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„Blond wäre mir natürlich am liebsten, aber so wählerisch bin ich gar nicht mehr.“

Ich zählte innerlich bis zehn. „Gib mal den kleinen Kreuzaufsatz. Nein, nicht den, den kleinen, hab ich gesagt!“

Ich nahm ihn entgegen, steckte ihn auf den Akkuschrauber, zog die Schraube an und gab den Aufsatz wieder zurück. „Jetzt halte das Brett mal fest! Nein, nicht so – etwas höher! Zu hoch, einen Zentimeter tiefer – stopp! Bleib so!“

Danach ließ Marc seine Hände erleichtert sinken und fing wieder an. „Und wenn sie auch noch kochen könnte, wäre es natürlich ganz toll, ich hab diesen Tiefkühl- und Pizzafraß so was von satt. Glaubst du, so was finde ich?"

„Nein, mach lieber mal einen Kochkurs, alter Macho. Gib mal ´ne Schraube. Die doch nicht, eine lange, Himmel noch mal, das hier ist der Rahmen!“

Wenn Marc noch was anderes im Kopf hatte als diese imaginäre Traumfrau, war es mir auf jeden Fall noch nicht aufgefallen. Ich saß hier in einem finsteren Winkel in einer erst halb renovierten Wohnung und passte ein Maßregal ein, und er elendete mich mit diesem Schwachsinn!

„Kannst du eigentlich kochen?“, fing er wieder an.

„Ja, aber nicht für dich. So viel Spaß macht es mir auch wieder nicht. Gib doch eine Anzeige auf, Redseliger Schreiner sucht Traumfrau, blonde Köchinnen bevorzugt, oder so.“

„Verarsch mich nicht dauernd! Ich dachte bloß – du gefällst mir gar nicht so schlecht, und du bist doch auch solo, oder?“

„Stellst du dir so was wie eine Notgemeinschaft vor? So nötig hab ich´s auch wieder nicht.“

„Ach, komm, das wäre doch gar keine schlechte Idee, oder?“

„Marc, wenn du einen Notstand hast, ist das nicht mein Problem. Jetzt hör mit dem Schwachsinn auf, ich möchte das Regal heute noch fertig kriegen, wir haben morgen diese Schrankwand in der Tiepolostraße, schon vergessen? Reich mir mal die Haltestifte an, zwei Stück!“

Er reichte mir brav paarweise die Haltestifte, ich brachte sie an, kroch dann aus dem Regal wieder heraus, wischte es sauber – überall Sägespäne, wie immer – und hängte die Regalbretter ein, genau nach der zittrigen Skizze des Auftraggebers. Bloß gut, dass wir selbst ausgemessen hatten! Das Regal passte in die Nische wie die Hand in den Handschuh. Ich fegte auf, immerzu unterhalten von Marcs Gefasel. „Und sportlich sollte sie sein, und später mal Kinder haben wollen. Außerdem wäre es natürlich gut, wenn sie nicht zu dünn wäre, ordentlich Holz vor der Hütt´n wäre schon wichtig.“

„Typisch Schreiner. Du stellst ja ganz nette Ansprüche, Freundchen. Was hast du denn zu bieten – im Gegenzug?“

„Naja, einen sicheren Job... und ich kann ziemlich oft und lange...“ Er grinste lausbubenhaft.

„Idiot! Wen interessiert das, wie oft und lange? Wie gut ist die Frage! Weißt du, oft und lange legt sich bei Männern ja ziemlich schnell, ihr baut doch ab fünfundzwanzig rapide ab. Wenn dich eine deswegen nimmt, ist sie in ein paar Jahren sicher nicht mehr ausgelastet. Wie alt bist du jetzt? Achtundzwanzig?“

„Blöde Kuh. Was sollte ich denn sonst zu bieten haben?“

„Persönlichkeit! Was du bis jetzt genannt hast – dafür tut es ja wohl auch ihr eigenes Gehalt und ein Vibrator. Was macht dich liebenswert – außer dieser kleine-Jungen-Masche und dem pausenlosen Gequassel?“

„Ich bin ein braver Bub!“, behauptete er, „Ich trinke fast nichts, ich rauche auch nicht -“

„Gut, dann muss sie ja keine Angst um die Gardinen haben. Sonst noch was?"

„Ich kuschele gerne, ich bringe sogar mal den Müll runter und ich kann tanzen.“

„Haha!“ Das hatte ich schon mal gesehen und nur bedauert, dass keine Videokamera für einen kleinen Erpresserfilm zur Hand war.

„Also, damit die liebe Seele Ruhe hat – wenn ich mal wieder eine Party mache, lade ich dich ein, dann kannst du ja gucken, ob du da ein passendes Deckelchen findest, du Topf, du. Sammelst du mal das Werkzeug ein?“

Der Auftraggeber, der bis jetzt in einem anderen Zimmer die Tapezierer gequält hatte, kam, um unsere Fortschritte zu begutachten, und äußerte sich zufrieden. „Das ist aber bestimmt kein Tropenholz, oder?“

„In den Tropen gibt es keine Eichen. Das ist europäisches Holz aus nachhaltiger Produktion mit Ökosiegel, schadstofffrei und langlebig. Das Regal können Sie noch weitervererben. Wir benutzen überhaupt kein Tropenholz, nicht einmal aus Plantagen, man kann das zu schlecht kontrollieren. Mit einem feuchten Lappen gelegentlich abwischen, mehr Pflege braucht das Holz nicht. Können wir noch etwas für Sie tun?“

Nein, der Auftraggeber war restlos zufrieden, unterschrieb alles, nahm die Rechnung entgegen, schluckte etwas (billig waren wir nicht, aber gut) und verabschiedete uns.

Auf dem Weg zur Firma brabbelte Marc ununterbrochen weiter, zuerst darüber, dass er hätte fahren müssen, denn Männer führen besser Auto (was mir nur ein verächtliches Schnauben entlockte) dann weiter über seine Traumfrau, die auch tierlieb sein sollte (das hieß also, das Gassigehen würde an ihr hängen bleiben), die gleichen Sendungen wie er lieben musste (also endlose Tennisturniere und wahre Reportagen über den größten Bagger der Welt und ähnlich spannende Dinge) und überhaupt anschmiegsam sein sollte.

„Was verstehst du unter anschmiegsam? Und jetzt hör endlich auf, mir alle roten Ampeln anzusagen, ich bin nicht blind.“

„Dass sie nicht dauernd was anderes machen will. Und nicht dauernd an mir herummeckert.“

„Schön, schön. Dann ist aber doch klar, dass ich nicht die Richtige für dich bin, oder?“

„Naja, schon – aber du hast so einen tollen Hintern.“

Ich gab es auf. Er war ja ein lieber Kerl, aber man konnte ihn wirklich nicht ernst nehmen. Lieber scheuchte ich ihn mit allem Werkzeug aus dem Auto, als wir endlich zwischen diversen Materialstapeln unseren Parkplatz gefunden hatten. Erleichtert wollte ich mich in mein Büro verziehen, um die Entwürfe für einen Laden in der Florianstraße weiter zu bearbeiten, als der Chef mich rief.

„Na, wie war´s?“

„Problemlos, alles hat nahtlos gepasst, auch mit der Rechnung war alles klar. Kann ich bitte beim nächsten Mal einen Knebel mitnehmen, um Marc zum Schweigen zu bringen? Ich weiß jetzt alles über seine Traumfrau, nur nicht, wo

ich sie hernehmen soll, damit endlich Ruhe ist.“

Lukas lachte kurz auf. „Er ist eben ein Kindskopf! Dass es keine Traumfrauen gibt, wird er schon noch lernen, notfalls eben auf die harte Tour.“

„Sag das nicht so, als gäbe es irgendwo Traummänner! Einer schlimmer als der andere. Aber Marc hat wirklich keinen Bezug zur Realität. War´s das? Mit der Ladeneinrichtung hab ich noch einiges zu tun.“

„Frohes Schaffen – und vergesst morgen die Schränke in der Tiepolostraße nicht.“

„Keine Sorge, alles berechnet, zugeschnitten und verpackt. Ich lade es nachher auf.“

Ich sah Lukas nach, als er mein Büro verließ und über den Gang an seinen eigenen Schreibtisch zurückkehrte. Er wurde immer dünner – aß er überhaupt was oder war er einfach ein asketischer Typ? Andererseits konnte er immer noch einen Bretterstapel hochheben, bei dessen Anblick ich schon in die Knie ging. Warum war er schon wieder so finster drauf? Keine Traumfrauen... bestimmt gab es mehr Traumfrauen als Traummänner! Ich kannte jede Menge tolle Frauen, aber eigentlich nur idiotische Männer. Auch egal, seit Moritz reichte es mir wirklich mit den Kerlen. Wie so ein beschissener Seemann, in jedem Hafen eine Braut. Sogar wenn ich daneben stand, musste er Frauen anmachen, und nicht alle waren solidarisch genug, um ihn abfahren zu lassen. Dass ich den losgeworden war, konnte ich auch heute noch nur als Glücksfall bezeichnen. Seine dummen Sprüche (Das hat doch mit uns beiden gar nichts zu tun, das ist rein körperlich, ein Mann braucht das eben manchmal, ich war besoffen, sie hat angefangen, ich liebe doch nur dich) brachten mich wirklich auf die Palme, und erst, als ich ihn dabei erwischte, wie er sich auf einer mir völlig unbekannten Frau heftig abarbeitete und ihr dauernd seine Liebe erklärte, fiel ihm endgültig keine Ausrede mehr ein – vor allem, weil ich die Szene tatsächlich mit dem Camcorder festgehalten hatte, bevor ich mich unüberhörbar räusperte und damit die hitzige Stimmung ruinierte.

Ach, Moritz, du Vollidiot – aber so ungewöhnlich warst du wohl auch nicht. Ich war sicher, dass Lukas noch nicht unter einem entsprechenden Exemplar gelitten hatte, also war seine verbitterte Haltung völlig übertrieben.

Warum verschwendete ich damit meine Zeit? Nächte Woche wollten wir in dem Laden anfangen, also sollte ich mit den Entwürfen langsam vorankommen – alles schaffte auch das beste CAD-Programm nicht alleine.

Ich klickte und bastelte, zeichnete und wählte Holztöne aus, bis meiner Ansicht nach die Einrichtung genau so war, wie es a) die Inhaberin gewünscht hatte und wie es b) zu einem Naturkosmetikladen passte, elegant und umweltverträglich zugleich. Was, schon wieder fast fünf?

Ich rannte hinaus und suchte das Equipment für morgen zusammen, hievte es in unseren Lieferwagen, kontrollierte, ob die Türen aus matt klar lackiertem Buchenholz mit kleinen Intarsien in der Ecke (Lukas war ein Meister in solchen Detailarbeiten) tadellos aussahen und wir für Rahmen und Inneneinrichtung genug Einzelteile hatten, verstaute alles narrensicher – dass ja nichts in einer Kurve umfiel und dabei Kratzer bekam! – und kontrollierte den Werkzeugkasten, den Marc schon wieder so schlampig eingeräumt hatte.

Marc saß in meinem Büro auf dem Tisch – ungefragt, aber wenigstens zerknitterte er keine Entwürfe mit seinem Hintern.

„Was gibt´s denn? Beim Vorbereiten für morgen hättest du mir übrigens ruhig helfen dürfen.“

Er reichte mir einen Computerausdruck, ein wunderschönes Bett mit kunstvoll geschnitztem Kopfteil. Unser kleiner Herrgottschnitzer! „Willst du die Ausstattung für einen Folklore-Porno übernehmen oder für die Lustigen Musikanten oder wie diese Zumutung heißt? Schön, aber etwas sehr volksnah, oder?“

„Na und? Viele Leute stehen auf so was, nicht jeder hat diesen kalten High-Tech-Bürogeschmack.“

„Von mir aus. Hast du einen Auftrag, oder willst du die Möbel auf Vorrat produzieren?“

„Weiß noch nicht, aber wir könnten doch anbieten, dass wir auch freistehende Möbel nach Wunsch herstellen, nicht nur Einbauten, oder?“

„Keine dumme Idee. Ich bin direkt beeindruckt – frag doch Lukas mal, was er davon hält!“

Marc war schon halb zur Tür heraus, aber dann drehte er sich wieder um: „Stimmt das, dass man im Supermarkt leicht Mädels kennen lernen kann?“

„Könnte schon sein, probier´s doch mal aus!“

„Wie macht man das?“

„Sag mal, da fehlt´s aber weit, was? Also auf keinen Fall fährst du sie mit dem Einkaufswagen an und entschuldigst dich dann verlogen, das tut nämlich so gemein weh, dass sie bestimmt nicht in Stimmung sind. Doof ist auch das altbewährte Haben wir uns nicht schon mal gesehen? Ich schlage vor, du lässt dich beraten, etwa vor dem Waschmittelregal oder bei den Fertiggerichten. Da profilierst du dich zum einen als einer, der nicht alles gleich besser weiß, und zum anderen als einer, der sich im Haushalt bemüht und nicht der totale Pascha ist. Das müsste gut ankommen. Zum Dank kannst du sie ja dann auf einen Stehkaffee einladen, im Backshop, der ist doch gleich neben dem Ausgang. Oder kaufst du nicht in dem großen Markt an der Kirchfeldener Landstraße ein?“

„Doch. Und dann?“

„Fragst du, ob sie immer um diese Zeit einkauft, und verabredest dich mit ihr wieder im Supermarkt. Das sieht nicht so nach schneller Anmache aus. Erst viel reden und zuhören, dann grabschen, klar?“

„So doof bin ich auch nicht!“ Jetzt war er eingeschnappt, auch recht.

Ach, Marc, warst du denn früher nie auf Parties? Auf dem Schulhof? In der Berufsschule, in der wir uns doch wohl alle in manchen Fächern zu Tode gelangweilt hatten (Englisch auf Hauptschulniveau, und das nach vierzehn Punkten im Leistungskurs!)? Er musste das Baggern doch besser draufhaben!

Als alles erledigt war, wünschte ich Lukas, der angestrengt auf seinen Monitor starrte, einen schönen Abend und machte, dass ich nach Hause kam.

Schluss mit lustig!

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