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Dritter Abschnitt

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Einige Monate nach dem Start des Hubble-Teleskops zeigte eine andere Katastrophe die Wirkkraft des sozialen Umfelds.

Am 10. Juni 1990 startete der Flug 5390 der British Airways früh am Morgen von Birmingham mit dem Ziel Spanien. Nach einem routinemäßigen Start übergab Alastair Atchison, der Kopilot, Kapitän Tim Lancaster die Steuerkontrolle.

Zwei Minuten nach dem Abheben legte Lancaster die Schultergurte ab und stellte auf Autopilot um. Die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter waren gerade dabei, hinten in der Maschine das Frühstück vorzubereiten, als sie eine Explosion im Cockpit hörten. Während das Flugzeug erbebte und auf den Boden zustürzte, schrien die Passagiere vor Entsetzen. Sie dachten, an Bord sei eine Bombe explodiert.

Die Flugbegleiter rannten zum Cockpit hinüber, das mit weißlichem Nebel gefüllt war. In einer Flughöhe von mehr als 17.000 Fuß (5.300 Metern) war das Fenster des Kopiloten explodiert und wie ein Geschoss am Himmel verschwunden. Kapitän Lancaster wurde von seinem Sitz gerissen. Der Wind drückte seinen Körper nach draußen, zum Flugzeugrumpf, während seine Beine zwischen dem Sitzgurt und den Armaturen eingeklemmt waren. Seine Knie drückten die Steuerelemente so nach vorn, dass die automatische Steuerung ausfiel und die Maschine in den Sturzflug überging.

Sie flogen in einen der meistbelegten Lufträume der Welt hinein und mussten jederzeit mit einem Zusammenstoß mit einem anderen Flugzeug mitten in der Luft rechnen.

Atchison kämpfte völlig auf sich gestellt darum, die beschädigte Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen. Er brüllte in sein Headset, konnte die Antworten der Bodenkontrolle jedoch nicht verstehen. Der Verantwortliche der Bodenkontrolle räumte später ein, dass er nicht fassen konnte, was Atchison ihm über Funk mitteilte. »Solche Dinge passieren einfach nicht«, sagte er in einem Interview für das Magazin National Geographic. »So etwas sieht man nur in Spielfilmen, aber im wirklichen Leben geschehen sie nicht.«

Der Flugbegleiter Nigel Ogden klammerte sich am Sicherheitsgurt von Flugkapitän Lancaster und dessen Beinen fest und versuchte zu verhindern, dass dessen Körper noch weiter aus dem Cockpit und in den Flugzeugantrieb gezogen wurde. Der Wirbelsturm im Passagierbereich schleuderte Papiere und lose Schuttbrocken zum Cockpit hinüber. Zwei andere Besatzungsmitglieder sprangen nun ein und griffen nach den Beinen von Kapitän Lancaster, um den erschöpften, halb erfrorenen Flugbegleiter abzulösen. Vom Gang aus konnten sie sehen, dass Lancasters Augen geöffnet waren, aber sein Lidschlag hatte ausgesetzt. Sein armer Kopf war gegen den Flugzeugrumpf geprallt. Atchison befahl den beiden Besatzungsmitgliedern, den Körper des Kapitäns weiterhin festzuhalten, obwohl sie ihn für tot hielten.

Das Pilotentraining wird stets mit zwei Piloten durchgeführt. Der eine steuert das Flugzeug, der andere übt den Einsatz in Notfällen.

In diesem Hollywood-ähnlichen Szenario wurde der Kapitän nach draußen gedrückt, während sein Kopilot darum kämpfte, das beschädigte Flugzeug unter Kontrolle zu bringen und auf einem Flughafen zu landen, der ihm völlig unbekannt war. Mit einundachtzig entsetzten Fluggästen an Bord machte Atchison eine Notlandung auf dem Flughafen Southampton. Wundersamerweise hatte Kapitän Lancaster überlebt. Im Rettungswagen kam er auf der Fahrt in die Klinik wieder zu Bewusstsein.

Als das Flugzeug am Ende der Landebahn zum Halt kam, waren schon die Ermittler da, um die Katastrophe zu untersuchen. Sie stellten fest, dass man das Flugzeug nur wenige Stunden vor dem Start noch gewartet hatte. Der diensthabende Techniker hatte dabei die alte Windschutzscheibe durch eine neue ersetzt. Während der offiziellen Befragung berichtete er freimütig über den Vorgang. Er war in den Hangar gegangen und hatte die alten Befestigungsschrauben durch neue ersetzt, die er mit bloßem Auge mit den früheren Schrauben verglichen hatte. Danach hatte er die neue Windschutzscheibe eingesetzt.

Nach dem Luftverkehrsrecht müssen die Techniker die Ersatzteile in einem Katalog überprüfen und sich davon überzeugen, dass die Seriennummern auf den Schrauben mit den Nummern im Katalog für diesen Flugzeugtyp übereinstimmen. Erst danach dürfen sie einen Abgleich mit bloßem Auge vornehmen. In diesem Fall hatte der Augenschein den Techniker getrogen. Manche der von ihm ausgewählten Schrauben waren ein paar Millimeter zu dünn gewesen, andere zu kurz. Als das Flugzeug abhob, hielten die Schrauben nicht und der Druck in der Kabine schleuderte die Windschutzscheibe in den Himmel hinaus.

Stuart Cutting, der leitende Ermittler der Untersuchungsabteilung für Flugzeugkatastrophen, zog einen Verhaltenspsychologen zu dem Verhör des diensthabenden Technikers hinzu. Er wollte erfahren, wieso ein Techniker, der seit zwei Jahrzehnten für die Fluglinie arbeitete, die vorgeschriebenen Prozeduren missachtet, das Betriebshandbuch nicht herangezogen und den Rat seines Vorgesetzten ausgeschlagen hatte, im Ersatzteilkatalog nachzuschlagen, bevor er die alten Schrauben durch neue ersetzte.

In einem Interview für das Magazin National Geographic erklärte Cutting, er sei völlig entsetzt gewesen, als der Techniker zugegeben hatte, dass er dieses »abgekürzte Verfahren« beim Austausch von Windschutzscheiben schon jahrelang angewendet habe. Seinem Team, sagte er, sei die Arbeit so über den Kopf gewachsen, dass sie bestimmte Strategien entwickelt hätten, um rechtzeitig fertig zu werden. Außerdem befremdete Cutting das lässige Verhalten, mit dem der Techniker sein Vorgehen beschrieb. Es war ein überaus ernst zu nehmender Vorfall gewesen, doch niemand versuchte, irgendetwas zu vertuschen oder Entschuldigungen zu finden. Nun verstand Cutting das grundlegende Problem: Dem Techniker war nicht einmal bewusst gewesen, dass er gegen die Sicherheitsvorschriften verstieß. Das soziale Umfeld, in dem er arbeitete, hatte ihn dahingehend beeinflusst, so oft und immer wieder nach Abkürzungen im Arbeitsablauf zu suchen, dass er blind für die Gefahren geworden war, die sein Tun zwangsläufig mit sich brachte.

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