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KAIN (1. Mose 4, 1 – 11)

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Ich habe ihn erschlagen. Na und?

Warum ist es denn so verwerflich,

den Bruder zu töten –

nur weil wir die gleichen Eltern haben?

Wäre es ein Freund gewesen, einer,

der meinem Herzen nahestand,

dann könntet ihr mit Recht mein Tun verwerfen.

Doch was ist schon ein Bruder?

Es ist einer, der dir stets im Wege steht,

mit dem du alles teilen musst –

Spielzeug, Essen, selbst die Liebe noch,

die dir die beiden Eltern schulden.

Er war doch immerzu bereit,

dir alles das zu stehlen,

allein kraft der Behauptung,

er hätte gleiches Blut wie du.

Stets stand er mir im Wege!

„Nimm Rücksicht, Kain. Er ist dein Bruder.“

„Paß auf ihn auf, er ist der Kleine,

du trägst Verantwortung für ihn.“

„Laß ihm den Vortritt, siehst du nicht,

wie unbeholfen er noch ist,

wie zart und ganz auf deine Liebe angewiesen?“

Wie ich das alles haßte – dieses Sorgen,

Behüten, Dulden, Rücksichtnehmen!

Und wie ich bald ihn selber haßte,

der stets an meinem Rockschoß hing:

„Wo gehst du hin? Nimm mich doch mit!“

„Gib mir den Ball, mit dem du spielst!“

„Schenk mir den Stock, den du dir schnitzt.“

„Ich will das haben, was du hast!“

Ja, alles wollte er für sich allein,

nur weil es einmal mir gehörte.

Und dann, zuletzt, da wollte er

auch Gottes Liebe ganz für sich.

Was war denn so bemerkenswert daran,

daß ER, der Himmlische, sein Opfer vorzog?

Nur weil er Fleisch ihm reichte, blutig dampfend,

während ich ihm Früchte darbot,

süß und lieblich schmeckend,

und frischgebackne Brote,

duftend noch und schmackhaft.

Fand nicht Abels Herde bloß ihr Futter,

weil ich sie auf meine Felder ließ?

Sind nicht die Milch, das Fett der Böcke,

im Grunde Früchte meiner Arbeit?

Und doch hab ich es zugelassen,

gab Brot und Wein im Tausch für Milch und Käse,

gewährte seiner Herde Zutritt zu den Brunnen,

die meine Knechte mir gegraben hatten,

um damit Ackerfurchen zu bewässern.

Das alles nur, weil er der Bruder war,

und weil die Eltern mich ermahnten.

Doch hat er es mir gedankt?

Er hat sich vorgedrängt mit seinem Opfer,

wie er sich einst beim Vater angebiedert

und bei der Mutter eingeschmeichelt.

Ja, reden konnte er und Süßholz raspeln!

Nun aber raubte er mir auch den Segen,

den Gott, der andre Vater, uns gewährt,

denn er galt ihm allein und seinem Opfertier.

Ich aber und die Früchte meiner Hände –

wir wurden nicht beachtet:

Warum wachsen Abels Herden Jahr für Jahr,

und mir versagt der Himmlische den Regen,

lässt meine Ernte auf dem Halm verdorren?

Warum ruht sein Auge auf dem Bruder, wohlgefällig,

und sein Blick verdüstert sich bei meinem Anblick?

Ja, das ist der größte Schmerz von allem:

Daß mich auch Gott verlassen hat,

mir Einsamkeit und Nacht beschert,

mir seine Gegenwart entzieht.

Ich hasse Abel – ja! Ich neide ihm

den Segen, der auf seinen Herden ruht;

ich neide ihm den Gott,

der seine Opfer annimmt, meine nicht.

Doch nicht darum erhob ich meine Hand,

um mit dem Bruderblut den Acker mir zu düngen.

Nein, es sollte laut zum Himmel schreien!

Wenn schon mein Opfer dort nicht zählt,

das Blut des Bruders wird das Opfer sein,

das ER, der Himmlische, nicht übersehen kann.

Und wenn er mich nicht lieben kann,

dann werde ich ihm seinen Liebling nehmen,

dann wird mein Haß die Antwort sein,

und mit dem Bruder werde ich ihn selber töten –

den Gott, der mich verlassen hat.

Ich werde mich an seine Stelle setzen,

damit die Dunkelheit in meiner Seele weicht,

werde mich selbst zum Herrn des Lebens machen,

werde jenem Geist des Bösen dienen,

das Tier in mir von seiner Kette lösen.

Dann wird er endlich zu mir reden müssen –

ER, der allzu lange schon geschwiegen hat.

Mag er mich ruhig nun verfluchen –

er kann zu Abels Blut nicht schweigen,

er muß mir endlich gegenübertreten,

muß Rechenschaft mir geben, mir, dem Menschen,

und wenn es mich das Leben kostet.

Hörst du mich, Gott?

Ich habe ihn getötet, meinen Bruder,

damit du endlich, endlich Antwort gibst!

Gegen den Strich - was so noch nicht geschrieben steht

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