Читать книгу Lösung - Elisa Scheer - Страница 16
Samstag, 15.4.2005: 11:00
ОглавлениеJoe und Anne kamen als erste ins Büro zurück. Anne schnappte sich sofort den Königsjob, sie füllte eine Karteikarte mit den Daten von Cora Willner, 24, wohnhaft in der Agnesgasse 7, aus und heftete sie an die Magnettafel. Der Pförtner im Verlagshaus war wirklich hilfreich gewesen – diese Cora allerdings trieb sich bei irgendeinem Außentermin herum. Zumindest wussten sie jetzt, wer sie war.
„Wir müssten noch wissen, wo dieser Wenzel gearbeitet hat“, stellte Joe fest. „Dieses Herzchen hat doch garantiert auch bei den Kollegen so auf den Putz gehauen. Ui, der Bericht der Spurensicherung!“
Er öffnete den Umschlag und begann zu lesen.
„Der Autopsiebericht ist auch schon da“, stellte Anne fest. „Äh – und die Tatortfotos. Na, mein Typ wäre der nicht gewesen. Sonnenbank, was?“
„Garantiert“, murmelte Joe, in den Bericht vertieft. „Goldkettchen und tiefergelegte Friseuse. Leider müssen wir trotzdem ermitteln. Sehr aufregend ist das alles nicht. Kein Handy, nicht mal Splitter. Nichts gestohlen, keine tollen Fasern, kein gar nichts. Nur ein mittelgroßer durchsichtiger Plastikknopf.“ Er hielt eine Beweismitteltüte hoch. Anne kam herüber und sah sich den Knopf an. „Der hilft uns wenig weiter. Das ist ein Innenknopf.“
„Ein – was?“
„Einer, der in einer Hose oder einem Rock einen Riegel oder so was hält. Der sagt uns nichts über Farbe und Stoff des Kleidungsstücks. Faden ist auch keiner mehr dran. Das kann alles gewesen sein.“
Joe grunzte. „Außerdem kann der auch gar nichts damit zu tun haben. Den kann ja sonst wer verloren haben. Bis Freitagabend war es drei Tage lang trocken.“
„Und er ist mit drei Stichen erledigt worden. Der in die linke Herzkammer war tödlich, der in die Lunge wär´s auch gewesen, wenn er nicht schon post mortem gewesen wäre, und der in den Bauch war harmlos und nur halbtief. Auch post mortem. Sonst nichts, keine Abwehrverletzungen, keine Schlagspuren. Er oder sie muss ihn wirklich überrascht und sofort zugestochen haben.“
„Nichts Ungewöhnliches also. Schade, das hätte uns vielleicht weiter geholfen. So werden wir das ganze Wochenende mit der Sache verbringen.“
„Die nächste Woche garantiert auch“, murrte Anne. „Ade, Spaß am Wochenende. Na, München läuft mir nicht weg. Auch wenn der Typ ein Arsch war, müssen wir den Täter doch drankriegen. So geht´s ja auch nicht!“
„Nach dem Motto Wenn man alle Ärsche umlegen würde, wäre Leisenberg ein Einödhof?“ Anne grinste. „Und ich die Einödbäuerin. Ich bin schließlich die einzig Vernünftige hier.“
„Na, sind Sie da sicher?“, ließ sich Spengler von der Tür her vernehmen. „Für so blöde halte ich mich eigentlich gar nicht.“ Anne war etwas Farbe ins Gesicht gestiegen, aber sie hielt sich tapfer: „Man sollte Zitate, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, nicht überbewerten.“
„Danke für den guten Rat. Oh, ich sehe, Sie sind fündig geworden. Sehr gut! Übrigens hat die Wenzel ein Alibi, die Nachbarin fand unser Opfer zum Kotzen und der gute Achim hat bei Criscom gearbeitet. Ich kenne den Chef dort, ich rufe ihn nachher gleich an.“
„Das ist doch ein ziemlich großer Betrieb“, wandte Anne ein, die dringend punkten musste, „meinen Sie, da kennt der Chef jeden Mitarbeiter?“
„Der schon. Na, warten wir´s ab. Einen Beliebtheitswettbewerb hat unser Opfer jedenfalls nicht gewonnen. Die Witwe wirkt auch nur mäßig traurig.“
„Also könnten sie es von daher mal wieder alle gewesen sein“, folgerte Joe.
Spengler grinste. „Klar. Wenn da nicht die kleine Sache der Alibis wäre. Das von der Witwe hab ich überprüft. Wenn sie nicht gerade mit der Nachbarin, die ja den Wenzel ziemlich furchtbar fand – für die sollten wir auch eine Karte anlegen, sicher ist sicher – gemeinsame Sache gemacht hat, ist sie aus dem Schneider. Die Schwester… da müssten wir noch nachfragen, aber diese Galerie macht erst um eins heute Nachmittag wieder auf. Die Kumpels fanden ihn ja angeblich ganz toll, vielleicht waren sie aber auch neidisch...“
„Anne hatte da eine ganz tolle Theorie“, petzte Joe. „Au – wieso trittst du mich denn?“
„Lassen Sie hören“, verlangte Spengler.
„Ach, es ist sicher nur Schmarrn“, versuchte Anne zu kneifen. „Ich dachte an eine Tippgemeinschaft. Wenn die was gewonnen haben...“
„Nicht so dumm“, lobte Spengler. „Wir sollten bei der Lottogesellschaft nachfragen. Obwohl, wenn es nur ein Fünfer war... manche morden schon für kleine Beträge, das hängt immer davon ab, wie pleite jemand ist... Da werden die uns nicht weiter helfen können. Aber im Auge behalten müssen wir das. Gute Idee, Frau Malzahn.“ Anne sah ihn verblüfft an. „Ehrlich?“
„Leider hat die Bedienung die drei Deppen beim Gläserputzen die ganze Zeit im Auge gehabt. Die waren nicht mal auf dem Klo, während Wenzel draußen war. Sie haben dann den Wirt alarmiert, und der hat Wenzel tot aufgefunden. Die drei haben ein bombensicheres Alibi.“
„Vielleicht haben sie einen Killer engagiert?“, schlug Joe vor, der mit Anne gleichziehen wollte. Spengler und Anne sahen ihn gleichermaßen mitleidig an. „Erstens“, begann Spengler dann, als müsse er einem begriffsstutzigen Kleinkind etwas erklären, „trifft diese Möglichkeit ja nun wohl auf alle Verdächtigen zu – damit wären alle Alibis wertlos. Und zweitens bezweifle ich ernsthaft, dass diese drei Nasen wissen, wo man einen Killer auftut, oder dass sie ihn bezahlen könnten. Das müsste ja schon ein gigantischer Lottogewinn sein.“ Anne ergänzte: „Und erpressbar wären sie dann auch. Das müssten sogar solche Typen schon aus dem Fernsehen wissen.“
Joe ärgerte sich, vor allem, weil er einsah, dass sein Vorschlag nicht allzu schlau gewesen war. „Bleiben eventuell verärgerte Nachbarn, die aber bis auf Frau Beierlein alle ausgeflogen waren“, fuhr Spengler in seiner Bilanz fort, „und möglicherweise Kollegen. Das erinnert mich an etwas...“
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und wählte eine Nummer aus seinem privaten Adressbuch. Nach einiger Wartezeit legte er auf und versuchte eine andere Nummer. Hier wurde er fündig, denn sein Gesicht, von Joe und Anne gleichermaßen verständnislos wie gebannt beobachtet, hellte sich auf, und er schien einen alten Bekannten zu begrüßen.
„Ich verstehe“, sagte er dann, „ja, klar.“
Er notierte sich etwas. „Immerhin. Das hilft uns möglicherweise etwas weiter. Danke. Am Montag dann, gleich am Vormittag? Gut. Grüßen Sie Frau und Kinder – ist Lisa immer noch so kess?“
Er lachte. „Ja, auch wie immer. Gut, bis Montag dann.“
Er legte auf und sah Joe und Anne zufrieden an, ohne etwas zu sagen.
„Wer war das und was hat er beigetragen?“, wollte Anne schließlich wissen.
„Christen, der Chef von Criscom. Wenzels Arbeitgeber. Ich kenne ihn von einem früheren Fall. Sarow, erinnern Sie sich? Jedenfalls weiß nur die Personalchefin alle Einzelheiten über Wenzel, und die ist übers Wochenende verreist und hat ihr Handy nicht an, er hat´s nämlich schon wegen was anderem probiert. Aber er weiß wenigstens, dass Wenzel problematisch war und einmal in eine andere Abteilung versetzt werden musste, weil er eine Auszubildende schikaniert hat. Schikaniert und belästigt, nach dem, was Christen angedeutet hat.“
„Das passt“, stellte Anne fest. „Der hat sich offenbar für Gottes Geschenk an die Weiber gehalten. Und dann wagt es ein Lehrling, ihn nicht für supertoll zu halten? Sakrileg!!“
Spengler grinste. „So etwa scheint´s gelaufen zu sein. Nur war diese Auszubildende gescheit genug, nicht stumm zu leiden, sondern sich zu beschweren. Und prompt hatte Wenzel den Ärger an der Backe. Er soll ihr noch gedroht haben, sich zu rächen, und dann hat Christen persönlich ihm gesagt, wenn dieses Mädchen auch nur das kleinste Problem haben sollte, werde er dafür sorgen, dass Wenzel nie mehr einen Fuß auf den Boden kriegt. Dann war Ruhe – glaubt Christen wenigstens. Am Montag können wir uns mal in seiner neuen Abteilung umhören. Wenn er da genauso weiter gemacht hat...“
„Es bleibt bei den Frauen“, fasste Anne zusammen. „Betrogene Ehefrau, frustrierte Geliebte, belästigte Kolleginnen, entrüstete Nachbarinnen...“
„In jeder Spezies ist das Weibchen todbringender“, warf Joe ein und bekam eins mit einem Aktendeckel übergebraten. „Na bitte, wie ich gesagt habe!“
„Das haben Sie provoziert, Schönberger“, stellte Spengler milde fest. „Ich schlage vor, Sie machen kurz Mittag und klappern dann die übrigen Nachbarn ab. Ich werde mich nachher in der Galerie umsehen.“