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Als sie am nächsten Morgen ihr Büro betrat, etwas später als sonst, weil sie noch rasch ihren Wagen aus der Werkstatt geholt hatte, lag eine Zeitung auf ihrem Schreibtisch.

Schauspielertochter beschimpft die Presse, lautete die Schlagzeile, und natürlich wurde bereits in der Unterzeile ihr Name genannt.

Scheiße.

Wenn es Jessicas Ruf schädigte, war es ihr ziemlich egal (bis auf die lästigen Diskussionen natürlich), aber wenn sie ihren Namen ausschrieben, betraf das auch die . Vielleicht sollte sie über eine Gegendarstellung – in einer einigermaßen seriösen Zeitung, vielleicht dem MorgenExpress – nachdenken. Später konnte sie das mit Papa bereden, erst einmal lag Dringenderes an.

Sie las aber trotzdem den Artikel, mit dem sich ihrer Ansicht nach diese Volontärin (oder was immer das Huhn an Rang bekleidete) selbst ins Knie gefickt hatte: zunächst halbherzige Mutmaßungen über ihr Verhältnis zu Schmiedl, zum Teil direkt justiziabel, am besten rief sie nachher gleich Ulli Petzl an. Es folgten Klagen darüber, dass sie nicht über ihre Gefühle sprechen wollte, und schließlich wieder die Behauptung, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe, in die intimsten Gedanken jedes Menschen eingeweiht zu werden. Damit müsste man eigentlich einen herrlichen Shitstorm erzeugen können, überlegte Judith. Leider war sie aus naheliegenden Gründen in keinem sozialen Netzwerk.

Das ließe sich ja nachholen, unter einem falschen Namen natürlich… später. Von ihrem Bürorechner aus ging so etwas leider gar nicht. Von zu Hause aus? Oder sollte sie besser das Internet-Café in der Peutingergasse nehmen?

Zunächst rief sie Ulli Petzl an und vereinbarte einen Termin, dann kümmerte sie sich um ihre Tagesaufgaben, bereitete ein Meeting vor, begutachtete Vorschläge aus der Entwicklung und war gerade so richtig in ihre Arbeit vertieft, als es an der angelehnten Tür klopfte.

Sie sah auf und lächelte. „Papa! Guten Morgen!“

„Na, Guten Morgen? Es ist Viertel nach elf. Seit wann bist du hier?“

„Hm, ich glaube seit kurz vor acht… warum?“

„Schau mal aus dem Fenster, Judith!“

Sie eilte ans Fenster und prallte zurück. „Ja, Scheiße!“

„Aber Judith!“

„Ist doch wahr! Das hat mir diese blöde Ziege von HOT! eingebrockt, wetten?“

„Die auch diesen gehässigen Artikel geschrieben hat? Durchaus möglich. Unser Syndikus arbeitet bereits an einer Unterlassungsklage. Steht dein Wagen in der Tiefgarage?“

„Ja, Gott sei Dank. Mittagessen muss ich mir wohl liefern lassen. Verdammt, warum gehen alle davon aus, dass ich jetzt in ihre Mikros schluchze, weil Schmiedl wieder auf freiem Fuß ist? Ich könnte das Ganze doch längst verarbeitet haben?“

Wolfgang Schottenbach lächelte etwas trübsinnig. „Und? Hast du es denn wirklich verarbeitet?“

„Ich versuche, nicht mehr daran zu denken. Und mir geht es doch auch wieder ganz gut… ich bitte dich, nach zwölf Jahren!“

„Zwölf Jahre, in denen du jeden engen Kontakt zu anderen Menschen meidest und dich so wenig wie möglich draußen bewegst?“

„Ich mag´s halt so.“

„Judith“, seufzte ihr Vater, „du belügst dich doch selbst. Willst du nicht doch mal über eine Therapie nachdenken?“

„Wozu denn? Funktioniere ich nicht gut?“

„Das ist billig, Judith! Du weiß genau, dass es mir – und auch deiner Mutter – nicht nur darum geht, dass du funktionierst. Wir wollen dich doch glücklich sehen!“

Das wäre aber seit Jahren das erste Mal, dass die beiden das Gleiche wollten, grummelte Judith im Stillen. Aber vielleicht hatten sie ja auch völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, was man unter einer glücklichen Tochter zu verstehen hatte?

„Ich bin ganz glücklich, danke. Oder ich wäre es, wenn ich diese Schmeißfliegen vom Hals hätte.“ Sie zeigte nach draußen. „Vielleicht bin ich einfach kein geselliger Mensch.“

„Vorher warst du das durchaus, Judith. Hör auf, das Offensichtliche zu verdrängen, das tut dir nicht gut.“ Er musterte das rebellische Gesicht seiner Tochter und seufzte. „Gut, lassen wir das. Vorerst! Was hast du aus der Entwicklung gehört?“

Judith bot ihrem Vater mit einer eleganten Bewegung einen Platz am Besprechungstisch an, holte ihre Unterlagen vom Schreibtisch und setzte sich ihm gegenüber. „Das Update von cashware ist ganz im Zeitplan. Damit sollten alle Macken der alten Version behoben sein, und die Verschlüsselung ist auch stark verbessert worden. Testen muss man es natürlich noch – wenn es denn mal fertig ist, aber dafür haben wir ja unsere freundlichen Junghacker.“

Schottenbach grinste. „Nur gut, dass die auf der richtigen Seite stehen! Wie steht es mit countware?“

„Hat bis jetzt ungefähr die Hälfte aller Features. Ich treffe mich nach dem Marketing-Meeting auch mit den Entwicklern. Irgendwo hängen sie offenbar, jedenfalls haben sie so etwas angedeutet, und vielleicht fällt mir ja etwas ein, auch wenn ich da mehr die Theoretikerin bin.“

„Du wärst sicher auch eine gute Entwicklerin geworden.“

Judith grinste. „Organisieren ist aber doch noch einen Touch interessanter. Vor allem in einer so tollen Position.“

„Warum soll ich dir keine tolle Position geben? Du bist a) top ausgebildet, hast es dir b) durch harte Arbeit verdient und bist c) meine natürliche Nachfolgerin.“

Judith lächelte ihm zu und kam zum nächsten Punkt.

Ein gestörtes Verhältnis

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