher gereist, um Transsilvanien zu besuchen.«
Die eisernen Schlüssel klirrten, als der Priester an uns vorbeiging, um die Tür aufzuschließen. »Kommen Sie herein«, forderte er mich in rumänischer Sprache auf. »Ich werde mich am Altar aufhalten. Sehen Sie sich ruhig in der Kirche um. Sie dürfen auch Fotos machen, aber bitte ohne Blitzlicht. Schließen Sie die Tür, wenn Sie gehen.«