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ISMAEL (1. Mose 16, 1-4 und 21, 8-21)

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Ja, ich bin elternlos!

Das ist mein Schicksal, und es traf mich schwer.

Den Vater habe ich verehrt, damals,

in jenem andern Leben.

Denn Abraham war stets ein Vorbild mir,

gerecht gebot er über seine Leute,

und all die Jahre habe ich gedacht,

auch mir gilt seine väterliche Liebe.

Jetzt aber kann ich ihn nur hassen –

dem Tod hat er mich ausgeliefert,

wohl wissend, was die Wüste kann,

wenn ohne Wasser man ihr ausgesetzt.

Vertrieben hat er mich um meines Bruders willen,

dem ich doch niemals wirklich böse war.

Nun gut – er war der Jüngere, der Kleine,

doch hab ich, eh er laufen konnte,

ihn gerne hin und hergetragen,

und später hab ich ihn gelehrt,

mit Pfeil und Bogen umzugehn.

Wir haben uns auch manches Mal gezankt,

ich ließ ihn spüren, daß ich stärker war.

Und dennoch waren wir den ganzen Tag zusammen,

und wie oft hab ich ihn beschützt,

wenn irgendwo Gefahren drohten!

Ja, Isaak war stets mein kleiner Bruder;

was wusste ich von Erstgeburt und Erbe!

Ich hätte jederzeit mit ihm geteilt.

Und meine Mutter? Ja, wer war die Mutter?

War Sarai es, Abrahams Weib?

Oder doch Hagar, weil sie mich gebar?

Sklavin war und blieb sie hier im Hause,

augeliehen nur, das Kind zu liefern,

weil Sarais Leib verschlossen blieb.

Sie selbst gab Hagar ihrem Manne –

für eine Nacht nur, um sie zu befruchten,

wie man den Bock zu einer Ziege lässt.

Was Abraham empfand in jener Stunde,

nie hat er es erzählt.

Doch war ihm nicht nur Sarai lieb,

er achtete auch die, die mich gebar

und schützte sie vor Sarais Launen.

In Sarais Augen war ich eins nur:

Abrahams Erbe, und somit auch ihr Sohn.

Ich weiß nicht, ob sie mich je liebte,

doch war sie freundlich, achtsam, zugewandt.

An ihrer Seite wuchs ich deshalb auf,

und allen galt ich als ihr Sohn.

So galt es allen hier im Lande:

Der Sklavin Kind gehört der Herrin,

und sie entscheidet, wo es lebt,

wer es erzieht und was es erbt.

Nein, Hagar sah ich meist nur aus der Ferne,

doch spürte ich den Blick, der stets mir galt.

Als aber Sarai Isaak gebar,

da war der Herrin eigen Kind der Erbe,

und oft ließ sie mich spüren,

daß sie das Sklavenkind nun nicht mehr brauchte.

Lange hielt Abraham die väterliche Hand

noch schützend über mich,

doch stand auch ihm der Bruder sichtlich näher.

Noch war mir nicht bewusst,

warum die Kälte um mich wuchs,

doch spüren konnte ich sie wohl,

und sie erfüllte mich mit Angst.

Dann kam der Tag, der mir die Kindheit raubte,

der das Vertrauen mir zerstörte

in Liebe, Güte und Gerechtigkeit.

Es war ein Fest allein für Isaak,

mich stieß man grob zur Seite.

Ist es verwunderlich, daß ich danach

mich an dem Bruder rächen wollte?

Nichts wirklich Böses dachte ich mir aus,

nur einen Schabernack wollte ich treiben.

Doch Sarai sah es voller Zorn.

Nun hatte sie den Grund gefunden,

die Magd und ihren Sohn

für immer aus dem Haus zu jagen.

Und Abraham? Er zögerte, doch blieb er stumm

und tat, was seine Frau verlangte.

Nie werde ich den Blick vergessen,

mit dem der Vater mich zu Hagar schickte,

um uns, mit karger Zehrung ausgestattet,

dem Tod im Wüstensand zu überlassen.

Und niemals werde ich verzeihen können,

daß er mich diesem Schicksal überließ.

War es beim Vater tiefe Trauer,

so sah in Sarais Augen ich nur Haß

auf diese Sklavin und auf deren Sohn,

den sie doch selber einst gewollt.

Kaum war die Sonne aufgegangen,

schickte man uns ohne Segen fort.

Bald war das Wasser aufgebraucht,

das Abraham uns mitgegeben.

Ich bettelte, ich weinte laut,

bis aus dem trocknen Schlund nur noch

hechelndes Stöhnen drang.

Da legte Hagar mich an einen Ort,

wo kümmerlicher Wuchs noch Schatten gab,

damit mich dort der Todesengel fände.

Sie selbst ging fort,

sie konnte meinen Anblick nicht ertragen,

setzte sich abseits hin,

um mir im Sterben nachzufolgen.

In diesen Stunden wuchs in mir

der Haß auf alles, was lebendig.

Niemals mehr würde ich vertrauen können

und niemals lieben.

Daß dort ein andrer Engel waltete

als der, der in den Hades führt,

daß Hagar eine Quelle fand

und mir mit letzter Kraft das Wasser schöpfte,

es war zwar Rettung, aber war kein Trost.

So wurde Wüste mir zur Heimat,

und auch das Herz ist wüst und leer,

verdurstet, öde, ohne Leben.

Ja, ich bin nicht gestorben dort, und dennoch tot.

Nur eines lebt, wird leben bleiben:

Verzweiflung, Wut und Haß.

Ich habe jenen Engel nicht gesehn,

der Hagar damals zu der Quelle führte.

Ich habe seinen Zuspruch nicht vernommen,

daß auch Abrahams erster Sohn

einmal zu einem großen Volke werden solle.

Vielleicht hätte ich dann vergeben können.

Vielleicht wär dann aus einer Wüste

ein grünes Land der Hoffnung aufgeblüht.

Gegen den Strich - was so noch nicht geschrieben steht

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