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Der Wind überfällt mich sofort, als ich aus dem Auto steige. Er ist eiskalt. Ich habe nicht daran gedacht, eine Mütze aufzusetzen; wusste zwar, dass es windig ist, doch als ich die hundert Meter vom Haus zum Wagen ging, war es nicht halb so schlimm. Jetzt, wenige Straßen weiter stadtauswärts, überrascht mich die Eiseskälte, die Häuserblocks stehen nicht so nah beieinander, nirgends gibt es Schutz. Mit gesenktem Kopf kämpfe ich mich vorwärts. Trotz der Lederhandschuhe sind meine Finger völlig klamm, als ich, die Einkaufstasche in der Hand, die provisorischen Marktstände erreiche. Aufeinander getürmte Kisten und Kartons. Die Frauen und Männer dahinter sind dick vermummt. Mit hochgezogenen Schultern stampfen sie sich die Füße auf der festgefrorenen Erde warm. Sie flachsen miteinander. Die Wodkaflasche kreist. Unschlüssig laufe ich die Reihe entlang, sehe nur das übliche Angebot an Äpfeln, schmutzigen, noch nicht von der Erde gesäuberten Karotten, Kohl und Kartoffeln. Hier und da Rote Bete, Zwiebeln. Weiter vorn einige Säcke mit Walnüssen, eine Steige Backpflaumen, ein Pappkarton mit Mandarinen, hell leuchtende Boten aus einer anderen Welt. Auf einem Tisch liegen geräucherte Putenschenkel und Speck, daneben getrockneter Fisch, Dosen mit Ölsardinen, Brot. Vor dem Tisch auf dem Boden sind auf Zeitungspapier Petersilienwurzeln und ein paar Stangen Lauch ausgebreitet. Am nächsten Stand gibt es Eier, Butter in großen Klumpen und ein Fass Sonnenblumenöl, aus dem mit Schöpfkelle und Trichter die mitgebrachten Flaschen aufgefüllt werden.

Als ich mich umdrehe, um zurückzugehen, bläst mir der Wind derart ins Gesicht, dass meine Augen zu tränen beginnen. Die Kälte macht mich ungeduldig und missmutig. Ich friere entsetzlich. Es ist wie so oft, wenn ich an diesen Ständen entlanggehe; mein verwöhntes Auge sucht nach farbigen Kontrasten, nach sorgfältigen Arrangements, nach Vielfalt. Auf nichts, was ich hier sehe, habe ich Lust, nichts animiert mich zum Kaufen. Auf Brokkoli würde ich mich jetzt stürzen, auf Rosenkohl, ich würde Wirsing kaufen oder Sellerie, Feldsalat oder Chinakohl, es geht mir ja gar nicht um exotische Genüsse, ich würde heißhungrig nach allem greifen, was mich dieses ewige Einerlei aus Karotten, Kartoffeln, Roten Beten und Weißkohl vergessen macht. Ich hätte zum Zentralmarkt fahren sollen, unter dessen überdachten Standreihen man nicht ganz so schonungslos Kälte und Wind ausgesetzt ist. Meine Stimmung hat die Null-Grad-Grenze unterschritten. Dabei ist es erst November. Und es wird den ganzen Winter lang nicht besser werden.

Kurz bevor ich wieder am Auto bin, drehe ich noch einmal um und kaufe doch noch drei Stangen Lauch. Als ich sie in die Tasche stecke, fällt mein Blick auf die Kiste mit Flaschen, die unter dem Tisch steht.

»Aveţi vin

Von dem Wein, den Rudi Pacher gestern mitgebracht hat, ist nichts mehr da. »Nu, nu am vin. Este Rakiu

Na gut, dann eben Rakiu. Was sein muss, muss sein.

Fast erstarrt vor Kälte klemme ich mich wieder hinters Steuer und versuche erst einmal meine fast abgestorbenen Finger dazu zu bringen, eine Zigarette zu drehen; mehr schlecht als recht gelingt es schließlich. Während ich den Wagen aus der Parklücke manövriere, muss ich an die übervollen Regale unserer Supermärkte denken. Wenn mir vor einem Vierteljahr jemand gesagt hätte, dass ich mich einmal danach sehnen würde, einen Einkaufswagen vor mir herzuschieben, in Ruhe suchen und auswählen zu können, ohne dabei halb zu erfrieren, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.

Moldawisches Roulette

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