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IV

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Kunden waren schon manchmal ein lästiges Volk! Während wir unseren Kram auf dem Teppichboden aufstapelten, Werkzeug bereit legten und zum letzten Mal nachmaßen (wenn wir jetzt einen Fehler fanden, war es ohnehin zu spät), saß der Wohnungsinhaber auf dem Polsterbett mit integriertem Radio im Kopfteil und guckte uns zu. Ich fand im Stillen, dass die bestellte Schrankwand viel zu schön war, wenn man das scheußliche Bett betrachtete – und die Plastiksatinbettwäsche im Leodessin! Die hätte auch zu Peter, dem Möchtegernzuhälter, gepasst.

Er guckte und guckte, während wir die Sockel verschraubten, die Seitenteile und Rückwände einpassten und die Deckplatten vorsichtig aufsetzten.

„Sind Sie sicher, dass das stimmt? Wo ist denn Ihr Chef?“

„Im Büro. Natürlich stimmt das – was irritiert Sie denn so?“

„Nichts Bestimmtes, nur – warum schickt der Meister Hilfskräfte?“

„Wir sind keine Hilfskräfte“, protestierte Marc und zog eine Schraube fest, „wir sind gelernte Schreiner.“

„Ja, Sie vielleicht, aber die Kleine da doch nicht1“

„Doch, ich auch. Was dagegen?“ Ich guckte giftig hinter einem Stapel englischer Schubladen hervor.

„Äh, nein, aber das ist doch ein Männerjob – wie sind Sie denn dazu gekommen?“

„Glück und Ehrgeiz. Nicht alle Frauen sind mit einem Job an der Kasse bei Aldi zufrieden. Sie wollten die Schubladen links in der Mitte?“

„Jaja... ungewöhnlich!“

Ich nahm mir die Führungsschienen vor. „Wieso? In meiner Berufsschulklasse waren zehn Frauen und zwölf Männer, das Verhältnis ist also fast schon ausgeglichen.“

Jetzt schien ihm nichts mehr einzufallen; erst als wir gegen elf eine Pause machten, meckerte er still vor sich hin, dabei fehlten nur noch der kleinere Teil der Inneneinrichtung und die Türen, die an der Wand lehnten. Auf die Idee, uns einen Kaffee zu kochen, kam er aber nicht.

Gegen zwei waren wir fertig, wischten den Schrank noch einmal aus, drückten dem Kunden ein Blatt mit Pflegehinweisen in die Hand und baten um einen Staubsauger, denn ganz ohne Sägespäne ging es eben nie ab. Während Marc saugte, räumte ich das Werkzeug wieder ein (Marc machte mir das zu schlampig), was den Kunden wieder störte. „Warum saugen Sie nicht Staub?“

„Weil er das macht. Ich will sicher sein, dass wir das ganze Equipment wieder eingepackt haben.“

„Hm... seltsam. Aber ich gebe das Blatt mit der Putzanleitung meiner Frau.“

„Na, wenn Ihre Frau fürs Putzen zuständig ist, dann ist das hier wohl für Sie, nicht?“ Ich reichte ihm die Rechnung und bat um eine Unterschrift.

Er unterschrieb zwar, sah mich danach aber verwirrt an. „Wieso ist das für mich?“

„Ich dachte, wenn Sie so traditionsfixiert sind, putzt sie und Sie zahlen dafür? Nein?“

„Nein, das zahlt sie schon auch. Wie komme ich dazu?“

Wozu hielt man sich eigentlich einen solchen Kerl? Er putzte nicht, er zahlte nicht, er redete dumm daher... Die Macht der Liebe? Als wir schon in der Wohnungstür standen, versuchte er noch, Marc vorauszuschicken und sich dann mit mir zu verabreden – eine Frau als Schreinerin, darüber wollte er mehr hören.

„Wir dürfen uns nicht mit den Kunden verabreden, unser Chef ist in dieser Hinsicht sehr streng“, log ich aus purer Gewohnheit. „Ach, das merkt er doch nicht!“

„Und wenn doch? Soll ich meinen Job aufs Spiel setzen?“

„Haben Sie ihn denn so nötig?“

Ich hatte große Lust, die Stichsäge wieder auszupacken. „Haben Sie Ihren Job nicht nötig?“

„Das ist doch was anderes!“

„Wieso? Jeder Mensch muss essen und wohnen, und das kostet eben. Oder wollten Sie mich irgendwo als Nebenbeischlampe in einem Einzimmerappartement halten? Sehen Sie, das wäre Ihnen auch wieder zu teuer!“

„Sie sind ziemlich hart.“

„Gott sei Dank, ja. Sonst würde ich meine Existenz für das kostenlose und unverbindliche Vergnügen der Männer aufs Spiel setzen. Lassen wir´s. Außerdem haben Sie schon eine Frau, und wenn sie schon arbeitet, putzt und Möbel kauft, dann könnten Sie als Gegenleistung doch wenigstens nicht alles anbaggern, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Schönen Tag noch!“

Der würde bei uns nichts mehr machen lassen – aber seine Frau vielleicht, der konnte er diese Szene ja auch schlecht vorspielen! Wir fuhren zurück zu Holz nach Maß, verstauten und ergänzten das Werkzeug, ich legte Lukas den Durchschlag der Empfangsbestätigung und der Rechnung hin und eine Übersicht, wie lange wir gearbeitet hatten, dann begann ich damit, die Einzelberechnungen für den Ladenausbau fertig zu machen, damit wir einiges morgen schon zuschneiden konnten. Marc kam vorbei und setzte sich wieder mal auf meine Schreibtischecke.

„Nimm dir einen Stuhl, du verknautscht die Unterlagen“, murrte ich und tippte weiter.

„Ich war gestern im Supermarkt“, fing er an wie einer, der etwas Weltbewegendes zu erzählen hatte.

„Ist ja prickelnd“, kommentierte ich, weil ich meine Aufreißtipps längst vergessen hatte. „Und? Was hast du Aufregendes gekauft? Nudeln? Klopapier? Kopfsalat?“

„Dieses neuartige Waschpulver, sieht aus wie so kleine grüne Kissen.“ Er strahlte stolz.

„Und du weißt auch, was man damit macht?“

„Klar, ich hab mich ja beraten lassen.“

Jetzt fiel bei mir der Groschen, ich speicherte schnell und sah ihn richtig an. „Du hast deinen ersten Baggerversuch hinter dir? Toll! Erzähl, genau von und Anfang an!“

„Also, zuerst hab ich mir einen Wagen losgekettet -“

„So sehr musst du am Anfang auch nicht anfangen, komm zum Thema!“

„Weiber! Dir kann man´s auch nie recht machen. Na gut, ich brauchte sowieso mal Waschpulver, und diese neuen Dinger kannte ich noch nicht, also hab ich mich mit meinem armer-kleiner-Bub-kennt-sich-nicht-aus-Gesicht davor gestellt und prompt kam eine richtig niedliche Schwarzhaarige vorbei und hat gefragt, ob sie mir helfen kann. Und dann hat sie mir alles erklärt – hast du gewusst, dass sich die Dinger auflösen, wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist? – und ich hab sie zum Dank auf einen Backshop-Kaffee eingeladen. Und morgen gegen fünf kommt sie wieder einkaufen.“

„Dann hast du ja alles befehlsgemäß ausgeführt? Sehr brav! Magst du ein Gummibärchen?“

Ich schob ihm die Tüte hin. „Du nimmst mich nie ernst“, maulte er.

„Nein, aber du bist schon okay. Ist die niedliche Schwarzhaarige überhaupt noch zu haben?“

„Hätte ich das fragen sollen? Das hast du mir nicht gesagt!“

„Ich dachte, das wüsstest du von selbst! Aber vielleicht ist es besser so – wenn du erstmal nett und harmlos wirken willst, musst du das ja auch nicht sofort wissen. Bevor du dich als Sexmonster outest, solltest du aber schon sicher gehen, dass sie nicht schon in festen Händen ist.“

„Sexmonster! Dass ihr Weiber immer so feindselig seid?“

„War doch bloß ein Witz! Du, herzlichen Glückwunsch und alles, aber ich muss jetzt da weitermachen, am Montag fangen wir doch mit dem Ladeneinbau an!“

„Klar – aber wir nicht, du und Lukas, ich darf aufs Telefon aufpassen.“

„Wieso das denn? Na, auch gut, dann kannst du Bekanntschaftsanzeigen lesen, soll ich dir welche mitbringen?“

„Das wird schon was Rechtes sein! Wieso, weiß ich auch nicht, vielleicht ist es kompliziert. Zeig ihm halt mal deine Entwürfe.“

„Gerne, wenn sie schon fertig wären – gewisse Leute halten mich ja dauernd von der Arbeit ab!“

Marc trollte sich, und ich rechnete weiter, bis ich endlich so weit war, dass ich den Zettelwust auf Lukas´ Schreibtisch knallen konnte. Er sah sich alles durch und brummte zustimmend. „Sieht doch tadellos aus. Mit den Messdaten ist das abgeglichen?“

„Mehrfach, ich bin doch keine Anfängerin. Material ist genug da. Buche mit Ökolackierung, Kordelgriffe, Glasplatten und Glastüren. Einen Feng-Shui-Fimmel hat die Tante aber nicht auch noch, oder?“

„Gesagt hat sie nichts, aber -“ Lukas sah mich ganz alarmiert an. „Glaubst du, sie kommt dann mit runden Ecken oder so was daher?“

„Weiß ich nicht, du hast mit ihr verhandelt. Sah sie so aus?“

„Weniger, eher normal. Naja, was heißt schon normal... ich ruf sie an, das klären wir doch besser vorher.“

Als er nach dem Hörer griff, verließ ich taktvoll sein Büro. Den hatte ich ja sauber erschreckt! Aber das war uns schon einmal passiert, da mussten wir ein perfekt berechnetes Eckschränkchen wieder ausbauen und einen anderen Platz finden, weil es an der alten Stelle den Energiefluss oder so behinderte oder in der Gefühlsecke stand oder was auch immer. Natürlich passte es an jeder anderen Stelle nur notdürftig, und das sah man dann auch.

Ich verstand ja nichts davon, und vielleicht war das auch der Schlüssel zum Lebensglück, aber konnten die Leute das nicht rechtzeitig sagen? Das war doch genauso bescheuert wie Wenn ich das so sehe, möchte ich doch lieber Nussbaum!

Ich saß schon wieder am Rechner und legte den Arbeitsplan mit exakter Zeitberechnung fest, als Lukas hereinschaute. „Alles klar, mit Feng Shui hat sie nichts am Hut, sagt sie. Wir können am Montag wie geplant loslegen, wenn ich ihr morgen die fertigen Entwürfe zeige. Wie lange brauchst du denn noch?“

„Hab´s gleich. Ach, nimm das Zeug mit, ich drucke es noch mal aus, für den Arbeitsplan. Kann ich dann gehen? Ich muss noch was bei meiner Mutter abholen.“

„Jaja, geh nur – und danke für den Feng-Shui-Hinweis, das wäre eine böse Überraschung geworden.“ Er versuchte ein Lächeln, aber das konnte er nicht, so viel hatte ich in den zwei Jahren schon gelernt: Wenn er lächelte, gelang ihm immer nur eine verkrampfte Grimasse, als verberge er seine wahren Gefühle. Armer Hund! Ich lächelte zurück, etwas herzlicher, hoffte ich. „Keine Ursache. Bis morgen dann!“

Mami nervte! Ich war gerade mal fünf Minuten da und schon so gut wie taub! Während ich in dem goldfarbenen Plüschsessel klemmte, in den sie mich genötigt hatte, umschwirrte sie mich pausenlos: „Magst du einen Kaffee? Oder doch lieber einen Tee? Obwohl, Koffein am Abend – ich hab da auch einen Kräutertee, oder Früchtetee, Waldbeeren oder Tropenmischung. Und die guten Kekse, die du so magst, du siehst ganz verhungert aus. Ja? Kekse?“

„Nein, danke. Mami, ich wollte weder was essen noch mich setzen, ich wollte lediglich die Theaterkarte abholen.“

„Immer hast du´s so eilig, hast du denn gar keine Zeit für deine einsame alte Mutter?“

„Och, Mami, jetzt drück hier nicht auf die Tränendrüse! Wieviele Abende in dieser Woche bist du einsam zu Hause? Aber ehrlich!“

Sie musste lachen. „Na gut. Montags war Bingo in der Kirche, am Dienstag war Bridge, gestern musste ich mich erholen – zuviel Sherry! – morgen wollte ich mit Herta ins Kino, im CineArt gibt es Miss Marple-Filme, am Samstag ist Sieglindes Silberhochzeit, und am Sonntag kommen Robbi und Paul zum Mittagessen. Es gibt Rheinischen Sauerbraten.“ Sie sah mich hinterlistig an und hatte schon gewonnen. „Rheinischen Sauerbraten...“ Allein die Worte zergingen mir auf der Zunge! „Okay, am Sonntag – um eins?“

Kaum hatte sie wieder Oberwasser, wurde sie frech: „Du bist voller Sägespäne! Und kannst du dich nicht mal etwas weiblicher anziehen? So ist es doch kein Wunder, dass dich keiner beachtet! Dabei bist du so ein hübsches Mädchen, du könntest - “

„Mami! Lass das, bitte. Ich bin kein Mädchen mehr, sondern eine Frau, ich komme direkt von der Arbeit, und wenn ich da im Blümchenkleid aufkreuze, glotzen mir die Kunden bloß unter den Rock. Findest du das gut?“

„Du musst doch immer das letzte Wort haben!“

Ich erhob mich. „Stimmt! Und damit das so bleibt, gehe ich besser, solange ich mir noch einen guten Abgang leisten kann. Danke für die Karte, Geld gibt´s am Sonntag.“

„Lass nur, Kind, die schenke ich dir!“ Sie drückte mir die Karte in die Hand.

„Danke schön – und das ist mein endgültig letztes Wort. Ciao!“

Ich verschwand, bevor sie mir die Szene ruinieren konnte – dieses Spiel spielten wir seit meinen Teeniejahren, aber damals war sie noch böse geworden, wenn ich immerzu Widerworte gegeben hatte.

Schluss mit lustig!

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