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Sechster Abschnitt

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Das, was wir für das Wichtigste in unserem Leben – in unserer sozialen Umgebung – halten, beeinflusst unsere Sicht der Realität und unsere Entscheidungsfindung.

Der bei den British Airways angestellte Techniker hatte im Blick, was ihm der soziale Kontext des Unternehmens vorschrieb: Der Startplan war unbedingt einzuhalten. Auch die Verantwortlichen bei der NASA hatten im Blick, was ihnen der soziale Kontext zeigte: den zeitlichen Ablauf der Shuttle-Starts. In beiden Fällen wurde der Zeitplan zum wichtigsten Faktor. Ob bewusst oder unbewusst sprang der Zeitplan mehr ins Auge als die Sicherheit.

Das, was wir für am wichtigsten halten, ist der Motor unseres Denkens, unserer Entscheidungen und unseres Verhaltens.

»Was innerhalb der Startteams der NASA genauso geschah wie bei dem Techniker der British Airways, bezeichnet man mittlerweile als die ›Normalisierung von Abweichungen‹ – ein beschönigender Ausdruck für wachsende Geistesträgheit«, fuhr Charlie fort. »Diane Vaughan hat es den ›stufenweisen Sinkflug im mangelnden Urteilsvermögen‹ genannt. In manchen sozialen Umgebungen gewöhnen sich die Menschen an fehlerhafte Verhaltensweisen und sind irgendwann sogar blind dafür, dass dieses Verhalten sie selbst zerstört.

Der Prozess, durch den sich dieses mentale Muster herausbilden kann, ist sehr simpel: Wir wählen einmal, zweimal, dreimal eine Abkürzung für die Erledigung bestimmter Aufgaben, und irgendwann wirkt diese Abkürzung dann völlig normal. In unserem Denken verringert sich das Bewusstsein eines Risikos jedes Mal, wenn wir unbeschadet mit einer solchen Abkürzung durchkommen. Doch die Gefahr besteht ja ständig weiter, nimmt im Dunkel unserer Wahrnehmungsunfähigkeit sogar noch zu. Wir handeln einmal, zweimal, dreimal auf diese Weise – und schon wird es zur Gewohnheit. Und dann kommt es zur Tragödie.«

Unser Wagen schlängelte sich durch die Hügel Transsilvaniens. Charlie schloss die Augen, um sich ein paar Minuten auszuruhen. Hab ich das auch schon erlebt? Eine solche Normalisierung von Abweichungen?, fragte ich mich. Plötzlich tauchten Beispiele dafür in meinem Gedächtnis auf.

Ein Mangel an körperlicher Bewegung ist ein abweichendes Verhalten, das für die meisten von uns zur Normalität geworden ist. Alkohol- und Drogenmissbrauch sind verheerende abweichende Verhaltensweisen, die viele Menschen mittlerweile für normal halten. Die Zerstörung der Umwelt aus Profitgier ist ebenfalls ein abweichendes Verhalten, das zur Normalität geworden ist.

Wir merken, dass unser Verhalten falsch ist, ändern es jedoch nicht, weil unsere Handlungen uns für den Moment nicht unmittelbar schädigen.

Niemand glaubt en eine herannahende Tragödie. Wenn man einen Tag, eine Woche, einen Monat oder ein Jahr lang trinkt, zeigt das keine unmittelbaren Auswirkungen. Jetzt genießt man das Vergnügen, die Qualen liegen in der Zukunft. Zu viel zu essen oder den eigenen Körper mit schlechter Ernährung einen Tag, eine Woche, einen Monat oder ein Jahr lang zu vergiften, hat im Moment noch keine tragische Wirkung. Gedankenlose Verhaltensweisen entspannen kurzzeitig, haben letztlich jedoch einen katastrophalen Preis. Wir setzen unser Tun fort, bis uns die Konsequenzen um die Ohren fliegen. Ein Herzinfarkt. Eine Überdosis. Eine Krankheit. Eine zerbrochene Familie. Ein Selbstmord. Schießereien in einer Schule. Ein Flugzeugabsturz. Der Weg zur Einsicht ist mit Qualen verbunden. Wir nehmen die Realität nicht mehr wahr und erkennen sie erst, wenn uns ein harter Schlag trifft und weckt.

Aber das mit höchster Tragik verbundene abartige Verhalten besteht darin, dass wir so leben, als würden wir niemals sterben – und trotzdem niemals wirklich leben. Wir existieren, leben aber gar nicht. Verschwenden zu viele Lebensjahre auf eine Arbeit, die uns eigentlich nichts bedeutet, wie wir wissen. Wir verharren in unguten Beziehungen und auf unguten Arbeitsstellen, die uns genauso viel Sicherheit geben, wie es eine Gefängniszelle tun kann. Wir denken, wählen und tun, was die soziale Umgebung uns vor Augen führt, und leben nur das aus, was andere Leute uns zeigen. Wir unterdrücken die Liebe in unserem Herzen und verstoßen und handeln tage-, monate- und jahrelang gegen das, was in Wahrheit zählt, bis wir unempfindlich gegenüber unserem Kummer und blind gegenüber dem werden, was wir uns selbst antun. Wir missachten unsere Träume und leben komfortable Lügen, die unseren Geist verkrüppeln. Aber wir vollziehen nicht den Wandel, unserer Bestimmung zu folgen. Genau das tut abweichendes, abartiges Verhalten: Es verschafft einem Trost für den Moment und am Ende schrecklichen Kummer. Und eines Tages weckt uns der Anruf eines Arztes auf, aber dann ist es zu spät.

Ehe wir das Kloster verließen, betete ich um die Erkenntnis, warum es für die meisten von uns so schwer ist, in der Wahrheit zu leben. Das Gespräch, das ich später mit Charlie führte, brachte mich indirekt zu der Antwort: Der Verstand stellt einen Mechanismus dar, der sich auf etwas fokussiert und dann Entscheidungen trifft. Wir können uns aber auch auf unseren Geist fokussieren und dazu entschließen, die Stimme der Wahrheit zu beherzigen. Dadurch erlangen wir in den Händen Gottes Freiheit. Oder wir können uns auf die Welt fokussieren und beschließen, den Weg des geringsten Widerstands einzuschlagen. Dann werden wir zu Marionetten in den Händen anderer Menschen. Eine andere Wahl gibt es nicht. Beide Alternativen haben ihren Preis, aber die erstere bringt uns Leben und die andere Tod.

Ein Jahr später sollte ich diese Lektion tatsächlich lernen.

Verwirklichung deiner Träume

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