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Vincent war am frühen Abend recht zufrieden mit sich, er war ein gutes Stück vorangekommen und fand das Arbeiten bei Schottenbach ausgesprochen angenehm. Nur diese Verrückte…

Oder vielleicht war sie auch nicht verrückt, wer wusste das schließlich. Er jedenfalls nicht. Und eigentlich ging es ihn auch überhaupt nichts an.

Auf dem Weg nach Hause klingelte sein Handy, das auf dem Beifahrersitz lag. Er warf einen raschen Blick darauf – nein. Für seine Mutter zahlte er nicht vierzig Euro Strafe oder verursachte womöglich einen Unfall. Was dachte sie sich eigentlich? Dass er um Viertel nach fünf nichts Besseres zu tun hatte als sich ins Kreuzverhör nehmen zu lassen?

Zu Hause sah er sich wieder einmal beifällig um: karg, sehr karg. Gut so!

Der Futon allerdings – da wäre ein Bett vielleicht doch auf die Dauer besser? War er schon so alt? Mit gerade mal dreißig? Trüber Gedanke.

Er hatte gerade einen enttäuschten Blick in den Kühlschrank geworfen, als das Telefon wieder loslegte. Resigniert nahm er das Gespräch an und stellte fest, dass seine Mutter in aufgekratzester Stimmung war.

„Hast du etwas getrunken?“, fragte er sofort misstrauisch und ihr helles Lachen (das sie für perlend hielt) bestätigte seine Annahme.

„Warum auch nicht, mein guter Junge? Meine lieben Freundinnen waren gerade zu Tee und Sherry und diesen entzückenden Cupcakes hier und wir haben den köstlichsten Klatsch ausgetauscht!“

Diese exaltierte Sprechweise nervte ihn ganz besonders. Und ihre Freundinnen waren samt und sonders völlig nutzlose Geschöpfe, deren Gesprächsthemen vor allem aus Friseurpostillen stammten – er hatte diese Klatschrunden in seinen späteren Teeniejahren oft genug mitbekommen.

Mama brannte offenbar darauf, ihm diesen Klatsch zu unterbreiten, also durchkreuzte er ihren Plan erst einmal, indem er fragte: „Cupcakes? Sind das nicht diese Kuchen mit haufenweise Sahne und Zuckerschnickschnack darauf? Wolltest du nicht etwas mehr auf deine Gesundheit achten?“

Brummen – das hatte ihre Laune erfolgreich gedämpft. Aber sie musste wirklich aufpassen, ihr Blutdruck war gelegentlich zu hoch, und ihr Blutzucker befand sich auch an der Grenze. Daran hatte sie offenbar selbst gerade gedacht, denn sie fragte mürrisch: „Soll ich meinen Gästen etwa harte Eier servieren? Du kannst einem wirklich jeden Spaß verderben! Aber weißt du, was ich gehört habe?“

Er resignierte. „Spuck´s schon aus!“

„Sei nicht so ordinär!“

Leider ließ sie sich nicht auf diesen Pfad locken, sondern kicherte wieder animiert: „Du kennst doch Jessica Rother, oder?“

„Nein. Wer soll das sein?“

„Aber Junge! Die Schauspielerin!“

„Hilf mir mal, wie sieht sie aus? Sexy?“

„Vincent, bitte! Hast du gar nichts anderes im Kopf? Jessica Rother ist bestimmt so alt wie ich.“

Enttäuschend: Seine Mutter war immerhin zweiundsechzig.

„Sie war mal mit Wolfgang Schottenbach verheiratet!“

„Ach – und das war dir neu? Ich denke, Schottenbach ist dein Jugendfreund? Hat er dich etwa nicht zur Hochzeit eingeladen?“

„Sie haben nicht hier geheiratet, sondern in Kalifornien. Und ich konnte nicht hin, weil ich nicht wusste, wo ich dich lassen sollte. Natürlich war ich eingeladen!“

Ach, jetzt war er also schuld? Aber auf diesen Nebenkriegsschauplatz ließ er sich nicht locken!

„Kalifornien? Sag bloß, diese Jessica Wie-auch-immer hat es bis nach Hollywood geschafft?“

Seine Mutter schnaubte vernehmlich und eindeutig verächtlich. „Wollte sie wohl gerne. Ich wüsste nicht, dass sie jemals auch nur Probeaufnahmen gemacht hätte. Sie hat sich einfach dort herumgetrieben und wahrscheinlich jedes Casting mitgemacht. Na, und Wolfi hatte dort was mit Computern zu tun.“

„Gab´s die damals denn schon?“, konnte Vincent sich nicht verkneifen.

„Junge, das war – lass mich nachdenken – das muss fünfundachtzig gewesen sein. Da gab´s doch schon Computer. Oder?“

„Ja, den Commodore 64 vielleicht. Moment, Microsoft und IBM haben sich 1980 zusammengetan… okay, du hast Recht – aber ich wette, du hattest noch keinen Rechner!“

„Wozu auch? Aber jetzt lenk mich nicht dauernd ab!“

Ob sie noch wusste, was sie eigentlich erzählen wollte? Er grinste in sein Telefon.

„Lachst du über mich?“

„Aber nein!“

„Mir ist gerade was eingefallen – wo hat Jessica damals eigentlich ihre Kinder gelassen?“

„Kinder? Wieviele hat sie denn?“

„Aha, das interessiert dich also?“

Mist, verdammter.

„Nein. Also?“

Jetzt grinste seine Mutter. Hörbar!

„Sie hat zwei Buben, die waren damals – na, vielleicht acht oder so. Nein, natürlich sind die nicht von Schottenbach! Die waren von ihrem ersten Mann, verflixt, wie hieß der gleich wieder…“

„Das ist doch jetzt echt egal. Mama, was zum Henker wolltest du mir eigentlich erzählen?“

„Marow!“

„Was? Mama, wie viele Sherrys hattest du denn bitte?“

„Drei. Spiel hier nicht den Moralapostel, ausgerechnet du!“

Was sollte das denn heißen?

„Der erste Mann hieß Marow. Von dem sind die Buben. Und von Schottenbach hat sie dann diese Tochter bekommen, wie heißt die gleich wieder…“

„Judith. Ist das schon Alzheimer? Die wolltest du mir doch schon unterjubeln, du alte Kupplerin.“

„Ach, du weißt, wie sie heißt?“

„Mama, ich arbeite bei Schottenbach. Übrigens wie du es wolltest, also sei doch endlich mal zufrieden. Ich weiß von allen Leuten in der Entwicklung, wie sie heißen, und die Schottenbach hat ihr Büro ja auch dort.“

„Entwicklung?“

„Software? Mama, bitte, mach nicht einen auf oldschool!“

„Was? Ach so, diese Computerprogramme! Was hat das jetzt damit zu tun?“

„Womit? Ich weiß immer noch nicht, was du mir an köstlichem Klatsch erzählen wolltest, und allmählich werde ich hungrig, ich müsste noch einkaufen.“

„Aber Junge, komm doch zu mir, ich koch dir was… Wie wär´s mit Käsespätzle, die magst du doch so gerne?“

„Lass das Mästen, Mama. Kasspatzen hab ich vielleicht mit fünfzehn mal gemocht, aber ich bin schon länger nicht mehr im Wachstum. Ich hole mir jetzt vielleicht ein schönes Steak. Oder Spaghetti mit scharfer Sauce, mal sehen. Also, komm zu Potte – was wolltest du mir über diese abgetakelte Schauspielerin erzählen?“

„Wieso abgetakelt?“

Vincent hätte sich in den Hintern treten mögen – jetzt hatte er sie doch schon wieder auf ein Nebengleis gesetzt!

„Mein Gott, über sechzig und nicht gerade prominent – ach, egal. Was ist jetzt?“

„Sie hat doch diese Tochter, nicht?“

„Ja doch, Judith Schottenbach, die Juniorchefin. Was soll mit der sein?“

„Juniorchefin, wirklich? Das wundert mich jetzt…“

„Und, warum wundert dich das?“ Im Ton grenzenloser Langmut, der an Mama natürlich komplett verschwendet war.

„Es heißt, sie hat psychische Probleme, offenbar ist sie völlig gestört. Na, das ist bei Promikindern wohl auch nicht so selten…“

„Was für ein Bullshit“, kommentierte Vincent rüde. „Erstens ist die Olle ja wohl auch nicht so wahnsinnig prominent, und zweitens macht die Schottenbach einen ganz vernünftigen Eindruck. Woher hast du den Scheiß denn?“

„Junge, deine Ausdrucksweise!“

„Immer passend zu den Falschaussagen. Also?“

„Von Greta – und die ist immer gut informiert!“

„Ist das die, deren Tochter so eine Hilfsmaus bei diesem Krawallblatt ist? Dann ist doch garantiert alles erstunken und erlogen!“

„Ihre Annika ist Redaktionsassistentin bei HOT!, wenn du das meinst“, erklärte seine Mutter etwas steif.

„Ja, sag ich doch. Und woher will HOT! das haben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mit der Schottenbach gesprochen haben, und wenn, sagt sie höchstens etwas über unsere aktuellen Projekte, was HOT! natürlich gar nicht interessieren würde, dieses oberflächliche, verlogene, sensationsgeile Käseblatt.“

„Warum verteidigst du sie so?“

„Ach herrje, Mama! Ich verteidige jeden, der in die Fänge der Boulevardpresse gerät! Ich würde denen jedenfalls nur Lügengeschichten erzählen, wenn ich jemals etwas gefragt würde. Passiert glücklicherweise nie.“

„Kennst du Annika Hilmeyer nicht sowieso?“

„Keine Ahnung, woher sollte ich denn?“

„Ich weiß es nicht, vielleicht wart ihr auf der gleichen Schule? Du könntest das mal rauskriegen und vielleicht Kontakt zu ihr aufnehmen…“

„Wozu das denn? Sag mal, hast du echt Angst, ich könnte schwul sein, weil du mich jeder Tussi wie Sauerbier anbieten willst? Was soll ich mit einer Rotzgöre, die für HOT! arbeitet?“

„Nicht heiraten! Herauskriegen, ob es stimmt, dass Wolfgangs Tochter eine Psychose hat!“

„Eine Psychose, ja? Weißt du überhaupt, was das ist?“

„Na, eine Macke halt.“

„Wie gut, dass du nicht im medizinischen Bereich arbeitest, so wenig Ahnung, wie du hast. Nein, das mach ich nicht. Diese Annika interessiert mich nicht die Bohne und die eventuellen Probleme der Schottenbach gehen dich einen feuchten Kehricht an. Schön formuliert, gell? Und mich interessieren sie auch nicht. So, und jetzt wünsche ich dir einen schönen Abend und gehe Essen besorgen.“

Damit schaltete er aus, legte das Handy beiseite und rieb sich sein heißes Ohr. Ein Wunder, dass es überhaupt noch da und nicht völlig abgekaut war!

Und sein Magen knurrte bedrohlich.

Auf dem Weg nach draußen entdeckte er auf dem Briefkastenblock einen Stapel Pizzaflyer und steckte für weitere Notfälle einen ein, aber jetzt war ihm nicht nach Pizza. Steak? Er hatte nicht einmal eine Pfanne und keine Lust, sich eine zu kaufen. Salat? Mädelsfutter. Spaghetti? Nö.

Immerhin angenehm, dass er auch in dieser Hinsicht seine Mutter in die Irre geführt hatte! Je weniger sie über ihn wusste, desto weniger traf ihn ihr Gemecker. Nicht so wie früher, als ihre dauernde Kritik an seinen Noten, seiner Kleidung, seinem Musikgeschmack, seinen Tischmanieren, seinem Freizeitverhalten ihm das Gefühl gegeben hatten, ein völlig missratener Sohn zu sein. Eine einzige Enttäuschung. Am schlimmsten: Du bist genau wie dein Vater!

Er kannte seinen Vater kaum noch, denn seine Eltern hatten sich getrennt, als er sechzehn gewesen war, und sein Vater hatte die Firma verkauft, war nach Südfrankreich gezogen und hatte die Erbin eines Weinguts geheiratet.

Vincent gab, während er Richtung Altstadt trabte, ein verächtliches Geräusch von sich: In einem dieser Kitschfilme, die sonntags im Fernsehen kamen, müsste er jetzt dort hinreisen, seinen Vater suchen, sich mit ihm versöhnen, sich erst in die falsche Frau (nämlich seine Halbschwester) verlieben und dann in die richtige. Kuss, Abblende.

Er hatte aber kein besonderes Interesse an seinem Vater, also dachte er nicht daran, ihn zu suchen. Was Mama ab und zu von einer Postkarte berichtete, reichte ihm schon. Außerdem wäre er wegen Französisch mehrmals beinahe durchgefallen, also fuhr er im Urlaub lieber nach Italien, dort konnten sie Deutsch. Oder Englisch. In Englisch war er ganz gut, kein Wunder nach einem Jahr USA.

Ergebnis dieser Familiengeschichte: Er als einziger Sohn einer gluckenhaften Mutter, die sonst nichts zu tun hatte als ihren Sohn zu belästigen, denn sie hatte genug geerbt, um sich ein bequemes Leben ohne Arbeit leisten zu können.

Ab und zu hatte sie schon gedroht, ihn zu enterben, wenn er nicht so lebte, wie sie es sich vorstellte. Zu ihrem beträchtlichen Ärger war ihm das ziemlich egal, er hatte wenig Bedürfnisse und verdiente an seinen Apps recht ordentlich.

Im Supermarkt fuhr er alle Regale ab, aber nichts reizte ihn. Was war nur mit ihm los, dass er gar keinen Appetit hatte, sehr wohl aber Hunger, und das gewaltig?

Schlechte Laune? Musste er an Mamas fettige Kasspatzen denken? Schon bei dem Gedanken wurde ihm leicht übel. Schließlich entdeckte er ein argentinisches Steakhouse. Ja, das war das Richtige.

Gesättigt und zufrieden trat er nach einer Stunde wieder auf die Straße. Gut, aber das konnte er nicht jeden Tag machen, das war ihm zu teuer. Und irgendwie war es auch dekadent.

Halb acht – die Läden hatten gerade noch auf! Am Fuggerplatz gab es hinter dem Drogeriemarkt auch einen Supermarkt, und jetzt fiel ihm auch mehr ein, als er den Wagen durch die Gänge schob. Wurst, Käse, Gurken, Thunfischpaste, hartgekochte Eier, Tomaten – auch etwas Warmes? Na gut, zwei Pakete Spaghetti und zwei Gläser Pesto. Das konnte er gerade noch! Dann brauchte er aber auch noch Parmesan, fertig gerieben, sonst musste er sich auch noch so eine Reibe kaufen. Zurück zum Käseregal!

Dort stand eine Frau vor den Näpfchen mit dem gewürzten Magerquark und bewegte sich nicht.

Er räusperte sich.

Nichts.

„Darf ich bitte mal?“

„Oh, Entschuldigung!“ Sie trat sofort zurück und drehte sich um. „Guten Abend – was machen Sie hier?“

Judith Schottenbach?

„Wonach sieht´s denn aus?“, entgegnete er. So eine bescheuerte Frage aber auch!

„Ja, klar. Ich hab mich nur gewundert…“

„Worüber?“

Sie winkte ab. „Nichts. Nur ein Denkfehler. Wohnen Sie hier?“

In einem Ton wie Dann muss ich aber schleunigst wegziehen! Er ärgerte sich noch mehr. Vielleicht stimmten die Gerüchte seiner Mutter doch und die Frau hatte einen an der Klatsche?

„Nicht ganz. Etwas weiter Richtung Norden. Und Sie?“

Sie nickte nur und griff nach ihrem Wagen. Vincent warf einen Blick hinein – Äpfel, Quark, Tomaten und eine Tube Sahnemeerrettich.

„Sonst nichts?“, entfuhr es ihm.

Sie zuckte die Achseln. „Was denn noch? Ich habe sowieso keinen Hunger.“

„Also, ich würde davon noch hungriger“, gestand er. Sie lächelte flüchtig. „Ich nicht.“

„Nun, vielleicht ist das auch kein Wunder. Wenn ich mich an die Szene heute Mittag erinnere…“

„Wie bitte?“

„Nun, so ein Schreck kann einem doch auf den Magen schlagen?“, erklärte er, etwas konsterniert, weil sie so abweisend dreinsah.

„Sie kennen die Situation doch gar nicht!“

„Das stimmt. Wollen Sie mir erzählen, worum es eigentlich ging?“

Sie starrte ihn an. „Nein. Besser nicht.“ Damit schob sie ihren fast leeren Wagen entschlossen weiter und verschwand im Putzmittelgang.

Vincent sah ihr verdutzt nach. Und wegen dieser Zicke hatte er seine Mutter belogen? Nun, deshalb hatte er nicht wirklich Gewissensbisse, aber Mama hatte wohl doch recht: Die Schottenbach war gestört!

Nachdenklich schob er seinen Wagen zur Kasse, zahlte, verräumte seine Einkäufe, besorgte sich einige Semmeln mit Kürbiskernen darauf und brachte den Wagen zurück, ohne dabei einen klaren Gedanken fassen zu können.

Vielleicht war sie einfach nur unfreundlich? Nein, als er sich vorgestellt hatte, war sie höflich, sachlich, freundlich gewesen. Nicht gerade herzlich, gut, das war wohl nicht in ihrem Wesen angelegt.

Es musste etwas mit diesem Kerl vor der Firmentür zu tun haben. Ein Stalker vielleicht? Aber der war doch schon ziemlich alt gewesen – machten das nicht eher Jüngere, jemanden stalken?

Und wenn er einer war, konnte man nicht ein Abstandsgebot erwirken?

Er schlenderte zur Ampel und wartete, da sie gerade auf Rot gesprungen war. Der stumme Verkäufer des MorgenExpress titelte Entführer wieder auf freiem Fuß, das knallrote Ding von HOT! war natürlich schon leer, bis auf die üblichen Teppichprospekte.

Das brachte Vincent darauf, dass man eigentlich nachts ausgewähltes Altpapier in die HOT!-Kästen werfen sollte… Nein, Quatsch. Er war nicht mehr vierzehn und man belästigte bloß die armen Schweine, die diese Kästen zu befüllen hatten. Oder die warfen den Müll einfach auf den Boden, dann traf es die Stadtreinigung. Schnapsidee – und jetzt hatte er wegen dieser bescheuerten Idee die Grünphase verpasst!

Abendverkehr auf dem Fuggerplatz. Er sah sich müßig um und entdeckte die Schottenbach, die mit ihren mickrigen Einkäufen aus dem Laden trat und ihn glücklicherweise noch nicht gesehen hatten. Er beobachtete sie mit halb abgewandtem Gesicht aus dem Augenwinkel und stellte fest, dass sie sehr zügig in die Reuchlingasse einbog. Er ließ die Ampel Ampel sein und folgte ihr in sicherem Abstand, was gar nicht so schwer war, weil sie nahezu im Laufschritt unterwegs war. Fühlte sie sich verfolgt? Hatte sie Angst? Vor diesem Stalker? Den sah er allerdings hier nirgendwo.

Wie musste jemand gestrickt sein, wenn er sich so blöd vor die Tür stellte, dass sein Opfer nur loskreischen konnte? Musste man da nicht einsehen, dass die Liebe nicht erwidert wurde?

Aber Stalker hatten ja wohl auch eine Störung… Da, jetzt bog sie in eine Hofeinfahrt ab. Er blieb stehen und wartete sicherheitshalber einige Minuten, dann näherte er sich vorsichtig. Nummer elf, aha. Und im Hof gab es ein Rückgebäude, ähnlich dem, in dem er selbst wohnte, glatte Fassade, kleinteilige Fenster.

Im Vordergebäude wohnte niemand namens Schottenbach, also schlich er durch die Höfe zum Rückgebäude und studierte die Klingeltafel. Da, tatsächlich: Im dritten Stock stand auch Schottenbach. Ohne Vornamen, aber immerhin. Er hätte fast schon erwartet, dass Mrs. X auf Klingelschild und Briefkasten stand.

Andererseits wollte die arme Frau ja wohl wenigstens mal Post kriegen!

Dann mal schnell weg hier, bevor sie ihn noch entdeckte und wieder loskreischte – oder ihn feuerte, weil sie sich verfolgt fühlte!

Ein gestörtes Verhältnis

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