Читать книгу Schluss mit lustig! - Elisa Scheer - Страница 10
IX
ОглавлениеJe mehr Marc mich mit den Eigenschaften seiner Traumfrau anödete, desto sicherer war ich, dass diese mir unbekannte Lici genau die Richtige für ihn sein musste. Natürlich verriet ich ihm nichts dergleichen, sondern scheuchte ihn nur herum und verlangte mit barscher Stimme das passende Werkzeug.
Der Laden brummte wirklich, wir kamen kaum noch damit nach, die gewünschten Ein-, An- und Ausbauten fertig zu entwerfen und bei den Kunden in der kurzen Frist, mit der wir eigentlich zu werben pflegten, aufzutauchen.
Als ich mit Lukas zusammen die Schrankwand mit den intarsierten Türen aufbaute, war es schon so weit gekommen, dass der Schorschi, unsere Hilfskraft, das Telefon bewachen musste, weil Marc bei verschiedenen Neukunden ausmessen und Wunschvorstellungen notieren musste. Hoffentlich blamierte der Schorschi uns nicht am Telefon, manchmal hatte er schon eine recht seltsame Art!
Die Schrankwand war fast drei Meter lang, und während ich den Rahmen aufbaute und wieder einmal erleichtert feststellte, dass er exakt in die vorgesehen Nische passte (ich wartete immer auf den Tag, an dem wir einen Zentimeter zu kurz zugeschnitten hatten – und dann konnte man eine ganze Tür wegschmeißen), bereitete Lukas die Türen vor, auf denen er auf den oberen äußeren Ecken das gewünschte Symbol und in den unteren äußeren Ecken das Monogramm des Kunden angebracht hatte – Kiefer und Nussbaum auf Buche. Ich hielt die Idee für bescheuert, und Lukas fand Intarsien wohl auch eher für Tischplatten passend, aber des Kunden Wille ist sein Himmelreich, und wenn er seine Schranktüren brauchte, um sich zu erinnern, wie er hieß, dann bitte!
Immerhin ließ uns dieser Auftraggeber in Ruhe, baggerte mich nicht an, gewährte Lukas keine Einblicke, die dieser gar nicht wollte, wusste nicht alles besser und hatte auch nicht im letzten Moment die ultimative Idee. Er guckte nur einmal pro Stunde in das Schlafzimmer und nickte billigend, wenn er die Fortschritte gesehen hatte.
Lukas schickte mich mittags zum Metzger, zwei Leberkässemmeln und zwei Flaschen Limo zu holen. Ich kam wieder mit einer Leberkässemmel, einer Flasche Limo, einer Flasche Cola und einem Käsesandwich.
„Du machst ja auch nicht, was man dir sagt“, stellte Lukas kopfschüttelnd fest.
„Soll ich essen, was du magst? Ich mag eben was anderes.“
Er brummte nur, und wir saßen einträchtig auf der Zeitungspapierschicht und verputzten unsere Brotzeit. „Besser als Marc“, stellte Lukas dann fest.
„Was?“ Ich war in Gedanken versunken und hatte nicht aufgepasst.
„Na, man kann neben dir sitzen und einfach nichts sagen. Marc muss die Leere sofort mit Geplapper füllen.“
„Hm. Hat dieser Reimers sich noch mal gerührt?“
„Ja, ich hab abgelehnt.“
„Und?“
„Nichts und. Kein neues Angebot, kein gar nichts. Die werden sich woanders umschauen, denke ich.“
„Die? Weißt du jetzt, wer die sind?“
„Nein. Ich hab gefragt, aber dieser Reimers hat gemeint, wenn ich ohnehin kein Interesse an einem Verkauf habe, muss ich das ja auch nicht wissen. Konnte ich schlecht was dagegen sagen.“
„Stimmt. Na, bloß gut, dass wir so weitermachen können." Ich wandte mich der Innenausstattung zu, Fächer, Stangen, Hemdenschubladen, Körbe, und Lukas brachte an jedem Schrank, den ich fertig hatte, die Türen an. Zu zweit kamen wir gut voran – um fünf war der Schrank fertig, wir wischten ihn aus, Lukas justierte die Türen noch nach und trat ein paar Schritte zurück, um die Gesamtwirkung zu prüfen, bis er über das Bett stolperte und darauffiel. Schnell sprang er wieder auf und glättete die Tagesdecke, etwas Farbe auf den scharfen Wangenknochen. Ich tat, als hätte ich das kaum bemerkt, und bat den Kunden um einen Staubsauger.
„Gutes Projekt“, meinte ich später nur, als wir unseren Kram wieder aus dem Auto luden, „wenn ich auch nicht verstehe, wozu man sein Monogramm auf den Schranktüren braucht.“
„Geht mir genauso.“ Lukas zog sich so schnell wie möglich in sein Büro zurück, und ich sah ihm erstaunt nach. War es ihm tatsächlich peinlich, dass er auf das Bett gefallen war? Himmel, das war mir auch schon passiert! Ich wäre einmal beinahe rückwärts eine Treppe heruntergestürzt, als ich einen Einbauschrank inspizierte und immer noch einen Schritt zurücktrat, ohne mich umzusehen. Marc hatte mich damals gerade noch gepackt.
Durfte das dem Chef nicht passieren? Aber sonst kehrte er den Vorgesetzten doch auch nicht derartig heraus, wir duzten uns, er machte die gleiche Arbeit wie wir – nur die Buchhaltung erledigte er alleine – und lief auch nicht gerade in Anzug und Krawatte herum, sondern immer in schwarzen, leicht eingestaubten Jeans und entsprechenden Sweatshirts in trüben Farben.
Als wir am Freitag die kommenden Projekte besprachen und versuchten, aus Schorschis Telefonnotizen schlau zu werden, betrachtete ich ihn verstohlen. Hatte er irgendeinen Kummer? Mürrisch war er ja immer – hatte sich das gesteigert? Nein, er war doch wie immer, schmal, finster, das extrem kurze dunkle Haar mit ersten grauen Spuren darin, der Nachmittagsbartschatten wie immer, die undurchsichtigen, fast schwarzen Augen wie immer, der nüchterne Ton wie immer. Ungewöhnlich war eigentlich nur sein Heiterkeitsausbruch gewesen, als ich der Naturkonsmetiktante weisgemacht hatte, er hätte sich mit einer Säge kastriert. Das hätte er eigentlich auch mit unbewegter Miene hinnehmen müssen, oder?
Er sah auf und seine Augen hakten sich kurz an meinen fest. Dann runzelte er leicht die Stirn, schüttelte fast unmerklich den Kopf und zog ein neues Formular aus dem Stapel, der vor ihm lag. „Eine Dachwohnung – Schränke in die toten Winkel, so dass der Kniestock etwa einen Meter zwanzig beträgt. Weiß lackiert und so unauffällig wie möglich.“
Ich zog den Plan zu mir herüber und betrachtete die Abmessungen. „Matter Lack, unauffällige Griffmulden. Das soll wohl so aussehen, als sei da nur Wand?“
„Genau. Die Illusion einer leeren Wohnung, aber jede Menge Stauraum. Schaffst du das?“
„Natürlich. Soll ich das am Montag mit der Kundin besprechen?“
„Wenn du bis dahin schon was hast?“
Ich bekam noch zwei weitere Entwürfe, bei denen ich wie üblich nur beten konnte, dass Marc keine Messfehler unterlaufen waren. Warum ich ihm so wenig traute, wusste ich auch nicht – lag es an seinem treuherzigen Welpengehabe?
Als wir fertig waren und unsere Unterlagen einsammelten, fragte Marc: „Soll ich nächsten Freitag was mitbringen?“
„Was? Nein, ich bereite alles vor. Sei nur offen für alles, was dir begegnet, mittlerweile sind es über zwanzig Leute, und ich kenne gar nicht alle selbst.“
„Ich bin fest entschlossen, die Frau meiner Träume kennen zu lernen.“
„Hoffentlich kommt sie auch, und hoffentlich bist du dann auch der Mann ihrer Träume. Erwarte dir lieber nicht zu viel.“
Lukas sah uns verständnislos an. „Steffi macht eine Fete speziell für Singles, nächsten Freitag“, erklärte Marc ihm.
„Ja, weil ich von allen Seiten zugejammert werde, und allmählich reicht es mir. Jetzt werden die Winsler gnadenlos miteinander verkuppelt, und dann ist Ruhe im Karton.“ Lukas schaute immer noch so verständnislos drein. „Wenn du Lust hast, darfst du gerne auch kommen“, bot ich in meiner Ratlosigkeit schließlich an, „ich dachte nur, du magst solche Veranstaltungen gar nicht. Ich meine, du bist doch gar nicht auf der Suche, oder?“
„Bist du´s denn?“
„Um Gottes Willen, nein, ich mach doch die Party für die anderen. Ich werde kuppeln, nicht verkuppelt werden.“
„Also, wenn es dir Recht ist“, Lukas sah mich mit seinem üblichen humorlosen Blick an, „dann komme ich gerne. Auf einer derartigen Veranstaltung war ich noch nie.“
„Ich freue mich“, log ich rasch und probierte ein vorsichtiges Lächeln. „Sophienstraße 54, ab sieben Uhr.“
„Ich hab ja deine Personalakte selbst angelegt.“
Kaum waren wir draußen, zischte ich: „Mensch, Marc, du weißt aber auch nie, wann du den Mund halten musst, was? Ich wollte ihn doch gar nicht einladen, das ist garantiert nichts für ihn, aber ich konnte ja schlecht anders.“
„Was ist denn so schlimm daran? Ich meine, Lukas muss ja auch mal vor die Tür, oder?“
„Dann soll er die Kundinnen nehmen, die ihm in Scharen nachlaufen! Zu den Frauen, die kommen, passt er jedenfalls nicht.“
„Ich denke, du weißt noch gar nicht, wer die alle sind?“
„Trotzdem!“, schnauzte ich ihn an und knallte meine Bürotür zu.
Marc, dieser Trampel! Was sollte der finstere Lukas auf meiner Party? Wahrscheinlich verdarb er allen nur die Stimmung, und wenn er tatsächlich eine Frau fand und es mit der dann nicht klappte – was mich bei diesem mürrischen Getue nicht weiter wundern würde – dann war ich nachher noch schuld und konnte mir wieder von beiden Seiten das Gewinsel anhören. Nein, das war unfair – Lukas winselte nicht. So viel ich über Marc und seine bisherigen Misserfolge wusste, so wenig wusste ich über Lukas´ Vergangenheit, die mich schließlich auch nichts anging.
Warum Marc mir immerzu alles in epischer Breite erzählte, hatte ich lange nicht verstanden, aber dann wurde mir klar, dass ich eine Mischung aus Kumpel und Spion im feindlichen Lager war: Mit mir konnte er beiläufig beim Sägen, Stecken, Schrauben und Lackieren über seine Probleme reden und zugleich versuchen, herauszubekommen, was Frauen eigentlich ticken ließ. Früher hatte ich ihn ja ab und zu auch gefragt, warum Männer in bestimmten Situationen so verblüffend reagierten, warum sie etwa lieber Riesenumwege fuhren, als nach dem Weg zu fragen, warum beim Fußballgucken keine Frauen dabei sein durften (ich aber schon), warum sie sich in Krisen einfach tot stellten... Marc hatte allerdings meistens nur die Antwort: „Weiß ich auch nicht. Echt? Ist mir noch nie aufgefallen“, so dass ich es irgendwann aufgegeben hatte, ihn als Informationsquelle zu benutzen.
Zweiundzwanzig Leute – mit Lukas sogar dreiundzwanzig... was sollte ich zu essen machen? Ich entschied mich für einige Schüsseln Salat, Wienerles, Knoblauchbrot und Semmeln, außerdem einen großen Napf Bowle, einige Tragerl Edelstoff (Handwerkertradition!), Wasser, Limo und Cola. Wenn ich noch überall große Teller mit Chips und solchem Kram aufstellte, würde schon keiner verhungern. Da hatte ich ja noch ordentlich zu schleppen! Immerhin hatten meine Freundinnen mir fest zugesagt, auch für die versprochenen blind dates, ebenso meine Brüder und meine beiden Nachbarn. Alfred allerdings hatte etwas skeptisch geschaut. „Da wird doch sicher geraucht und getrunken?“
„Sei kein Pharisäer“, versuchte ich ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, „du musst doch auch mal deine Seelenstärke testen, oder? Und vielleicht kannst du jemanden für dein Je–, also für Jesus gewinnen.“ Jesulein wäre jetzt vielleicht doch etwas spöttisch rübergekommen, gut, dass ich mich im letzten Moment noch gebremst hatte!
Ach, diesen Theaterfritzen musste ich noch anrufen! Ich nahm mein Handy und ging nach draußen – im Büro selbst war der Empfang miserabel und wir hatten noch nicht herausgefunden, woran das eigentlich lag.
Ich wanderte also auf dem Hof auf und ab, bis ich ein anständiges Signal hatte und das Kreischen der Säge, mit der Schorschi Bretter zuschnitt, nicht mehr lauter war als meine Stimme. Bernd war erreichbar, hatte am Freitag Zeit und wies mich noch einmal darauf hin, dass er eigentlich nicht auf der Suche nach einer Frau war.
„Umso besser“, entgegnete ich vergnügt, „wenn man verbissen sucht, findet man doch ohnehin nichts. Vielleicht triffst du das Glück deines Lebens. Nur, wenn du nach einem Mann suchst – da hab ich, glaube ich, nichts Passendes eingeladen.“
„Glaubst du?“ Ich hörte ihn förmlich grinsen. „Nein, nach einem Mann suche ich schon gar nicht. Aber auf einen lustigen Abend freue ich mich schon. Was soll ich mitbringen?“
„Gar nichts. Nur dich und etwas Aufgeschlossenheit.“
„Klingt ja bedrohlich. Gut, ich komme gern, vielen Dank.“
Wahrscheinlich wurde die Party der Flop des Jahres. Vielleicht sollte ich noch ein paar Spiele bereitstellen, falls sich alle miteinander langweilten? Ansonsten konnte man tanzen, im Flur, herumsitzen, reden, essen und trinken, Musik hören, in der Wohnküche, und – nein, mein Schlafzimmer blieb tabu, da kamen bloß die Mäntel rein. Wenn sich zwei so schnell fanden, konnten sie zum Poppen auch nach Hause gehen!
Der große Tisch eignete sich sicher gut für Spiele, Trivial Pursuit hatte ich, Spielkarten, Labyrinth... Und wenn alles versagt, würde ich Flaschendrehen vorschlagen, überlegte ich verzweifelt. Lukas klebte am Fenster und winkte.
Ich eilte hinein und in sein Büro. „Entschuldige, ich musste nur schnell jemanden anrufen, und du weißt ja, drin ist irgendwie kein Netz.“
„Wieso nimmst du nicht das normale Telefon?“
„Das war ein Privatgespräch, ich musste noch einen einladen.“
„Sei nicht so superkorrekt. Ich glaube, es war dir nicht ganz Recht, dass du mich einladen musstest, oder?“
„Doch, doch – wenn es dich nicht stört, dass ich versuche, die Leute zu Paaren zu treiben? Dich werde ich in Ruhe lassen, keine Sorge.“
„Da bin ich erleichtert, aber ich glaube, es könnte ganz nett sein, dabei zuzugucken. Also, wenn es dir wirklich nichts ausmacht, komme ich gerne.“
Offenbar hatte er am Freitagabend wirklich nichts Besseres vor!
Ich versicherte ihm unter Aufbietung all meines – eher schwach ausgeprägten – Charmes, dass ich mich gerade auf ihn besonders freute, so lange, bis er mich etwas befremdet musterte und mir auffiel, dass ich mal wieder übertrieben hatte. Verlegen klappte ich den Mund wieder zu und beschloss, doch lieber erst nachzudenken, bevor ich wieder solchen Unsinn redete.
Kaum war ich an diesem Abend zu Hause angekommen, rief meine Mutter an. Erst bekam ich jede Menge unbrauchbare Tipps, welche Frauen zu Paul und Robbi passen könnten (solche Frauen hatte ich gar nicht auf Lager), dann bot sie mir Rezepte an, bohrte wieder einmal in diesem Theaterbesuch herum, behauptete, Sieglinde habe gesagt, Bernd habe gesagt, ich sei die reizendste Frau, die er seit langem getroffen hätte, reagierte eingeschnappt, als ich das ins Reich der Fabel verwies, war erleichtert, dass ich ihn eingeladen hatte, rechnete mir vor, dass ich in sieben Jahren mit stark nachlassender Fruchtbarkeit rechnen musste, erinnerte mich an meinen grässlichen Cousin Reinhold aus Detmold (ui, das reimte sich), den sie immer schon für den Idealmann gehalten hatte, seitdem er vor Jahren mal ihren Rasenmäher repariert hatte, jammerte, dass sie noch keinen einzigen Enkel hatte und ging mir ganz allgemein ganz fürchterlich auf die Nerven.
„Mami, was wolltest du eigentlich wirklich? Oder rufst du nur an, um dich auszuweinen?“
„Herzloses Biest! Ich wollte fragen, ob du was brauchst, für deine Party, Geschirr oder so?“ Ich wollte schon Nein sagen, als mir einfiel, dass sie ein riesiges und sehr hässliches Bowlengefäß hatte.
„Hol es dir ab und bring es ja nie wieder zurück, das Ding füllt alleine schon einen Schrank! Und ich hab noch zwölf Gläser dazu!“
„Doch, du kriegst das wieder, du hast mehr Schränke als ich. Aber ich hol es mir irgendwann am Wochenende ab. Und jetzt tu nicht so, als hätte ich noch nie eine Fete gemacht.“
„Aber es soll doch alles klappen, oder?“
„Was sollte denn nicht klappen?“, stellte ich mich dumm, obwohl ich selbst eben noch so viele Zweifel gehegt hatte.
„Na, wenn ihr drei nun nichts findet?“
„Wissen kann man´s nie. Solange sich alle gut amüsieren, hat das Fest doch geklappt, oder?“
„Mehr hast du nicht vor?“
„Und wenn sich irgendein Pärchen findet, umso besser. Aber wenn du glaubst, neun Monate später hast du drei Enkel, dann putz dir das lieber von der Backe. Du kannst natürlich Paul ein Päckchen Kondome schenken, die du vorher sorgfältig mit einer Nadel präpariert hast – aber seine Julia wird sich wohl trotzdem abseilen, denke ich.“
„Früher war das alles einfacher“, seufzte sie und legte endlich auf.
Ich schaukelte auf meinem Stuhl herum und dachte nach. Marc hatte auch noch Bedarf, denn die niedliche Schwarzhaarige aus dem Supermarkt hatte sich als schwer verheiratet (samt einer Horde Kleinkinder) entpuppt. Die häusliche Lici war vielleicht wirklich die Richtige für ihn... Für Ulli – falls der Familienrichter doch nichts sein sollte – vielleicht Bernd aus dem Theater, er wirkte so seriös. Und für Heike? Hm... Paul und Robbi hatten jeder noch zwei Kumpels aus dem Studium versprochen, aber ob die was taugten, war noch offen.
Was würde sich denn für Lukas eignen? Hier musste ich nun endgültig passen, ich hatte ja keinen Schimmer, wer sein Typ war – Mittvierzigerinnen mit Naturkosmetikläden offenbar nicht, aber da blieben ja noch einige Optionen: zarte Rehlein? Energische Powerfrauen? Der Kumpeltyp? Femme fatale? Frauen, die ihn nicht wollten? Ach, der war nun wirklich alt genug, um das Angebot selbst zu sichten, war ich denn hier das Kindermädchen für alle?
Lieber schrieb ich mir auf, was ich für die Party alles besorgen musste, und fing am Samstag schon mal damit an, Bier und Wasser ins Haus zu schleifen, holte das Bowlengefäß ab, ließ mir bei der Gelegenheit noch mehrere Pakete Käsegebäck aufdrängen (ohne allzu großen Widerstand, das Zeug war teuflisch lecker) und säuberte schon mal alle meine Stühle und Sofas – sogar mit Polsterschaum und Antigeruchspray, denn in den Sofas hing wirklich das Aroma des Essens der letzten Monate. Außerdem räumte ich alle meine Schränke auf, warf uraltes Bratensaucenpulver, abgelaufene Joghurts und diesen schauerlichen Kaffeelikör weg, den ich mal von einem Kunden zu Weihnachten gekriegt hatte (Weihnachten 2000, wenn ich mich recht erinnerte), nahm sogar die Vorhänge ab und steckte sie in die Waschmaschine und entwickelte überhaupt den totalen Frühjahrsputzwahn. Eigentlich war die Wohnung ganz nett, wenn man von der Bausubstanz mal absah! Und solange sie uns wirklich nicht kündigten...
Schließlich wusch und bügelte ich sogar noch meine gesamte Wäsche, damit ich am Freitag die freie Auswahl hatte – obwohl es doch vollkommen egal war, was ich anzog, ich wollte mir unter diesen Sonderangeboten ja keinen aussuchen.
Nein, ich war mit meinem Leben rundherum zufrieden. Na gut – eine etwas größere Wohnung wäre nicht schlecht, vielleicht sogar langfristig eine, die mir selbst gehörte (so etwas sollte ja eine gute Altersvorsorge sein, nicht?), etwas mehr Geld auf der Bank, etwas weniger Hintern... aber sonst?
Am Abend ging ich mit Heike und Barbara in einen Kitschfilm, den Ulli als frauenverdummend verschmäht hatte, und danach landeten wir in der erstbesten Kneipe und verglichen schnuckelige Hollywoodstars miteinander. Ulli wusste nie so recht, ob wir primitiv waren, wenn wir darüber sprachen, welcher dieser Kerle den knackigsten Arsch hatte, oder ob das nur gerecht und sozusagen feministisch war, wo doch die Männer auch nichts anderes im Kopf hatten. Waren wir denn alleine dafür zuständig, die Welt auf einem Mindestniveau zu halten?
Auf dem Heimweg brachten die genossenen Cocktails mich auf alberne Gedanken. Mal wieder so ein knackiges Kerlchen im Bett? Nur für ein paar flotte Nümmerchen, so ganz unverbindlich? Wenn einer auf dieser Fete von hinten – oder meinetwegen auch von vorne – wirklich zum Anbeißen war, sollte ich dann nicht vielleicht doch mal wieder - ?
Na, vielleicht, aber schließlich wusste ich ja, dass der Anteil der vorzeigbaren Männer höchstens zehn Prozent betrug – also würde höchstens einer brauchbar sein, und wenn den eine mit ernsteren Absichten wollte, konnte ich ja auch schlecht dazwischen funken...
Kunden taugten grundsätzlich nichts, ich wollte auch nicht, dass jemand herumerzählte Lass deine Regale von Holz nach Maß machen, die haben eine Schreinerin, die richtig entgegenkommend ist – heiße Nummer zwischen Hobel und Wasserwaage... Außerdem waren die alle zu alt – wer sich unseren Service leisten konnte, war aus dem besten Alter längst raus.
Was wollte ich eigentlich? Warme Haut an meiner oder etwas fürs Gemüt? Nein, nicht fürs Gemüt, so was hatte ich ja angeblich gar nicht. Nur ein bisschen Erotik ohne emotionale Verwicklungen!
Den ganzen Sonntag über versuchte ich, diese Gedanken zu verdrängen, aber sie kamen immer wieder, als ich einen kitschigen Fernsehfilm anschaute, als ich spazieren ging und ein junges Pärchen sah, als ich die beiden, die unter mir wohnten, auf dem Balkon herumkichern hörte. Waren das Frühlingsgefühle? Blödsinn! Ich verwies mir diese Albernheiten energisch und begann, einige Entwürfe für unsere nächsten Aufträge zu zeichnen, händisch, wie der Österreicher sagt, denn ich hatte es immer noch nicht geschafft, unsere CAD-Software auch zu Hause zu installieren, obwohl Lukas mir das erlaubt hatte.
Das Herumbasteln an den Kniestock-Schränken, wie ich sie getauft hatte, lenkte mich schließlich erfolgreich ab. Am Montag sollte ich die Kundin aufsuchen, alles ausmessen und sie wegen der Gestaltung beraten, aber je mehr ich schon zu bieten hatte, desto schneller würde es gehen, und ich hatte sonst schließlich im Moment nichts zu tun, meine spärlichen Hausfrauenpflichten waren erfüllt, in der Küche stapelten sich einige Träger Bier, Wasser und Limo, alle meine Bücher hatte ich aus, spazieren gegangen war ich und im Fernsehen kam nur der übliche Sonntagsschwachsinn.
Ich überlegte, ob man die Schranktüren tapezieren sollte, damit sie sich noch
weniger von der Wand abheben würden – oder sah das dann doch albern aus? Wie eine Geheimtür? Lieber skizzierte ich einige Grifflösungen, unauffällige Mulden an den oberen Kanten – oder an den unteren? Nein, da musste man sich viel zu tief bückten. Ich favorisierte eine schmale Zierleiste an der Oberkante, die wie ein dezentes Stuckelement aussah und die Griffmulde verbarg. Nachdem ich die Leiste aus allen Perspektiven gezeichnet hatte, auch im Querschnitt, und überlegt hatte, welche Holzart sich eignen würde und wie man eine solche Leiste am besten schleifen konnte, packte ich alles für morgen zusammen und bestellte mir eine Portion gebratene Nudeln mit Ente und eine Tüte Kroepuk, denn am Abend kam doch ein guter Film, Rendezvous mit Joe Black. Ich futterte und guckte und ärgerte mich. Schon wieder Liebe! Zurzeit war ich geradezu umzingelt von Liebespärchen oder solchen, die es unbedingt werden wollten; gab es denn überhaupt kein anderes Thema? Und immer gleich die ganz große Leidenschaft! Allerdings, Brad Pitt als Jungfrau, das hatte schon was, er war wirklich niedlich, allein dieser ratlose Blick!
Das Fest am Freitag würde mich wahrscheinlich in den Irrsinn treiben – aber wenn sich alle furchtbar unsympathisch fanden, wäre es mir auch wieder nicht Recht. Nein, besser wäre es, ich hätte Erfolg, und wenn die Maßschreinerei eines Tages nicht mehr so gut liefe, könnte ich ein Eheanbahnungsinstitut aufmachen.
Die Kundin, bei der ich am Montag ausmaß, sah aus, als könnte sie die Traumfrau für Lukas sein, sie war sehr groß, fast so wie er – wenigstens einen halben Kopf größer als ich – genauso schmal, aber kräftig wie er, dunkelhaarig, elegant, und sie wusste genau, was sie wollte. Ich zeigte ihr meine ersten Entwürfe und ließ sie darüber brüten, während ich die lange Nische im Wohnzimmer, die auch noch über Eck ging – Teufel, Teufel! – sorgfältig vermaß und alle Daten, inklusive Neigungswinkeln, Steckdosen, Vorsprüngen, Unregelmäßigkeiten in der Wand und Leitungsverlauf, akribisch notierte.
Als ich fertig war, saß sie immer noch auf dem farbverschmierten Ikea-Klappstuhl, der das einzige Möbelstück bildete. „Das gefällt mir eigentlich recht gut. Nur diese Leiste...“
„Wir brauchen etwas, um die Griffmulden zu tarnen, sonst sieht man gleich, dass sich da Schränke befinden. Und ich hatte Ihre Wünsche so verstanden, dass Sie sozusagen einen normalen Kniestock vortäuschen wollten?“
„Stimmt, aber man kann es auch übertreiben. Ich denke, matt weiß lackiertes Holz, irgendein Holz, Hauptsache, massiv -“
„Wir benutzen nur Massivholz, kein MDF oder Sperrholz. Vielleicht Kiefer? Eiche wäre härter, aber ich glaube, das ist an dieser Stelle nicht notwendig. Fußböden aus Kiefer wären zu weich, aber Schranktüren... Wie hätten Sie die Griffe denn gerne?“
„Einfach ein Loch pro Türe?“
„Hm. Das könnten wir schon machen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nicht gut aussieht, irgendwie unfertig, wie selbst aufgebaute Möbel, bei denen die Griffe gerade nicht lieferbar waren – oder wie betont preiswerte Möbel, die an allem gespart haben, Sie wissen schon.“
Sie lachte kurz. „Ja, ich kann´s mir denken. Gut, aber muss die Griffleiste so geschwungen sein?“
Sie zog mir den Blick weg und zeichnete rasch einen neuen Querschnitt. „Ginge es so nicht auch? Das erscheint mir klarer.“
Ich starrte die Skizze an. „Natürlich! Das ist viel besser als meins... Sind Sie aus der Branche?“
Sie lachte wieder. Nettes Lachen hatte sie. „Nein, eher Mode, aber auch da lernt man, ein Detail mit wenigen Strichen darzustellen.“
„Man sieht´s. Passen Sie auf, ich gehe sofort an die Arbeit. Könnten Sie morgen Nachmittag bei uns vorbeischauen und die Computerentwürfe und den Voranschlag genehmigen – oder auch nicht – und mit unserem Chef sprechen? Vielleicht will er einen so interessanten Auftrag auch selbst ausführen.“
„Schade – warum nicht Sie? Sie können es doch, oder?“
„Klar. Wir arbeiten aber meistens in Zweierteams, dann sind wir schneller fertig. Gegen vier? Wenn alles klappt, können wir nach Pfingsten anfangen.“
„Das wäre fantastisch. Ich möchte zum ersten Juni aus meiner alten Wohnung raus sein.“
Wir tauschten Telefonnummern aus. Saskia Keller hieß sie. Saskia und Lukas, dachte ich auf dem Weg zurück ins Büro, Saskia und Lukas, Saskia und Lukas. Ein schönes Paar wäre das!
Lukas maulte natürlich, er wollte morgen um vier lieber nicht da sein. „Mit der wirst du doch alleine fertig!“
„Darum geht´s doch nicht! Aber die wirkt total kompetent, und wenn sie in der Modebranche gute Beziehungen hat, dann kann sie uns doch noch mehr Ladeneinbauten vermitteln, und die bringen richtig Geld. Also wäre es ziemlich blöde, zu ihr nicht nett zu sein!“
„Wenn´s sein muss...“
Ich bastelte den Rest des Tages fieberhaft an den Entwürfen herum, um am nächsten Nachmittag genug Material zu haben, über dem sich die beiden näher kommen konnten. Saskia sah gut aus, fand ich, sie hatte ein edles Profil, schöne dunkelgraue Augen, einen Mund, der richtig sexy aussah, war undefinierbar gut gekleidet und hätte mir auch gefallen, wenn ich ein Mann gewesen wäre.
Ich konzentrierte mich wieder auf die Arbeit, gab sämtliche Messdaten in das Programm ein, bastelte an möglichst unsichtbaren Scharnieren herum und am Profil der Griffleisten, so wie Saskia sie skizziert hatte, entschied mich für matt weiß lackierte Kiefer, berechnete die Abmessungen der Regalbretter, die wegen der schrägen Rückseite natürlich unverstellbar sein mussten und druckte schließlich einige aussagekräftige Skizzen aus. Der Materialbedarf ergab sich von selbst; ich schätzte die Arbeitsstunden ab und erstellte einen Kostenvoranschlag, der auf der Basis von drei Tagen – Donnerstag, Freitag, Montag – stand. Wenn Lukas damit nicht auskam, war es wirklich sein Problem!
Marc kam zwischendurch und erzählte von einem Flop auf dem Wochenmarkt – er hatte sich von einer heißen Blondine über die Verwendungsmöglichkeiten von Gemüsegurken beraten lassen wollen, aber sie hatte ihn nur schräg von der Seite angesehen und gesagt „Hau ab, du Wichser.“
„Wieso war die so fies? Ich wollte doch nur wissen, ob man die kocht oder brät oder was!“
Ich grinste. „Hast du dir mal die Form angeschaut? Nächstes Mal nimmst du ein weniger phallusförmiges Gemüse."
„Was – wieso? Ach so? Mensch, hat die echt geglaubt, ich wollte darauf anspielen?“
„Wieso nicht? Was glaubst du, was man so alles an Müll zu hören kriegt! Also, nächstes Mal mehr Vorsicht. Du, ich muss das hier fertig machen – hast du eigentlich nichts zu tun?“
„Doch, den Garderobenbereich für Hemmel&Co, aber ich hab´s schon fast. Mach nur schön weiter.“
Am Dienstag kurz vor vier war ich sehr zufrieden mit mir – die Entwürfe waren fertig und sahen meiner Meinung nach genauso aus, wie Saskia Keller sie haben wollte, der Kostenvoranschlag hielt sich im Rahmen des Erträglichen, mein Büro war aufgeräumt, die Besprechungsecke vorbereitet, und ich hatte eine lange Liste von Ausreden, warum ich zwischendurch das Zimmer verlassen und die beiden alleine lassen musste.
Saskia kam pünktlich, lächelte charmant, begrüßte Lukas flüchtig (Pokerface?) und betrachtete sich, was wir für uns für ihr Dachzimmer ausgedacht hatten. Mittendrin ging ich den Kaffee holen, während Lukas ihr die Details erklärte, dann kam ich kurz wieder, musste gehen, weil ein Telefon geklingelt hatte, kam zurück und wollte gleich wieder weg.
„Was soll denn diese Hektik, Steffi?“, fragte Lukas entnervt. „Jetzt bleib hier, Marc kann sich um die anderen Dinge kümmern.“ Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu, aber es nützte nichts, er bestand darauf, dass ich Saskia alle Einzelheiten darlegte und beschrieb, wie wir uns den Arbeitsablauf vorstellten. Sie nickte zufrieden. „Und Sie beide machen den Einbau?“
„Ja“, antwortete Lukas, und ich triumphierte innerlich. Deutlicher konnte sie ja kaum danach fragen, ob er bei ihr auftauchen würde! Aber etwas anderes – war sie überhaupt noch zu haben?
„Und es macht Ihnen keine Probleme, drei Tage lang zu Hause zu bleiben? Vielleicht kann ein Nachbar... oder Ihr Mann... oder ein Freund... Wir können leider nicht nur abends arbeiten, dann werden wir ewig nicht fertig.“
Sie lächelte mich an. „Ich kann zu Hause arbeiten, das ist gar kein Problem. Außerdem gibt es auch noch anderes zu beaufsichtigen.“
Mist, damit war ich so schlau wie vorher! Lukas warf mir einen irritierten Blick zu, sagte aber nichts. Einige Augenblicke später verließ er uns, was Saskia kaum zu bemerken vorgab. Wir besprachen, was noch zu besprechen war, und legten den Donnerstag nach Pfingsten als ersten Tag des Einbaus fest, dann verabschiedete sie sich freundlich und ich sah ihr nach, wie sie elegant, aber energisch zu ihrem Golf-Cabrio schritt. Schöne Beine! Lukas, schlag zu! Lukas spielte überzeugend Desinteresse, aber er kam mir nicht aus. „Und, wie findest du sie?“
„Ganz nett. Wenn wir da ordentlich arbeiten, empfiehlt sie uns vielleicht wirklich weiter.“
„Und sonst?“
„Was und sonst?“
„Ich dachte, sie könnte dein Typ sein...“, erklärte ich etwas verlegen. Lukas sah mich unter zusammengezogenen Augenbrauen an. „Willst du mich verkuppeln? Steffi, lass das, ja?“
„Hat sie dir nicht gefallen?“ Das war schon ein Rückzugsgefecht, aber ich konnte es nicht lassen. „Geht so. Mein Typ sieht anders aus. Außerdem hat sie immer bloß dich angegrinst, nicht mich. Du kannst auf deiner Party kuppeln, aber hier bitte nicht.“
„Aye, Sir“, murmelte ich also betrübt und kehrte an meinen Schreibtisch zurück. Vielleicht ergab sich beim Einbau ja doch etwas – oder würde Lukas mich jetzt aus purer Gemeinheit mit Marc losschicken? Sollte ich Saskia auf die Party einladen? Nein, das war doof, das konnte man mit Kunden auch nicht machen.
Ich verbrachte den Rest der Woche mit Routinearbeiten, dem Schleppen von Getränkekästen, dem Einkauf sämtlicher Zutaten für alles, was ich servieren wollte, der Beobachtung von Lukas, um herauszufinden, wer nun sein Typ war, und dem Trösten von Marc, dessen Aufreißversuche offensichtlich ein Desaster waren – knapp, dass er sich keine Schläge einfing! Irgendetwas machte er falsch, so wie bei den Gemüsegurken.