Читать книгу Die Weltzeituhr - Eberhard Hilscher - Страница 9
Zeitansage, 1. Jahr (Fortsetzung)
Оглавление27. August: Die Metropole der Mode erwies sich an diesem Tage auch als Hauptstadt globaler Diplomatie. „Ewiger Friede“, sagten die Leute am Quai d’Orsay. Nachdem sie den Obelisken des furiosen Ramses gestreichelt und die Concorde-Brücke überschwemmt hatten, jubelten Knickerbocker-Herrchen und bubikopffrisierte Damen in knabenschlanker Garçon-Fashion den Politik-Harmonikern zu, die über eine Freitreppe ins Außenministerium trippelten. Die Silbermine des Pariser Regierungsthermometers kroch gerade bis zum 32. Querstrich der Celsiusskala empor. Punkt fünfzehn Uhr westeuropäischer Zeit versammelten sich die Ressort-Chefs im historischen Horloge-Saal, nahmen am hufeisenförmigen Tisch Platz und bewunderten die Vertragsmappe. Exzellent! Da lag ein typografisches Meisterwerk, auf vier handgeschöpfte Büttenseiten gedruckt und in goldverziertes Saffianleder gebunden. Während der französische Gastgeber die erfolgreiche Bemühung um internationale Aussöhnung pries, tropfte den Repräsentanten der Welt viel Schweiß in Cut und Zylinder, denn von Decken und Wänden strahlten acht Scheinwerfer und vierhundert Kerzen und brannten das Bewusstsein epochaler Wende in die erlauchten Köpfe ein. „Ächtung des Krieges für immer!“, rief der erwärmte Chef des Protokolls. „Toleranz-Esperanto! Nie mehr Streit zwischen uns! Ab sofort gilt das Evangelium des Friedens nebst Befehl an die Menschheit: Liebet einander!“ – Nun begann die Polonaise der erschöpften Delegationen, wobei das Hohe Kollegium jedes Autogramm handfeucht beklatschte. Mit schwarzer Dokumententinte signierten und besiegelten die Staatsmänner von fünfzehn Nationen das Glaubensbekenntnis zur Ewigen Güte. Emphatisch, triefnass und ein bisschen verträumt sangen Amerikaner, Kanadier, Engländer, Franzosen, Deutsche, Polen, Tschechen, Japaner, Australier und Südafrikaner im Chor: „Dona nobis pacem“. Da die Sowjets überraschend Sympathie bekundeten, sah Eirena mit dem Füllhorn plötzlich ein Drittel der Erde zu ihren Füßen liegen.
28. August: Im Goethemuseum zu Frankfurt am Main empfing Doktor Missopo einen berühmten Preis. Er steckte den Scheck des Freien Deutschen Hochstifts ins Brustfach seines Gehrocks, besah seine Remontoir-Uhr und empfahl dem andächtig lauschenden Publikum, keine Zeit zu vergeuden und chaotische Zeiten niemals zu dulden. – Sechs Wochen später begannen in Berlin die Hellen Nächte. Millionen Glühbirnen, bengalische Feuer und Lampions erfüllten die Goethe‘sche Forderung: mehr Licht!