Читать книгу Schluss mit lustig! - Elisa Scheer - Страница 11
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ОглавлениеAm Freitag machte ich mit Lukas´ Erlaubnis früher Schluss, fuhr mit einem Um-weg über den Supermarkt nach Hause und fing mit den Vorbereitungen an.
Ich setzte mit Hilfe einer tiefgekühlten Tropenobstmischung und einer Flasche Weißwein die Bowle an, stellte reichlich Bier kalt, putzte die Küche und das Bad, räumte den Flur soweit auf, dass man dort im Bedarfsfall tanzen konnte, spülte alle Gläser, holte die bestellten hundert gemischten Semmeln ab (von den eingefrorenen Resten konnte ich sicher noch wochenlang leben), rührte einen Nudel- und einen Kartoffelsalat an, formte hundert scharf gewürzte Hackfleischbällchen und briet sie, machte eine große Schüssel Tsatsiki, arrangierte die Sitzecke besser, stellte alle meine Spiele bereit, putzte noch einmal, bezog mein Bett frisch, schließlich sollten die Leute dort ja ihre Jacken und Mäntel lassen, stellte duftende Kerzen auf, sah hastig meine CDs durch, versteckte einige zu peinliche Taschenbücher im Kleiderschrank und filzte das Bad noch einmal nach indiskreten Utensilien. Nein, Tampons, die vorgestern benutzte Enthaarungscreme und andere Peinlichkeiten lagen gut getarnt im Schrank. Ich duschte schnell noch einmal, polierte die Wanne dann wieder spiegelblank, soweit das bei dem ältlichen Emaille überhaupt noch ging, lüftete, stapelte frische Handtücher auf, wischte den verklebten Seifenspender sauber, holte eine Menge Haare aus dem Waschbeckenabfluss und polierte auch das Becken auf Hochglanz. Schließlich sah ich mich um – alles tadellos, für eine mehr oder weniger abbruchreife Wohnung war das Bad wirklich vorzeigbar!
Überhaupt, alle Räume waren in Ordnung, in der Wohnküche roch es allerdings etwas penetrant nach Knoblauch, vom Tsatsiki und vom Knoblauchbrot. Ich stellte noch Teller mit Kartoffelchips und Erdnüssen auf, goss die Bowle fertig auf, kontrollierte, ob das Besteck nicht schlampig gespült war (so etwas passierte mir nämlich durchaus gelegentlich), bürstete meine Haare und band sie irgendwie zusammen, sah auf die Uhr – fast sieben - und zündete die Kerzen an. Erst als es klingelte, merkte ich, dass ich keine Papierservietten bereit gelegt hatte. Ich holte das hastig nach und öffnete.
Paul und mit zwei weiteren Männern, die ich noch nie gesehen hatte.
„Kommt rein und bedient euch!“
Die beiden sahen ganz nett aus, jedenfalls ziemlich normal. Sie stellten sich als Fabian und Axel vor, beide studierten noch, der eine Theaterwissenschaften wie Robbi, der andere Volkswirtschaft wie Paul. Paul erzählte mir mit gesenkter Stimme, dass Julia nun wirklich mit ihm Schluss gemacht hatte. Ich bedauerte ihn halbherzig und wies auf das üppige Angebot hin, dass ich ihm in Kürze vorlegen konnte. Da, es klingelte schon wieder!
Heike und Barbara – ohne Manuel - , danach Claudia, dann Bernd... Die mühsamen Konversationsversuche erübrigten sich bald, denn in rascher Folge trafen alle Gäste ein. Ich bat alle, sich wie zu Hause zu fühlen und sich selbst zu bedienen, verteilte noch einige Aschenbecher, drehte die Musik etwas leiser, stellte meine selbst erdachten Traumkonstellationen einander vor und wartete dann ab. Marc unterhielt sich eine Zeitlang artig mit der häuslichen Lici, aber ich sah, wie seine Blicke abirrten – er schien nicht wirklich von ihr fasziniert zu sein, leider! Da, jetzt entschuldigte er sich und wandte sich Barbara zu, die etwas verloren mit ihrem Bowlenglas dastand, und lächelte sein Welpenlächeln.
„Marc scheint sich gut zu amüsieren“, murmelte es neben mir. Ich sah zur Seite. „Hallo, Lukas! Ich hab gar nicht gesehen, wie du gekommen bist. Ja, nur glaube ich, Barbara hat eigentlich schon einen Freund. Nicht, dass er da nur Energie verschwendet...“
„Warten wir´s ab. Aber es ist interessant zu beobachten.“
Ja, wirklich! Claudia, die ich wegen ihrer etwas hippieartigen Neigungen (wie Ulli erzählt hatte) eigentlich Peter zugedacht hatte, stritt sich mit Robbi über irgendein Kulturereignis, schließlich ließen die beiden sich – ziemlich nahe beieinander – auf eins der Sofas fallen und diskutieren angeregt weiter. Peter hatte sein Glück bei Ulli versucht, die ihn mit schiefgelegtem Kopf betrachtete, während Bernd aus dem Theater wiederum sie im Auge behielt. Zwei, die ich überhaupt nicht kannte, hatten schon zu tanzen begonnen, alle anderen futterten, was das Zeug hielt, unter der Lampe über dem großen Tisch stand eine dicke Rauchwolke, die Sofas waren dicht besetzt, so dicht, dass die Leute halb aufeinander saßen. Befriedigt goss ich mir ein Glas Bowle nach. Schien direkt zu laufen, wenn auch nicht ganz so wie geplant.
Wer war eigentlich Ruth, die Pfarrerstochter? Ich stellte sie mir klein und kompakt vor, blass, braunhaarig und mit einer Kassenbrille – wie die einzige Pfarrerstochter, die wir in der Klasse gehabt hatten - , sah aber niemanden, auf den das passte. Alfred redete eifrig und mit missionarisch leuchtenden Augen auf jemanden ein, aber die lackschwarzen, kompliziert geschnittenen Haare und das enge rote Kleid – das war ganz bestimmt keine Pfarrerstochter.
Ich strich an den beiden vorbei. „Hallo, Alfred? Gefällt´s dir?“
„O ja, danke. Das ist übrigens Ruth.“ Er wies auf das toll gestylte Wesen.
„Grüß dich, Ruth – du bist eine Freundin von Barbara, nicht? Amüsier dich gut, Alfred ist schon in Ordnung.“
Sie redeten schon weiter, bevor ich die beiden wirklich verlassen hatte. Lukas saß jetzt mit Ulli am Tisch, eifrig ins Gespräch vertieft. Oh? Na, auch gut, Peter hätte ja doch nicht zu ihr gepasst. Peter hatte auch längst etwas anderes an Land gezogen; von hinten sah ich nur lange kupferrote Locken und einen verführerischen Hintern in einem schmalen violetten Rock. Eigenartige Farbkombination, aber wem´s gefiel? Ich beschloss, Marc weiter im Auge zu behalten, er war schließlich der dringendste Fall, wenn ich nicht weiterhin dieses ewige Gejammer beim Arbeiten ertragen wollte.
Marc redete immer noch auf Barbara ein, die ihn fasziniert betrachtete. Lici, die ich eigentlich für ihn vorgesehen hatte, tanzte draußen mit einem hübschen Kerl mit goldbraunen Locken, der Heike ziemlich ähnlich sah, von dem albernen kleinen Spitzbart mal abgesehen. Ob das Torsten war, mit dem Ulli beim ersten Mal solches Pech gehabt hatte? Hatte sie ihn überhaupt schon gesehen? Nach elf Jahren konnten sie sich doch wirklich wieder vertragen, fand ich.
Jedenfalls schien sich keiner zu langweilen, alle unterhielten sich über alles Mögliche, vom Fußball über das Kino bis hin zu doofen Profs und schrägen Praktika. Und wenn ich die falschen Paare zusammengestellt hatte, was sollte es? Fanden sich eben andere; solange überhaupt jemand mit einer neuen Telefonnummer in der Tasche, im Organizer oder im Handyspeicher wegging, hatte ich mein Ziel doch erreicht! Marc und Barbara standen mittlerweile ziemlich dicht an dem großen Tisch, an dem immer noch Lukas und Ulli saßen und leise, aber intensiv miteinander sprachen. Ich betrachtete die beiden gerührt. Eigentlich passten sie in ihrer patzigen Art doch ganz gut zusammen – Ulli hasste alle Männer, Lukas spielte den lonesome rider: Warum sollten sie nicht eine – streng freundschaftliche! – Beziehung anfangen? Eines Tages würden sie sich schon noch näher kommen, da war ich sicher.
Marc wollte mit Barbara ins Kino gehen, und mit sanfter Überredung schaffte er es, sie auf den Angriff der Klonkrieger festzunageln. Ich schüttelte im Stillen den Kopf: Wenn jemand absolut kein StarWars-Fan war, dann wohl Barbara. Aber sie nickte eifrig! Sehr fügsam, die Gute, sehr formbar...
„Ich finde, es gibt überhaupt nur einen Weltraumschrott, der wirklich gut ist“, verkündete ich dann, „und das ist Raumpatrouille – die Mutter aller Space-Serien.“
„Ach, komm, der alte Schwachsinn!“, wehrte Marc ab, und jetzt merkte ich erst, dass ich wohl besser den Mund gehalten hatte, denn Lukas´ Kopf war ruckartig hochgefahren. „Rücksturz zur Erde?“
„Ja, aber lasst euch nicht stören.“
„Ich hab fünf Folgen auf Video, das ist so klasse, vor allem die Bügeleisen.“
„Und das Aspirin“, kicherte ich unwillkürlich.
„Welches Aspirin?“
„Was glaubst du, warum es bei den Unterwasserstarts so sprudelt?“
Lukas lachte, fast so entspannt wie damals, als ich ihn als Eunuchen hingestellt hatte. „Ehrlich? Das ist Aspirin?“
„Ja – und die explodierende Basis der Frogs besteht aus Kakaopulver. Das waren noch Tricks!“
Ulli guckte verwirrt. „Bügeleisen?“
„Damit haben sie das Raumschiff technisch aufgerüstet, aber man merkt es verdammt deutlich.“
„Mensch, ja, ich kann mich dunkel erinnern, ich glaube, mein Vater hat das mal aufgenommen... Dietmar Schönherr? Eva Pflug?“
„Genau. Ist doch köstlich, oder? Lukas, wieso hast du bloß fünf Folgen? Ich hab sieben!“
„Was? Kann ich mir die mal ausleihen?“
„Klar, aber gut behandeln, die laufen doch so selten.“
Als wir anfingen, uns gegenseitig zu beschreiben, worum es in den beiden Folgen ging, die ihm fehlten, stand Ulli auf und ging in den Flur. Marc und Barbara hatten sich die Zeitung geschnappt und handelten aus, wann sie sich morgen vor welchem Kino treffen wollten. Ich sah mich erschrocken um. „Lukas, das tut mir Leid, du hast dich gerade so nett unterhalten, und ich hab euch unterbrochen und Ulli vertrieben. Wieso hab ich meine Klappe nicht gehalten?“
„Sei nicht albern. Einen Raumschiff-Orion-Fan trifft man doch auch nicht alle Tage. Würdest du gerne in dieser Welt leben?“
Ich schauderte. „Gotteswillen! Das ist alles so – so treudeutsch und halbfaschistoid... Sag mal, das ist doch eine Militärdiktatur, oder? Die ORB hat doch alleine das Sagen?“
„Ich glaube auch. Dieser Kerl von der Regierung ist auch so militaristisch drauf.“
„Wennerström?“
„Ja, ich glaube. Nein, du hast Recht, der nichttechnische Aspekt ist ein bisschen bedenklich. Aber vielleicht sind die alle nur so verbohrt, damit McLane umso heller strahlen kann, wenn er wieder mal den Freiheitskämpfer und Retter der Erde spielt?"
„Kann natürlich sein. Im Buch kommt der Alltag noch ein bisschen deutlicher raus, aber mir kommt das schon wie eine sehr bedenkliche Mischung von deutscher Gründlichkeit und streng hierarchischer und undemokratischer Ordnung vor. Oder ist dir da jemals so was wie ein Parlament untergekommen?“
„Nein... welches Buch?“ Ich holte ihm die Romane, die nach den Drehbüchern gestrickt worden waren, ein fetter gelber Schmöker mit einem drittklassigen Kinoplakat als Cover.
„Kann ich das mal lesen?“
„Sicher, nimm es dir mit.“
Lukas lächelte abwesend und studierte das Cover, dann sah er auf. „Danke!“
„Keine Ursache. Ich geh mal gucken, ob alle zufrieden sind.“
Er war´s auf jeden Fall, schien mir; wahrscheinlich hätte er sich am liebsten auf eines der Sofas gelümmelt und angefangen zu lesen, aber die Sofas waren besetzt, und manche Paare schienen sich schon deutlich näher gekommen zu sein.
Marc und Barbara hielten jedenfalls Händchen und sprachen leise miteinander; Lici hatte begonnen, mit Heike zu fachsimpeln – musste das sein, irgendwelcher Versicherungsscheiß, ausgerechnet jetzt? – und im Flur war Ulli anscheinend über Torsten gestolpert, mit dem sie sich über irgendetwas stritt. Doch hoffentlich nicht über die verkorkste Nacht damals? Nein, Ulli lachte, und Torsten lachte jetzt auch. Einige andere Paare drehten sich zu langsamer Musik, unter anderem Robbi und Claudia, die aus dem Gesprächsstadium schon raus zu sein schienen – Wange an Wange.
„Was ist denn das für eine Pfeife?“, fragte mich eine Frau, die ich nicht kannte, und wies mit dem Kinn auf Peter, der an der Küchenspüle lehnte, rauchte und betont cool dreinsah.
„Der Jason-King-Verschnitt? Peter, er wohnt hier im Haus und ist eigentlich ganz nett, nur grauenhaft gestylt, was?“
„Ganz nett? Er hat mir jetzt eine halbe Stunde lang erzählt, wie er den Auspuff seiner Corvette aufgebohrt hat, damit sie einen satteren Sound hat.“
„Heilige Scheiße, das ist Absicht? Ich dachte immer, der arme Hund könnte sich keinen neuen Auspuff leisten. Aber die Corvette ist schräg, wie aus einem Billigkrimi aus den Siebzigern. Ich bin übrigens Steffi, und du?“
„Sandra. Ich bin eine Nachbarin von Heike – ist das okay?“
„Natürlich, ich wollte doch, dass möglichst viele kommen, damit ihr alle ein bisschen Auswahl habt. Kann ich dir einen Volkswirtschaftler anbieten, der gerade bei seiner Freundin rausgeflogen ist und immer vergisst, den Müll runterzutragen? Und als er sieben war, ist er vom Garagendach gesprungen, weil er dachte, er könne fliegen. Viel Schaden ist aber nicht zurückgeblieben.“
„Ein echtes Schnäppchen, was? Wie sieht er denn aus?“
Ich zeigte ihr Paul, der gerade alleine dastand, und winkte ihn zu uns. „Das ist Paul, mein Bruder, und das ist Sandra.“
Dann verzog ich mich und hörte nur noch: „Bist du echt vom Garagendach gesprungen?“
Klasse, jetzt würde Paul sicher auch noch einige meiner Peinlichkeiten aus der
Kindheit in Umlauf bringen – wie ich in Hausschuhen in die Schule gerannt war, dass ich mal vom Dreimeterbrett wieder runtergeklettert war, weil ich mich nicht traute, zu springen, dass ich unbedingt ein Pony im Garten halten wollte und mit dreizehn ganz furchtbar in Johnny Depp verschossen war.
Ein Handy klingelte, aus dem Flur erklang Gekicher, am Küchentisch packten einige Leute das Trivial Pursuit aus und begannen die große Schlacht, auf dem einen Sofa wurde schon geknutscht. Es lief doch gar nicht so schlecht, fand ich und füllte den Nudelsalat wieder auf. Semmeln waren noch da, die Bowle ging zur Neige. Ich kippte meine letzte Flasche Sekt hinein – und noch etwas Obst – und unterhielt mich mit Heike, die das Männerangebot bescheiden fand, sich aber freute, dass Ulli wenigstens ihre Torsten-Aversion nun aufzuarbeiten schien.
„Und Barbara scheint sich mit diesem Marc gut zu verstehen.“
„Ja“, stimmte ich zu, „aber was ist denn nun eigentlich mir ihrem Manuel? Ich meine, braucht sie denn zwei Kerle, wenn andere Leute gar keinen haben?“
„Ich glaube, mit Manuel hat sie sich gekracht. Vielleicht tut ihr ein bisschen Spaß mit Marc ganz gut, und wenn sie ihn satt hat, vermittelst du ihn wieder weiter.“
„Willst du ihn?“
„Nicht unbedingt. Du, dein Chef scheint aber etwas finster drauf zu sein!“
Ich folgte ihrem Blick; Lukas lehnte am Kühlschrank und sah den Trivial Pursuit-Spielern zu. „Kannst ihn ja aufmuntern. Gefällt er dir nicht?“
Sie betrachtete ihn. „Ich weiß nicht. Er hat was Düster-Romantisches, aber ich glaube, der ist tierisch anstrengend. Und er selbst wirkt gar nicht interessiert.“
„Kann sein. Er sträubt sich schon länger dagegen, verkuppelt zu werden.“
In diesem Moment fiel sein Blick auf uns und er hob fragend die Augenbrauen, als er bemerkte, dass wir ihn ansahen. Ich winkte ab und sah nun ebenfalls den Spielern zu, die sich köstlich zu amüsieren schienen, wenn auch ohne explizite Paarbildung.
Richtig solo war nur noch Heike – nein, wo war sie denn hin? Ach, sie stand dahinten und sprach mit diesem Alex, der sie zum Tanzen animieren wollte. Ach was – Ulli tanzte mit Torsten, ausgerechnet auf Samba pa ti – das war doch schon ein Oldie, als die beiden ihre missglückte erste Begegnung hatten? Meine Sixties-CD war hervorragend geeignet, das Einzige, was meiner Wohnung noch fehlte, waren flokatiüberzogene Matratzen am Rande der Tanzfläche. Auf allen Sofas wurde mittlerweile hingebungsvoll geknutscht. Nun, wenn alles nach Plan lief, musste ich mich ja nicht mehr kümmern, oder? Ich sah unauffällig auf die Uhr. Viertel nach zwei... Wegen der Nachbarn musste ich mir nichts denken, die über mir hatten erst letzte Woche die ganze Nacht durchgemacht – mit scheußlicher Musik. Über mir wohnte Peter, und der war hier, neben mir eine stocktaube alte Dame, der alles egal war, und schräg unter mir Alfred, der wahrscheinlich gerade mit der gestylten Ruth in der Bibel las, wenn es ihr nicht gelungen war, ihn zu einem kleinen privaten Schöpfungsakt zu überreden.
Das Pärchen unter mir war gegen sechs zum Flughafen gefahren, zwei Wochen Lanzarote, also konnten wir die ganze Nacht Krach machen, wenn wir wollten, aber so laut waren wir gar nicht. Ab und zu erhoben die Spieler die Stimme und zankten sich, ob eine Antwort galt oder nicht, aber von den Sofas kamen nur Seufzer und Gemurmel, und die Musik im Flur war wirklich auf Zimmerlautstärke.
Ich wollte ins Bad, aber es war besetzt. Ziemlich lange besetzt. Schließlich klopfte ich diskret. Nichts – oder war das eben ein Kichern? Ich klopfte energischer. Nach einer halben Ewigkeit, ich musste die Beine schon energisch zusammenkneifen, wurde endlich aufgeschlossen, und Robbi samt der esoterischen Claudia kamen heraus, reichlich derangiert – um nicht zu sagen, nur noch halb angezogen. Jedenfalls musste ich Robbi bedeuten, seinen Reißverschluss zuzuziehen. Er grinste mäßig geniert, legte einen Arm um Claudia und zog sie in den nächsten Tanz. Gut, für eine Kurzzeitschwägerin war damit gesorgt, freute ich mich, als ich auf der Toilette saß, aber was war mit der anderen? Was trieb Paul eigentlich gerade? Hatte er bei dieser Sandra landen können? Ich zog die Spülung, wusch mir die Hände, stellte im Spiegel fest, dass ich hundemüde aussah, und ging auf die Suche. Paul und Sandra...die spielten mit Trivial Pursuit, offenbar eine neue Runde, und zockten die anderen gerade erfolgreich ab.
Die CD war zu Ende, und in die Stille, die eintrat, während ich die nächste auswählte und einlegte, sagte Ulli ziemlich laut: „Ich glaube, ich muss langsam nach Hause."
Na toll – jetzt wollten plötzlich noch mehr Leute aufbrechen! Torsten bot sich an, Ulli nach Hause zu bringen, Marc und Barbara behaupteten, wenn sie jetzt nicht gingen, schliefen sie morgen im Kino womöglich ein. Wahnsinnig glaubhaft – wollten die in die Matinee?
Mehrere andere schlossen sich an, und im Handumdrehen beendeten auch die Spieler ihre Runde und erklärten, es sei furchtbar lustig gewesen, aber jetzt müssten sie unbedingt sofort ins Bett. Ich zwinkerte Paul zu – meinte er sein Bett oder das von Sandra? Er zog ein Pokerface (na, Lukas konnte das aber besser!) und machte sich mit seiner neuen Eroberung davon. Ich brachte die letzten Gäste zur Tür und schloss dann erleichtert die Tür – fast drei Uhr, ich wollte langsam auch ins Bett. Aber offensichtlich hatte ich tatsächlich einige Bekanntschaften vermittelt und so ein richtig gutes Werk getan. Ich konnte stolz auf mich sein!
Sollte ich noch schnell die herumstehenden Gläser einsammeln? Na gut, einsammeln – aber gespült wurden die heute bestimmt nicht mehr! Ich fand einige Gläser im Flur – wie durch ein Wunder war keines zertreten – und trug sie in die Küche, wo ich alles ordentlich neben dem Spülbecken aufstellte und noch schnell das Trivial Pursuit wieder einräumte. Dabei fiel mein Blick auf die Sofas. Die Unordnung auf dem Tisch dazwischen erstaunte mich weniger - aber dass noch jemand auf dem Sofa lag?