Читать книгу Rho - E. S. Schmidt - Страница 8

Оглавление

»Wir haben eine Kabine, falls dir das lieber ist.« Peter nickte zur Trennwand hinüber, während er ihr das in dünnes Plastik eingeschweißte OP-Set hinhielt.

»Als ob du mich noch nie nackt gesehen hättest.« Moira legte das Päckchen vor sich auf die Holzbank und knöpfte die Bluse auf.

»Ist zumindest eine Weile her.«

Fast schon komisch, wie er beim Umziehen gegen die Wand starrte. So würde er ihren schwarzen Balconette kaum würdigen können. Vermutlich hatte sie den völlig umsonst gekauft.

Für Peter gab es keine halben Sachen, und eine Trennung war eben eine Trennung. Überhaupt war er ziemlich altmodisch. Damals hatte er ihr sogar vorgeschlagen, zusammen in ein Zweier-Appartement zu ziehen, also Wohnung und Phase zu teilen, wie ihre Großeltern. Irgendwelche Landeier machten das wohl heute noch so.

Im Grunde war ihr damals zum ersten Mal aufgefallen, dass sie eigentlich gar nicht zusammenpassten. Seine Träume und Pläne legten alles fest, errichteten eine Mauer um sie beide, um ihr gemeinsames Leben. Aber das andere, eine Beziehung ohne ein genaues Bild für die Zukunft und einen Plan für den Weg dorthin, das hatte wiederum er nicht ertragen.

Sie riss das Plastik auf. Das Päckchen enthielt das bekannte Ensemble aus Hose und Hemd, Mundschutz, Haarkappe und sogar Einweg-Schuhe.

»Bist du das Leben als freie Journalistin nicht langsam leid?«, fragte Peter unvermittelt.

Sie streifte den Rock ab. »Wieso?«

»Ich halte es für eine Talentverschwendung. MediCare hat immer Verwendung für eine gute Chirurgin, und vielleicht willst du wieder mal die Vorzüge eines Corporate Village genießen.«

In einem Village würde sie sich sogar ein Zimmer leisten können, das sie nicht phasen-teilen musste. Alle großen Konzerne unterhielten diese Gated Communities für ihre Arbeitnehmer.

Sie zog das Oberteil über. »Fühlst du dich nicht manchmal zu sehr überwacht? Dass sich das System vielleicht fragt, warum du das Village während Gelb verlässt, obwohl das gar nicht deine Arbeitsphase ist?«

Peter zuckte mit den Schultern. »Wenn sie daraufhin das Freizeitangebot verbessern, warum nicht? Bist du soweit?«

Sie waren jetzt beide in labberiges Grün mit übergroßem MediCare-Emblem gekleidet und bereit für die Desinfektionsschleuse.

»Moment noch.« Sie stellte ihren Screen am Handgelenk auf Netzfrei, damit das Funksignal die empfindlichen Geräte im OP nicht störte. Auch die Kamerabrille stellte sie um, würde die Aufnahme auf einen Chip speichern, statt sie direkt in den Data-Ocean zu übertragen. Sie setzte die Brille auf und senkte den Mundbügel. Jetzt sah sie Peter durch zwei Screens direkt vor ihren Augen. Rechts unten blinkte der rote Aufnahmepunkt. Sie zoomte auf Peters verlegenes Grinsen.

»Wir sind heute auf Einladung von Doktor Peter Sanchez im MediCare Krankenhaus in Green Sands.«

»Doktor Sanchez? Du machst mich fertig.«

»Könntest du bitte ernst bleiben? H&S ist ein seriöser Kanal.«

»Hab ich dir jetzt die Aufnahme versaut?«

»Das wird alles eh noch geschnitten. Wenn du nett bist, retuschiere ich sogar den Pickel an deinem Kinn.«

»Das wäre sehr zuvorkommend.« Er räusperte sich und versuchte, seriös auszusehen, während sie ihr Intro wiederholte und dann fortfuhr.

»Doktor Sanchez wird in wenigen Minuten eine Nierentransplantation nach der neuen von ihm mitentwickelten, minimalinvasiven Methode vornehmen. H&S, Ihr Kanal für Medizin und Wissenschaft, berichtet für Sie direkt aus dem Operationssaal. Danke, dass wir hier sein dürfen, Doktor Sanchez.«

»Aber gerne doch.« Er machte eine auffordernde Geste und ging ihr voran zur Schleuse. Moira schaltete die Bildaufnahme aus, und die Brillengläser wurden durchsichtig. Das schien Peter zu erleichtern. Im OP und selbst in einem Hörsaal konnte er unglaublichen Charme versprühen, aber eine Kamera machte ihn befangen.

»War das nicht eine etwas steife Einleitung?«, fragte er.

»Ist ein Wissenschaftskanal, die mögen das so.«

Als sie beide durch die Schleuse waren, war die Zeit reif. Möglichst unbefangen fragte Moira: »Eure Abteilung hat gut zu tun, soweit ich gehört habe.«

»Was soll ich sagen?« Peter zuckte mit den Schultern. »Bei dem Lebensstil heute geben Niere und Leber als erstes auf.«

»Kann ich mir vorstellen. Ich habe da so eine Mitbewohnerin …« Allerdings hatte Nuri Alkohol und Tabletten tatsächlich auf null reduziert, seit sie von der Schwangerschaft wusste. Womöglich war ihre Gereiztheit bloß eine Entzugserscheinung. Oder das war einfach die wahre Nuri, ohne die künstlichen Glücklichmacher.

»Aber«, sagte Moira, »die Nachfrage nach Transplantationen gab es auch früher. Woher bezieht ihr die Organe?«

»Du weißt, das sind Firmendaten.«

Da war es, das Zauberwort. Firmendaten. Es bezeichnete eine absolute Grenze. Firmendaten waren das neue Numinosum, das heilige Tabu ihrer Gesellschaft. Es gab Leute, die sogar das Wort Firmendaten nur flüsternd aussprachen.

»Komm schon«, sagte Moira. »Noch vor ein paar Jahren war das ein riesiges Problem, und plötzlich habt ihr genug Nieren, um drei OPs in einem Monat durchzuführen?«

Peter blieb stehen. »Woher weißt du das?«

Er dementierte es nicht. Hätte auch nicht viel genützt, denn sie hatte mit den Patienten gesprochen. »Ich bin Journalistin, schon vergessen?«

»Ich habe keine Ahnung, woher die Organe kommen. Ich baue sie bloß ein.« Er wandte sich um und ging weiter. Moira hingegen stand immer noch da.

»Du weißt schon, dass deine Ohren rot werden, wenn du lügst?«

Mit einem Seufzen blieb er stehen. »Wie du weißt, erhalten auch Angestellte Firmendaten nur auf einer strikten Need-to-know-Basis.«

»Aber es gibt Gerüchte.« Sie schloss zu ihm auf. »Von wem bekommt ihr die Organe? Bahi-A?«

»Also weißt du es schon.«

Trotzdem blieben Zweifel. Falls Bahi-A tatsächlich Steaks ohne Rinder herstellen konnte, wieso vermarkteten sie diese dann nicht entsprechend? Und noch etwas störte Moira. »Für ein Schnitzel oder eine Leber kann ich mir das ja vorstellen.« Das waren homogene Organstücke, deren Funktion im Wesentlichen von der Art der Zellen abhing, unabhängig von deren genauer Anordnung. »Aber eine Niere? Oder gar ein Herz? Komplett mit Kammern, Klappen und passenden Anschlüssen?«

Er warf einen Blick auf ihre Kamerabrille, wie um sich zu vergewissern, dass die Aufnahmefunktion noch immer ausgeschaltet war. Moira lächelte beruhigend. Wenn die Gläser durchsichtig waren, wurde nicht gefilmt, das war bei allen vom Konzernrat genehmigten Kamerabrillen der Fall. Was Moira ihm nicht sagte war, dass sie die Audioaufnahme weiterlaufen ließ.

Schließlich seufzte er. »Ich weiß wirklich nichts Definitives. Aber ich vermute, dass hinter Bahi-A jemand anderes steht.«

»Und wer?«

Wieder zögerte er. Als er zu einer Antwort ansetzte, trat eine Frau in den Gang heraus. »Hier steckst du! Der Patient ist schon da und wird gerade vorbereitet.«

»Entschuldige, Mbali. Ich komme.«

Moira fluchte lautlos und folgte Peter in den OP.

***

Rho

Подняться наверх