Читать книгу In einer fernen Zeit - Elena Risso - Страница 20
ОглавлениеKapitel 16: Noch ein wenig mehr Indien, Teil 2 - Luft
Rosa wollte nun mehr. Mehr von Shakhil, mehr Traum und mehr Zentrierung. Es war noch früh am Morgen. Rosa entschloss sich zu einem Bummel über den Basar in der Stadt. Aurora begleitete sie. Aurora war sehr froh, dass es Rosa wieder gut ging. Es war doch alles sehr aufregend gewesen. Die beiden hatten weit schwingende Tücher in prächtigen Farben um. Und sie schlenderten von einem Stand zum anderen. Hier gab es Tee, dort gab es Süßes. Die Gerüche waren intensiv und die Stimmen laut. Von überall her gab es Eindrücke. Rosa war ganz davon eingenommen und versuchte alles in sich aufzunehmen.
Weil Rosa etwas zurück blieb, wurden die beiden voneinander getrennt. Auf einmal war Aurora weg. Damit begann für Rosa ein weiteres Abenteuer in Indien mit recht ungewissem Ausgang. Immer verbreitete Rosa eine Spur von Panik. So auch in diesem Augenblick. An einem Stand war ein besonders großes Gedränge. Um besser sehen zu können, beugte sich Rosa etwas zu weit über die Gewürze Indiens. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte in schwarzen, gemahlenen Pfeffer. Ihre Sinne gerieten vollkommen durcheinander. Ihr Inneres schien zu explodieren. Ihre Augen brannten wie Feuer, ihre Nase schmerzte bis ins Gehirn und ihr Gaumen war gleichsam verschlossen; Rosa rang nach Luft und diese Luft war eine einzige Gewürzwolke. Um sie herum begannen die Menschen zu rennen. Wenn Gewürze verschüttet werden, bedeutet dies, dass ein großes Unglück nahen würde. Rosa war mal wieder einer Ohnmacht nahe. Sie hasste es einfach, allein zu sein. Diesmal war es Aurora, die sie verlassen hatte. In einem der Zelte, die neben den Ständen aufgebaut waren, kam ein großer, schlanker Mann heraus. Rosa glaubte ihn zu kennen: Shakhil? Der Mann war fast komplett verschleiert. Er trat an Rosa heran, beugte sich über sie und pustete mit seinem heißen Atem allen Pfeffer von ihren Lippen, Liedern und ihrer Nasenspitze. Es war wie in Zeitlupe; Rosas Haar scheitelte sich und von allen Seiten stieb der Pfeffer von Rosas Gesicht, so dass die ihre Gesichtskonturen wieder sichtbar wurden - Hauch für Hauch. Sodann regnete es Gewürze über dem Basar. Die Menschen rannten noch immer.
Rosa atmete auf und holte Luft - tief, tiefer ging ihr Atem bis weit in ihr Inneres. Sie gab sich so viel Raum wie nie zuvor. Alle Luft Indiens strömte in sie hinein. Beim Ausatmen stand Rosa auf und stöhnte laut. Es war ein großer Gesang, der über ihre Lippen kam und der ihr neues Leben verkündete. „Siehst du, du kannst es alleine. All die Luft ist nur für dich gemacht, nimm sie dir einfach ohne zu fragen und zu zögern.“ Shakhil sprach nur diese Worte und verschwand dann so schnell, wie er gekommen war.
Rosa öffnete ihre Augen und sah sich um. Es war kein Mensch mehr auf dem Basar. Sie kannte sich nicht aus und folgte ihrer Intuition. Denn ihre Lektion war noch nicht beendet.