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VII

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Der Naturkosmetikladen war noch völlig kahl, als wir am Montagmorgen um kurz vor halb acht aufschlossen und begannen, unser Material und das Werkzeug hineinzutragen. Nur der graue Steinfußboden sah ganz ordentlich aus, wenn er anscheinend auch länger keinen feuchten Wischlappen mehr zu sehen gekriegt hatte. Der vorhandene Tresen war potthässlich, aber immerhin enthielt er alle notwendigen Anschlüsse.

Schließlich hatten wir stapelweise geschnittene Paneele und ungeschnittene Bretter, fertige Bauteile und eine Arbeitsplatte hereingeschleift und konnten an die Arbeit gehen.

Mit Lukas konnte man sehr angenehm zusammenarbeiten, denn er hielt die meiste Zeit die Klappe. Marc hätte mir in der gleichen Zeit schon drei Schwänke aus seinem Leben erzählt und seinen Traumfrau-Anforderungskatalog hergebetet.

In friedlichem Schweigen, nur von kurzen Anweisungen und Bitten unterbrochen, verkleideten wir die erste Wand mit den vorbereiteten Paneelen und schraubten dann die Regalhalterungen fest. Während Lukas sich am Nachmittag der zweiten Wand widmete, ging ich daran, den hässlichen Tresen wie vorgesehen zu verkleiden, ebenfalls mit schadstofffrei lackierter Buche, die ich allerdings erst noch zuschneiden musste. Durch das Kreischen der Säge merkte ich erst ziemlich spät, dass die Inhaberin hereingekommen war und sich mit Lukas unterhielt.

Ich verschraubte die mittlerweile passenden Teile und hörte dem Gespräch mit halbem Ohr zu – Musik wäre mir lieber gewesen!

„Kommen Sie gut voran? Kann ich Ihnen etwas bringen?“

„Danke, geht schon“, brummte Lukas und schraubte weiter.

„Sie machen das sehr schön. Dass Sie alleine so viel geschafft haben?“

„Wir sind doch zu zweit!“

Sie guckte kurz hinter die Theke, von wo aus ich ihr vergnügt zuwinkte, aber dafür erntete ich nur ein knappes Nicken.

„Aber Sie sind der Chef?“

Lukas brummt zustimmend. Seine Kundenfreundlichkeit war nicht unbedingt berühmt.

„Und so ein Betrieb läuft gut?“

„Kann nicht klagen.“

„Ich kann ja nur hoffen, dass ich genauso gut zurechtkomme. Wenn ich nächste Woche eröffne, dann kommen Sie doch auch, oder? So schön, wie Sie hier arbeiten, haben Sie das wirklich verdient.“

Lukas antwortete überhaupt nicht mehr, sondern umrundete die Frau stumm, um sich von mir den anderen Akkuschrauber zu holen. Ich zwinkerte ihm zu, aber er behielt sein Pokerface bei. Die Frau sah nicht übel aus, allerdings hatten die intensive Bräune und die blondgesträhnte Mähne mit Naturkosmetik wohl nicht viel zu tun.

Ich arbeitete so lautlos wie möglich an der Theke weiter, weil ich mir diesen Anmachversuch nicht entgehen lassen wollte – köstlich. Nur war der finstere Lukas dafür wirklich das falsche Objekt!

„Sie kommen also?“

„Mal sehen – wenn wir keine Termine haben...“

„Wir?“

„Meine Kollegin und ich.“ Lukas wies hinter die Theke.

„Aber das – ich dachte, das ist bloß ein Lehrling!“

„Nein.“

Sie guckte hinter die Theke, wo ich gerade ein Loch in eine Platte sägte, weil dort das Kabel für die Kasse durchgeführt werden musste. „Sie sind eine Frau?“

Ich sah auf. „Ja, warum?“

„Nur so. Tja, ich muss weg, mit meinen Lieferanten sprechen – Sie kommen alleine zurecht?“ Lukas brummte zustimmend. Der sagte ja auch nichts, wenn er es vermeiden konnte!

Sobald sie ihren Laden wieder verlassen hatte, schnaufte er. „Weiber!“

„Bitte? Die war doch ganz nett?“

„Sie hat dich für den Lehrling gehalten!“

„Wenn schon! Sie hat doch nur ein Cap und Jeans voller Sägemehl gesehen. Und mir kann es doch egal sein, was sie von mir hält, du hast ihr gefallen!“

„Großer Gott, bloß nicht!“

„Nicht dein Typ? Du müsstest ja auch mal wieder unter die Leute, du bist zurzeit nicht gerade toll gelaunt.“

„Nicht mein Typ. Lass mich bloß mit so was in Ruhe. Wie weit bist du mit der Theke?“

Er kam gucken und lobte mich für meine Fortschritte, und den Rest des Tages hielten wir die Gesprächsthemen streng sachlich – Arbeit, Wetter, neue Aufträge. Ich hütete mich, wieder davon anzufangen, dass Lukas sich eine Freundin suchen sollte, damit sich seine Laune hob. Dass mich das nichts anging, hatte ich mittlerweile kapiert. Außerdem hatte ich wohl genug Stress, wenn ich eine passende Frau für Marc auftreiben musste!

Am Dienstagnachmittag hatten wir immerhin die Theke ganz fertig und die beiden Längswände mit Paneelen und Regalbrettern versehen und sie entsprechend geputzt; gemeinsam bauten wir die gewünschten offenen Regale und Schränke mit Glastüren an der Rückwand auf. Lukas war so maulfaul wie immer, außer „Kann ich mal den Schraubenzieher haben?“ oder „Wo ist die kleine Säge hin?“, sagte er so gut wie gar nichts, und ich hütete mich, ihn zuzutexten – ich wusste ja, wie mich selbst das nervte, wenn Marc pausenlos brabbelte. Schließlich betrachtete Lukas aufatmend unser Werk und nickte befriedigt. „Wenn du die letzte Tür eingehängt hast, müssten wir es haben. Weißt du, wo hier Putzzeug ist?“

Ich wies in den Durchgang zu den Nebenräumen. Während ich die letzte Tür einhängte und so lange herumjustierte, bis sie perfekt gerade hing und nahtlos schloss, saugte Lukas die Sägespäne auf und sah mir dann beim Polieren der Glastüren und der Glasplatte auf der Theke zu. „Hast du toll gemacht.“

Ich sah auf. „Wieso ich? Das haben wir doch zusammen gemacht, oder?“

„Aber es sind deine Entwürfe.“

„Nach den Anweisungen der Kundin. Sie hat einen guten Geschmack.“ Warum sagte ich das? Ich fand sie eigentlich etwas blöde – die penetrante Art, in der sie gestern den muffigen Lukas anzumachen versucht hatte!

Lukas schnaubte nur, aber bevor er antworten konnte, kam sie höchstpersönlich herein und sah sich unter Entzückensrufen um. „Fantastisch! Sie sind ja schon fast fertig!“

„Nicht nur fast“, antwortete Lukas kurz, „sobald Sie alles gebilligt haben, sind wir fertig.“

Sie inspizierte sorgfältig Wand für Wand und Schrank für Schrank. Ich folgte ihr mit den Augen. Schickes Kleid, vielleicht ein bisschen kurz, wenn man so sehnig-dünne Beine hatte. Mitte Vierzig war die bestimmt!

Tatsächlich fand sie eine Stelle, an der die Verbindung zwischen zwei Paneelen nicht vollständig versiegelt war – ganz unten an der Ecke.

Lukas setzte sich auf den Boden und besserte die winzige Stelle aus. Sie stellte sich dicht hinter ihn und betrachtete die Regalaufhängungen.

„Könnten Sie dieses Brett um ein Loch höher hängen?“

Lukas drehte sich um, um ihr ins Gesicht zu sehen, und guckte ihr genau unter den Rock – sie stand ja fast schon über ihm! Ich verbiss mir ein Prusten, als er seinen Blick völlig ausdruckslos weiter gleiten ließ und ihr schließlich ins Gesicht sah. „Kein Problem, das mache ich sofort.“ Wir versetzten das Regalbrett, und dann schien ihr wirklich nichts mehr einzufallen. Was hatte sie eigentlich erwartet – dass er sich sofort auf sie stürzen würde? Mich vielleicht gerade noch rausschicken? Als Lukas damit begann, die schweren Geräte ins Auto zu schaffen, kam sie zu mir und wartete, bis mein geräuschvolles Einräumen des Werkzeugs beendet war.

„Was hat er denn?“

„Bitte?“ Kunden gegenüber musste man sich immer dumm stellen, das hatte ich so ungefähr als allererstes gelernt.

„Ist er schwul oder was?“

„Der Chef? Nein...“, ich überlegte kurz. „Ich glaube, er hatte vor einigen Jahren mal einen Unfall mit einer Säge. Einzelheiten kenne ich nicht, er spricht naturgemäß nie darüber.“

„Woher wissen Sie das dann?“ Sie guckte halb erschüttert, halb ungläubig.

„Von einem Kollegen, der kennt ihn schon länger.“

Als Lukas wieder hereinkam, warf sie ihm einen derartig engelhaft-mitfühlenden Blick zu, dass sich seine dichten Augenbrauen sofort misstrauisch zusammenzogen. Sie sagte aber nichts mehr, unterschrieb nur das Übergabeprotokoll und den Lieferschein, nahm die Rechnungskopie entgegen und gab Lukas einen entsprechenden Scheck.

Ihr Abschiedsgruß klang direkt salbungsvoll. Ich winkte ihr zu – mit tapferer Miene, und machte, dass ich ins Auto kam, bevor ich losprusten musste. Lukas schwang sich auf den Fahrersitz und warf mir einen skeptischen Blick zu. „Was hast du wieder angestellt?“

„Ich? Wieso?“

„Spuck´s aus! Was wollte die eben von dir?“

„Wissen, ob du schwul bist. Du hättest auf den Anblick eben reagieren sollen, das Pokerface war wohl zuviel für sie.“

„Notgeile Schnepfe. Was hast du gesagt?“

„Äh – ich hab überlegt, ob ich einfach ja sagen soll, aber dann will sie dich womöglich bekehren... Ich hab gesagt, du hattest mal einen Unfall mit einer Säge... da war sie echt fertig.“

Auf dem Fahrersitz blieb es still. Verdächtig still. Mist, da hatte ich es wohl stark übertrieben? Ich schielte ängstlich nach links. Lukas sah starr geradeaus, aber ein Mundwinkel zuckte verdächtig. Plötzlich bog er rasant ab und stellte sich auf den Parkplatz von Sanitär-Bauer, schaltete den Motor ab und ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken.

„Tut mir Leid, wenn das zu heavy war“, murmelte ich verlegen.

Der schnorchelnde Laut neben mir verwirrte mich völlig, aber da hob Lukas wieder den Kopf und sah mich an, Tränen in den Augen. Dann lachte er brüllend los. „Mit einer Säge, ja? Aua! Und das hat sie geglaubt?“

„Ich weiß nicht recht...“

„Müsste ich dann nicht im Sopran sprechen?“

„Hm... dein Bass spricht schon gegen die Theorie, aber ich dachte eben, weg ist weg, und dann nervt sie dich wenigstens nicht länger...“

Sein Gesicht war zuviel, ich lachte ebenfalls los und konnte mich überhaupt nicht mehr beruhigen.

Wir lachten, hielten erschöpft inne, sahen uns an und prusteten wieder los. Es dauerte ziemlich lange, bis wenigstens Lukas sich soweit beruhigt hatte, dass er wieder fahren konnte. Ich versuchte krampfhaft, ihn nicht anzusehen, um Haltung bewahren zu können.

Wir kamen auch ohne Zwischenfälle auf unseren Hof und begannen mit dem Ausladen. „Trag die Säge bitte rein, die müssen wir reinigen. Die Säge...“ Er wandte sich ab und seine Schultern begannen wieder zu zucken.

Kichernd verräumte ich unsere Ausrüstung, trug die Säge auf den großen Arbeitstisch und begann, sie zu zerlegen. Alles voller Buchensägemehl, das Zeug klebte wie nicht gescheit!

Marc trabte an. „War nicht viel los. Eine Anfrage, wegen einer intarsierten Schrankwand, zwei Rechnungen bezahlt, und ein Herr Reimers hat angerufen, wollte mir aber nicht sagen, um was es ging. Er ruft wieder an, wenn der Chef

da ist. Warum seid ihr so vergnügt?“

Lukas winkte ab und verschwand in seinem Büro, ich nahm Marc in meins mit und erzählte ihm alles. „Und da hat er bloß gelacht?“, fragte Marc ungläubig, als der Sägeunfall abgeschlossen war. „Ich wäre ja stinksauer auf dich!“

„Wieso? Er wollte die Tussi doch nicht, sonst hätte ich der schon was anderes erzählt.“

„Trotzdem – wenn sich das herumspricht! Wie soll er denn jemals wieder eine Frau finden?“

„Er sucht vielleicht nicht so verbissen wie du“, zischte ich, was mir sofort wieder Leid tat, weil Marc dreinsah wie ein Welpe, den man getreten hatte.

„Sorry, aber ich glaube, das ist ihm einfach wurscht.“

„Keinem Mann kann das wurscht sein. Du hast doch praktisch behauptet, er könnte nicht – er hätte nicht – er sei gar kein Mann mehr.“

„Also, er hat nur gemeint, dann müsste er doch eigentlich im Sopran sprechen. Und dann hat er sich halb totgelacht. Keine Angst, über dich werde ich überall das Gegenteil verbreiten, einverstanden?“

„Das Gegenteil?“ Er schaute verblüfft, dann verstand er und blitzte mich wütend an. „Am besten hältst du einfach den Mund.“

„Auch recht“, meinte ich friedlich und schaltete meinen Rechner ein. „Zeig mal lieber die Anfrage, wegen der intarsierten Schrankwand.“

„Hab noch keine Einzelheiten. Der Kunde kommt in den nächsten Tagen vorbei.“ Marc trottete muffig hinaus. Ich grinste ihm nach. Dass die meisten Männer sich mit ihrem mickrigen besten Stück immer so anstellen mussten? Lukas wenigstens nahm die Sache mit Humor, das war ja fast schon ungewöhnlich.

Ich bastelte noch eine Zeitlang an einem Einbauschrank herum, den wir nächste Woche in eine Nische einpassen sollten – Zedernholz, wie in Amerika, gut gegen die Motten, als Lukas Marc und mich rief.

„Ich habe diesen Reimers zurückgerufen“, begann er ohne Umschweife, „und ratet mal, was der wollte?“

„Ein Regal“, schlug Marc vor.

„Eine fette Schrankwand“, übertrumpfte ich ihn.

„Voll daneben. Er hat mir ein Angebot für den Laden gemacht, im Auftrag einer nicht näher bezeichneten Firma. Wie findet ihr das?“

„Wir sahen uns erschrocken an. „Und?“

„Was und?“

„Was hast du geantwortet?“, platzte ich heraus. „Dass ich euch erst fragen muss, was dachtest du denn?“

„Gott sei Dank“, seufzte ich und stellte mit einem schnellen Seitenblick fest, dass auch Marc aufatmete.

Lukas musterte uns ärgerlich. „Glaubt ihr, ich verscheuere den Betrieb einfach so? Ohne euch zu fragen? Außerdem scheint mir das Angebot nicht so gut zu sein. Und warum sollte ich überhaupt verkaufen, wo doch alles so prima läuft?“

„Stimmt. Entschuldige. Warum will uns überhaupt jemand aufkaufen? Sind wir denn eine solche Konkurrenz? Für wen bloß?“

„Bevor ich das Angebot ablehne, versuche ich herauszukriegen, wer hinter diesem Reimers steckt“, versprach Lukas. „So, und jetzt dürft ihr nach Hause gehen, wenn für morgen alles vorbereitet ist.“

Schluss mit lustig!

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