Читать книгу Schluss mit lustig! - Elisa Scheer - Страница 7
VI
ОглавлениеAls ich am Sonntag bei Mami ankam, war ich mal wieder die Letzte. Nicht etwa, weil ich zu spät dran war, sondern weil meine Brüder schon eifrig dabei waren, die Speisekammer zu plündern.
„Ihr esst ja wohl alles, was?“, stellte ich fest, als ich lautlos hinter die beiden Gauner getreten war. Robbi ließ vor Schreck ein Glas Gurken fallen. „Schau, was du angestellt hast!“
„Wieso ich? Wisch du nur schön auf!“
Ich setzte mich auf den Küchentisch und sah ihnen zu; Robbi wischte ungeschickt herum und hätte es fast noch geschafft, sich an den Scherben zu schneiden, Paul sackte einen Stapel Fischkonserven ein.
„Warum macht ihr das eigentlich? Seid ihr so pleite?“
„Auch“, gestand Paul, „aber ich nehme alles, wenn ich nicht kochen muss.“
„Ja, dann natürlich“, feixte ich, „diese Fischdinger muss man tatsächlich nicht kochen. Bloß aufmachen und den Inhalt auf ein Brot schmieren, das schaffst sogar du noch. Und dann könntest du den Fisch auch kaufen, anstatt hier Mami zu beklauen.“
„Beklauen? Sie freut sich doch, wenn wir ordentlich was mitnehmen! Sie ist sauer genug, dass du nie etwas haben willst! Und auf das Fischzeugs hat sie mich extra hingewiesen! Was glaubst du, wozu sie das gekauft hat? Sie isst doch keinen Fisch!“
„Stimmt auch wieder“, musste ich zugeben und schlenkerte ärgerlich mit den Beinen. „Aber ich finde es schäbig, dass ihr euch nicht selbst ernähren könnt. Soviel Geld und soviel Kochkunst muss doch gerade noch drinsein, oder?“
„Wir können dafür andere Dinge“, gab Robbi an, der gerade die letzte Gurke in die falsche Mülltüte warf.
„Ach – was denn?“
„Na, zum Beispiel Mamis Staubsauger reparieren!“
Ich schenkte ihm einen müden Blick. „Spinnt der schon wieder?“
„Sagt sie wenigstens.“ Ich holte das altersschwache Ding aus dem Schrank und legte ihn auf den Küchentisch, dann nahm ich den altmodischen Stoffbeutel ab und öffnete die Klappe, hinter der der schwächliche kleine Motor verborgen war. Meiner zu Hause hatte 1200 Watt – und der hier? Wahrscheinlich war die Leitung in Milliwatt zu messen!
Wie üblich war der Keilriemen so mit verfilzten Haaren und festgebackenem Staub umgeben, dass er blockiert hatte. Ich zupfte den Mist ab und warf ihn in den Restmüll, dann klappte ich alles wieder zu, fädelte einen frischen Staubsaugerbeutel in das Stoffding mit dem hässlichen Sechziger-Jahres-Muster und testete ihn. Er jaulte direkt eindrucksvoll und saugte die letzten Glassplitter weg. Okay, vielleicht doch wenigstens hundert Watt...
„Was könnt ihr noch?“, fragte ich dann herausfordernd.
„Spiel dich nicht als große Schwester auf, sonst nehmen wir dich nachher beim Skat aus“, drohte Paul.
„Au ja, ich kann immer Geld gebrauchen, und euer BAföG kommt mir gerade recht. Wenn ihr hier einkauft, braucht ihr ja ohnehin kein Geld.“
„Blöde Schnepfe!“
Ich kicherte, warf einen Blick in den Ofen und ging Mami begrüßen, die im Wohnzimmer auf dem Sofa lag.
„Sind die Jungs noch in der Küche?“, fragte sie, nachdem sie mich umarmt hatte. „Klar, sie räumen die Speisekammer aus“, petzte ich sofort. „Das sollen sie ja, ich will doch noch ein bisschen für die beiden sorgen. Kannst du mal nach meinem Staubsauger sehen?“
„Hab ich schon gemacht. Und ich glaube, der Braten ist fertig. Kann ich dir noch was helfen?“
Sie erhob sich mühsam – ein paar Kilo weniger (etwa zwanzig) hätten ihr das Leben sicher leichter gemacht.
„Komm mit, du kannst mir mit den Knödeln helfen. Und Ihr zwei deckt den Tisch!“, rief sie meinen langfingrigen Brüdern zu, die gerade ihre Beute in den Flur stellten. Beim Essen wurde ich dann gnadenlos ins Verhör genommen.
„Wie war´s denn gestern im Theater?“
„Och, ganz nett, allerdings bin ich nicht sicher, ob ich das Stück ganz richtig verstanden habe, es war schon etwas seltsam.“
„Was für ein Stück?“, erkundigte sich Robbi, der Germanistik, Theaterwissenschaften und BWL studierte und vielleicht selbst mal ein Theater aufmachen wollte. Früher war er der Star des Schultheaters gewesen – als Regisseur.
„Olimpo, von Gaëtano Zalettini. Schon mal gehört?“
„Vage...“, Robbi überlegte hörbar, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ist das das, wo sich erst alle ankeifen und dann kommen die Faschisten?“
„So ähnlich. Und wieso heißen die alle Müller?“
„Keine Ahnung, einer aus meinem Seminar war drin und fand es doof, mehr weiß ich auch nicht.“
Mami hatte uns ungeduldig gelauscht und uns währenddessen ungefragt weiteres Blaukraut auf die Teller gelöffelt – schließlich war Gemüse ja so gesund!
„Steffi, ich hab dich nicht ins Theater geschickt, damit du was über das moderne Drama lernst!“
„Wozu dann?“, wunderte sich Paul.
„Um mich mit Sieglindes unbeweibtem Neffen zu verkuppeln“, erklärte ich.
„Verkuppeln! Übertreib doch nicht so!“
„Na, komm, Mami, sei ehrlich. Übrigens sucht der gar keine Frau, aber ich hab ihm versprochen, wenn ich mal ´ne Fisch-sucht-Fahrrad-Party mache, rufe ich ihn an.“
„Hast du seine Nummer?“
„Klar, und wenn ich weiß, wann die Fete ist, rufe ich ihn auch an. Ich will ihn nicht, der pappt sich die Haare mit Spray fest, aber er findet da schon was.“
„Fisch sucht Fahrrad? Kann ich da auch kommen?“ Paul guckte mitleiderregend.
„Klar! Sag bloß, deine Julia hat dich rausgeschmissen?“
„Nein... aber sie guckt schon so. Zurzeit mache ich alles falsch und werde nur kritisiert, ich glaube, sie will mich abschaffen. Allein heute habe ich den Müll nicht runtergebracht, vergessen, dass wir heute vor zwei Jahren zum ersten Mal zusammen im Kino waren, keine Blumen mitgebracht, nicht gesehen, dass sie eine neue Haarfarbe hat, und gestern Nacht war ich zu schnell fertig.“
„Fertig womit?“
„Mami!“
„Was? Ach so – aber das ist nun wirklich kein Thema fürs Mittagessen. Du findest schon noch die Richtige, mein Junge.“
„Gibt´s die überhaupt?“ Robbi guckte grämlich. „Du kannst auch kommen, ich hab jede Menge Solo-Freundinnen, und dann sehen wir schon“, meinte ich großzügig.
Allmählich verlor ich den Überblick, wen ich alles eingeladen hatte, aber egal. Und jeder durfte noch weitere Singlefreunde mitbringen! Als ich das meinen bedauernswerten Brüdern mitteilte, lebten sie richtig auf und futterten sofort den Sauerbraten-Rest auf, als müssten sie schon Energie für die Party sammeln. Alfred, Peter, Marc, Robbi, Paul, ein paar Freunde, dann brauchte ich auch mindestens zehn Frauen – kein Problem. Ach ja, und dieser Bernd durfte ja auch kommen!
Bis ich mich endlich wieder nach Hause flüchten konnte, war es fast fünf, und wir hatten noch brav im Garten an einem Strauch herumgeschnitten und einigen Kram für den Wertstoffhof eingeladen. Mami konnte sich wirklich nicht über ihre Kinder beklagen! Natürlich tat sie es trotzdem, manche ihrer Freundinnen waren nämlich schon Oma, und wir taten einfach nicht dergleichen. Da konnte sie lange warten, es sei denn, Paul schaffte es noch, dass ihm bei seiner Julia das Kondom platzte.