Читать книгу Gegen den Strich - was so noch nicht geschrieben steht - Eckhard Lange - Страница 7
NOAH (1. Mose 6-8)
ОглавлениеJa, ich wurde gerettet,
verschont von den Fluten,
weil ich gehorsam war
und die Arche baute
inmitten des Trocknen.
Verspottet von allen -
denn lächerlich war, was ich tat -
schnitt ich die Hölzer fachgerecht zu,
bog Spanten und Kiel,
hämmerte Planken darauf,
kalfaterte sie mit Werg und mit Pech,
brachte Decksbohlen auf
mit Luken und Mast,
baute Kammern hinein
und füllte sie mit Vorrat.
Doch glaubt nicht, was gesagt wird!
Nie hätte ich die Menge der Tiere
in meiner Nußschale
versammeln können.
Auch kannte ich kaum alle Arten,
die der Mensch sich gezähmt hat,
zu schweigen von allem,
was in Wald und Steppe,
in Gebirg und in Wüsten
sich tummelt.
Meine Familie zu retten,
das war mein Ziel,
und mitzunehmen, was wir brauchten
an Saatgut und Zuchtvieh.
Schon so wurde es eng in der Arche.
Glaubt auch das nicht,
daß der ganze Erdkreis
damals versank in den Fluten.
So blieben Pflanzen und Tiere
in ausreichender Zahl
erhalten für später,
auch wenn der Regen
gewaltig herabkam;
auch wenn die Flüsse
zum See sich weiteten,
Schlammassen wälzten
und sturzflutend
alles fortrissen,
alles begruben;
auch wenn das Meer
seinen Spiegel hob
und die Küsten vergaß,
sich ergoß in das Land
mit machtvoller Flut.
Aber das alles wußte ich nicht,
als der Auftrag erging,
die Arche zu bauen.
Ja ich vertraute darauf,
daß sinnvoll war, was unsinnig schien.
Gehorsam war ich, kindlich naiv.
So wehrte ich ab, was die anderen sagten,
kopfschüttelnd, lachend,
höhnend und lästernd.
Doch auch ich fragte mich oft,
ob ich wirklich begriffen,
was der EINE befahl.
Sollte ich nicht eher
die Menschen warnen,
ihnen Wege zeigen,
dem Unheil zu entfliehen?
Sollte ich nicht besser
zur Buße rufen,
zur Besserung mahnen,
um abzuwenden,
was ich für unabwendbar hielt?
Und noch heute frage ich mich zweifelnd:
War das mein Auftrag,
mich selbst nur zu retten
statt zum Retter zu werden
für viele?
Denn als das Unglück hereinbrach,
als die Fluten stiegen
und die Menschen angstvoll
aufs Höhere flohen,
um auch dort zu erkennen,
daß nur erneute Flucht
vielleicht Rettung bringt,
als sie fortgerissen wurden,
schreiend,
vergeblich sich klammernd
an alles, was mit ihnen schwamm,
als sie um Hilfe schrien
und verzweifelt
unsere Arche umschwammen,
sich dorthin zu retten versuchten,
während wir,
genauso verzweifelt,
sie zurückstießen in den sicheren Tod -
da erschrak ich zutiefst
über das, was geschah -
mit den anderen
und auch mit mir:
Schuldig fühlte ich mich
am Elend der andren,
nur mit Schuld beladen
würde ich überleben können.
War es das, was der EINE wollte?
Was da geschah, gewaltig und grausam,
entsetzlich und unbarmherzig,
den Söhnen erklärte ich es,
selber nur zweifelnd,
als den Willen des EINEN.
So habe ich ihnen
den Glauben genommen
an einen gütigen Gott,
den ich doch selbst
sie gelehrt hatte.
Wäre es nicht besser gewesen,
von Katastrophe zu reden
und von der Gewalt der Natur,
die über uns kommt ohne Sinn,
ohne Verantwortung,
nicht haftbar zu machen für ihre Folgen,
denen wir ausgeliefert sind,
hilflos,
als den EINEN ins Spiel zu bringen
und ihn so
zum grausamen Rächer zu stempeln,
zum gnadenlos richtenden Herrn,
statt ihn mitfühlend-hilflos
zum bloßen Zuschauer zu machen,
machtlos vielleicht,
aber dafür gütig und liebend?
Denn wenn es Strafe war
für menschliches Fehlen,
warum traf sie nicht auch uns?
Waren wir besser als jene,
die in den Fluten versanken?
Ja, es stimmt:
Ich war fromm gewesen seit meiner Jugend,
doch was will das schon heißen!
Ich habe Lieder gesungen zur Ehre Gottes
und Opfer gebracht dem EINEN.
Aber war ich dabei besser als all die andern?
Auch ich bin an manchem Bettler
gabenlos vorübergegangen,
weil ich mir gerne
sein Gejammer als Lüge erklärte.
Auch ich habe den Vorteil gesucht
beim Verkauf meiner Waren,
und habe mein Weib nicht immer
von Herzen geliebt.
Mag sein, es waren nur läßliche Sünden,
aber schuldlos, gerecht -
das war ich wohl nie.
Warum also wollte der EINE
nur mich bewahren
für einen neuen Beginn?
Wenn es Gnade sein sollte,
dann war sie unrecht und grausam.
Ja, seine Gnade erst
hat mich schuldig gemacht,
hat mich zum Mörder gemacht
an unzähligen Toten.
Nicht einen habe ich herausgezogen
aus den tödlichen Fluten,
verschlossen hielt ich
die rettende Arche,
taub war mein Ohr für die Schreie
der elend und hilflos Ertränkten.
Inmitten meiner Rettung
wurde ich so wie die andern,
wurde mein Herz böse, gnadenlos, kalt.
Ist es das, was wir lernen sollten,
wir, das Menschengeschlecht?
Auch der scheinbar so Fromme
ist verstrickt in die Schuld,
ja, erst sein Frommsein
macht ihn schuldiger noch
als die andern.
Und dem gnädig Geretteten
wird keine Rettung zuteil,
sondern Schuld aufgehäuft,
unverzeihliche, untragbare Schuld.
Ich habe dem EINEN Opfer gebracht,
damit die Söhne, die Frau ihm Dank sagen konnten,
aber mein Herz schrie vor Verzweiflung
über mich selbst und auch über IHN.
Hätte ich doch nie
diese Arche gebaut,
wäre ich doch ungehorsam geworden
dieses eine Mal,
und wäre ich so untergegangen in der Flut -
ich hätte es angenommen als Strafe,
oder als unerforschlichen Willen,
als freie Tat eines freien Gottes,
der mir nicht Rechenschaft schuldet.
Aber wie soll ich dieses Leben annehmen,
jetzt, da alles vorüber,
jetzt, da meine Schuld unermeßlich geworden
und mein Glaube grundlos und haltlos,
jetzt, da mir nichts geblieben
als Verzweiflung und Furcht?
Ich sehe den bunten Bogen am Himmel,
die Brücke hinüber in eine andere Welt,
die Brücke zu IHM.
Wie gern möchte ich sie betreten,
möchte mich bergen in SEINER Güte,
wie ich es vorher doch konnte -
aber sie wird mich nicht tragen.
Ich weiß es.