Читать книгу Lücken im Regal - Elisa Scheer - Страница 14
XII
ОглавлениеElli freute sich nur mäßig über die Einladung ins Präsidium, denn eigentlich hatte sie immer noch auf einen faulen Nachmittag auf dem Sofa gehofft, nur sie und dieser neue Krimi, der schon so vielversprechend angefangen hatte…
Na gut, um vier sollte sie dort sein und möglichst eine Liste mitbringen, was bis jetzt alles geklaut worden war.
Saublöd, die ließe sich leichter aus dem Bibliothekscomputer herausholen – und das hatte sie diesem Schönberger auch gesagt. Und wenn sie da etwas pampig rübergekommen hatte, war es ihr auch egal!
Andererseits war gegenüber vom Präsidium doch dieser riesige Drogeriemarkt – vielleicht konnte sie nach der Kripo dort noch ein bisschen gucken gehen? Ein anderes Shampoo wäre mal gar nicht so schlecht… so hatte eben alles sein Gutes!
Also, was war nun genau verschwunden… zwei Handschriftenfragmente, soweit sie wusste, der Gieseke, der Sybel-Prachtband über den ersten Kreuzzug – ach ja, dann das vollständige Sammelalbum „Aus der Ritterzeit“ von 1888 mit dem goldgeprägten Ledereinband und fast zweihundert fürchterlich kitschigen, grell kolorierten Sammelbildchen. Sie hatte selbst einmal darin geblättert und war hingerissen gewesen – und zugleich entsetzt über die Geschichtsklitterungen des späten 19. Jahrhunderts. Schön schaurig, war ihr Urteil gewesen. Dass jemand ein hübsches Sümmchen für dieses Prachtstück ausspucken würde, war vorstellbar.
Oh ja, und natürlich der große Atlas „Weltbilder“ – mit exzellenten Repros von sehr seltenen mittelalterlichen Karten. Er hatte bei der Anschaffung schon mehrere hundert DM gekostet und war nun seit langem vergriffen, galt als Sammlerstück und war in Fachkreisen ausgesprochen begehrt. Auch dafür fand sich bestimmt ein zahlungskräftiger Interessent.
Elli schrieb sich das alles auf und fand, den Rest sollte die Kripo gefälligst dem Bibliothekskatalog entnehmen.
Sie bastelte sich dazu noch eine Einkaufsliste, sammelte diversen Müll ein, um ihn auf dem Weg nach draußen loszuwerden, und überlegte, ob sie für das Polizeipräsidium angemessen gekleidet war – Jeans und Ringelshirt: warum nicht? Im Sommer, an einem notgedrungen freien Tag? Es war ja nicht so, als ginge sie zu Hofe…
Als sie schließlich im Präsidium ankam, war es exakt fünf Minuten nach vier, wie sie befriedigt feststellte – man wollte ja auch nicht übereifrig wirken.
Sie wurde in einen großzügigen Raum mit mehreren Schreibtischen und einem gewaltigen Whiteboard geführt, das allerdings ausgeschaltet war. Schade, es hätte sie durchaus interessiert, was die Kripo bis jetzt schon herausgefunden hatte.
Kommissar Schönberger reichte ihr die Hand. „Danke, dass Sie kommen konnten! Ich denke, wir gehen am besten in den Besprechungsraum…“
„Ist das dann so etwas wie ein Verhörraum?“
„Äh, naja – sagen wir, multifunktional? Wir wollen Sie schließlich nicht verhören, sondern nur von Ihrer Sachkenntnis profitieren.“
Nicht ungeschickt, fand Elli und nickte gnädig.
Der Besprechungs- oder Verhörraum war relativ groß und bis auf zwei zusammengeschobene Tische nebst den nötigen Stühlen unmöbliert. Immerhin stand ein Aufnahmegerät auf dem Tisch, und auf einem der Stühle saß ein Mann, denn Elli sofort unauffällig taxierte: Kantiges Gesicht, sehr kurze dunkle Haare, dunkle Augen, Dreitagebart, Kapuzenshirt in leuchtendem Blau – mehr war nicht zu sehen, aber er schien recht groß zu sein. „Grüß Gott“, sagte sie also in leicht fragendem Tonfall und setzte sich auf den Platz, den Schönberger ihr zugewiesen hatte.
„Kommissar Daxenberger, Dr. Eversbach“, besorgte Schönberger die Vorstellung eher nachlässig und setzte sich ebenfalls.
Daxenberger reichte ihr quer über die Tischplatte die Hand. „Grüß Sie. Sie sind die Bibliothekarin?“
„Eher die Bibliotheksaufsicht. Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin. Diese Liste wollten Sie haben?“
Sie zog die Liste aus der Tasche und schob sie über den Tisch. „Vollständig ist sie nicht, dazu müssten Sie die Daten im Bibliotheksrechner mit dem Bestand im Glasschrank abgleichen. Aber diese hier dürften die wertvollsten Stücke sein, abgesehen von den Handschrift-Fragmenten natürlich.“
Daxenberger begann zu lesen und gab ab und zu beeindruckte Geräusche von sich, dann reichte er das Blatt an Schönberger weiter. Ulkige Namensähnlichkeit, fand Elli – in Bayern aber vielleicht nicht so ungewöhnlich…
„Wie viel?“, fragte Schönberger schließlich.
„Fünfstellig auf jeden Fall“, antwortete Daxenberger. „Ich würde grob geschätzt dreißigtausend ansetzen. Für genauere Zahlen müsste ich die Objekte auch sehen können. Der Sybel ist eine Erstausgabe?“
„Ich glaube schon. Das müsste man im Netz rauskriegen können, oder?“
„Vielleicht fahren wir mal schnell rüber?“, schlug Daxenberger vor. „Haben Sie den Bibliotheksschlüssel zufällig dabei?“
Elli nickte und Daxenberger wandte sich an seinen Kollegen: „Spusi ist durch?“
„Ich werde nachfragen.“
Nach einem kurzen Gespräch nickte er. „Alles klar, wir können rein.“
„Aha – dann können wir am Montag wieder öffnen? Manche sind da schon sehr ungeduldig. Workaholics eben.“
„Ach ja? Wer zum Beispiel?“, fragte Schönberger über die Schulter, während er diversen Kram in den Taschen seiner Lederjacke verstaute.
„Na, Wülfert zum Beispiel. Der muss ja bei uns arbeiten, weil ihn die Germanisten rausgemobbt haben. Und Teubner, weil der offensichtlich so schnell wie möglich habilitiert werden will. Sehr ehrgeizig, der Junge. Der hat sich für den Tod von Becky Rottenbucher aber schon gar nicht interessiert, nur gejammert, wo er jetzt arbeiten soll. Ich hab ihn an die Unibibliothek verwiesen und gesagt, er soll sich nicht so anstellen.“
Daxenberger blinzelte wegen dieses Wortschwalls. „Vielleicht kannte er die Frau gar nicht?“
„Mag sein, aber wenigstens ein, zwei Sätze hätte ich doch erwartet. Er muss ja nicht in Tränen ausbrechen, aber so nerdartig muss er doch auch nicht unterwegs sein. Jede Tragödie ist wohl nur dazu da, ihn bei der Arbeit zu stören.“
„Schlechter Zeuge“, vermutete Schönberger. „So einer nimmt ja wohl überhaupt nicht wahr, was um ihn herum passiert.“
Elli konnte ihm nur zustimmen, Daxenberger aber schüttelte den Kopf. „Ich würde mir den Kerl schon mal ganz gerne näher anschauen. Aber jetzt nehmen wir uns diese Bibliothek mal vor!“
Dass sie mit dem Auto hinfuhren, kam Elli etwas albern vor; wie sie es vermutet hatte, dauerte die Parkplatzsuche dann auch länger als die eigentliche Fahrt.
Sie schloss die Bibliothekstür auf, nachdem Schönberger das Siegel durchtrennt hatte, und stieß die Tür weit auf. „Bitte sehr, meine Herren!“
Beide traten ein und blieben sofort wieder stehen. „Wo ist denn der Katalog?“, fragte Daxenberger. Elli grinste – seine Studienzeiten schienen schon etwas länger zurückliegen, denn offenbar hatte er nach einem Karteischrank Ausschau gehalten.
Sie wies auf die Reihe Rechner in der ersten Reihe. „Wenn Sie nach der Signatur GS suchen – GS für Glasschrank -. müssten Sie alle Titel bekommen. Der Drucker steht dahinter.“
Daxenberger setzte sich und schaltete den Rechner ein; Schönberger begehrte den Glasschrank zu sehen, den Elli ihm mit großer Geste präsentierte.
„Schaut nicht gerade voll aus“, kommentierte Schönberger nach einem kurzen Blick.
„Aber es scheint auf den ersten Blick nichts zu fehlen, denn der Dieb war offenbar schlau genug, die Reste etwas günstiger zu verteilen“, fügte Elli mit gerunzelter Stirn hinzu. „Respekt…“
Daxenberger kam zu ihnen, die Liste in der Hand. „Eine ganz nette Sammlung. Lauter nicht wirklich erstklassige Stücke, aber -“
„- Kleinvieh macht ja auch Mist“, ergänzte Elli, was ihm ein überraschtes Grinsen entlockte.
Er begann die Liste langsam vorzulesen und Elli sagte jeweils „Ist da“ oder „Ist weg.“
Schließlich waren sie fertig. „Sieben Stücke fehlen“, zog Daxenberger Bilanz. „Ich werde den Marktwert ermitteln und die Summe so festlegen. Wie gesagt, Rembrandts oder Stundenbücher sind es nicht gerade, aber doch ein beträchtlicher Schaden für die Bibliothek.“
Er legte die Liste beiseite und beugte sich zu dem Schloss des Glasschranks hinunter. „Nicht gut genug“, sagte er dann. „Am besten bringen Sie noch ein Vorhängeschloss an – nein, woran sollte man das befestigen… ich würde eine Kette kreuz und quer um den Schrank wickeln und die mit einem Vorhängeschloss sichern.“
Elli überlegte. „Ich könnte auch die restlichen Bücher in den Safe packen und den Glasschrank mit irgendwelchem ältlichen Kram füllen.“
„Gut! Ich bin gespannt, wer sich dann nach dem Glasschrank erkundigt.“
„Soll ich die anderen Aufsichten entsprechend instruieren?“
„Besser nicht. Theoretisch könnte einer der beiden auch der Dieb und Mörder sein.“
„Sie sind sich sicher, dass Dieb und Mörder identisch sind?“
„Nein, absolut nicht – aber ausschließen kann man diese Möglichkeit schließlich auch nicht. Okay, Sie räumen die Wertsachen aus und ich mache mich auf die Suche nach Dingen, die optisch was hermachen, aber weder wertvoll noch wichtig sind.“
„Percy Ernst Schramm zum Beispiel? Golddruck im Titel, aber genau genommen gelinde veraltet?“
Er grinste. Ein sehr nettes Grinsen, fand Elli, obwohl ihr das ja nun wirklich egal sein konnte. „Danke für den Tipp. Aber etwas mit schrecklichen Abbildungen wäre auch ganz schön. Ich finde schon etwas, keine Sorge. Natürlich lege ich Ihnen alles zur Genehmigung vor.“
„Ich bitte darum!“
Daxenberger verschwand hinter den Regalen und Elli öffnete den Schrank, um die etwas dürftigen Reste herauszunehmen. Schönberger sah ihr zu und wandte sich dann ab, um die Regale der Umgebung zu inspizieren.
„Womit würden Sie hier jemanden niederschlagen?“, fragte er dann.
„Bitte?“ Elli war verdutzt, fasste sich aber rasch wieder. „Jemanden, der mich gerade beim Klauen erwischt hat, meinen Sie? Hm… einen Atlas oder einen Bildband… warten Sie.“
Sie eilte an ein Regal hinter dem Glasschrank und zeigte Schönberger den großen Atlas zur Geschichte des Mittelalters, den Bildband zur Geschichte der Kreuzzüge (größer als DIN A 3 und bestimmt drei Kilo schwer). Daneben bot sie ihm einen (leider recht neuen) Prachtband über sämtliche Kaiser von Karl dem Großen bis Friedrich III, nicht ganz so riesig, aber dafür sehr dick und entsprechend schwer.
„Die Lexikonbände würde ich nicht nehmen, da wäre mir das Format zu klein.“
„Gut beobachtet“, lobte Schönberger, zog sich Handschuhe über und förderte eine Lupe zutage, bevor er die drei empfohlenen Bände in Augenschein nahm.
Elli ließ ihn in Ruhe nach Spuren suchen und schloss den Schrank unter dem Aufsichtstisch auf. Dort befand sich auch ein Tresor und in den schichtete sie die Werke sorgfältig hinein. Die Tür ließ sich danach kaum mehr schließen, aber zu guter Letzt gelang es ihr doch. „Allerdings habe ich keine Ahnung, wer alles die Kombination kennt – aber vielleicht denkt jemand, der die Schätze vermisst, ja auch, wir hätten sie bei der Unibibliothek in Sicherheit gebracht.“
„Hoffen wir mal das Beste“, entgegnete Schönberger abgelenkt, der immer noch den Kreuzzugsband mit der Lupe absuchte.
In diesem Moment kam Daxenberger mit einem hübschen kleinen Stapel zurück und breitete sie gefällig vor Elli aus: „Na, eignen die sich für den Schrank?“
„Schön bunt“, lobte Elli und musterte seine Beute. „Die drei eignen sich hervorragend… bei dem schlagen wir eine gefällige Seite mit Abbildungen auf… das da muss leider zurück ins Regal, das wird in mehreren Seminaren verwendet und wir haben nur ein Exemplar. Oh, das hier ist eine sehr gute Idee!“
Daxenberger grinste wieder so nett. „Irgendwie fühle ich mich, als müsste ich jetzt ein Leckerli kriegen.“
„Als Leckerli dürfen Sie mir beim Arrangieren helfen, weil Sie so brav apportiert haben.“
Gemeinsam verteilten sie die hochstaplerischen Ausstellungsstücke auf die Halterungen in den Schrankfächern und blätterten den Bildband durch, bis sie eine wirklich dekorative Doppelseite gefunden haben, dann bugsierte Elli den Band routiniert auf die Drahtstütze und schloss den Schrank zweimal ab.
„Schaut doch ziemlich überzeugend aus, oder?“
„Nun ja, für jemanden, der aber auch schon gar nichts davon versteht, vielleicht. Ich sehe natürlich sofort, dass das da im Schrank besserer Tinnef ist.“
Jetzt grinste Elli. „Was für ein schönes Wort! Und Sie haben ganz Recht. Vielleicht ärgert sich ja jemand lautstark. Ich habe in der nächsten Woche jeden Vormittag hier Aufsicht und werde gut aufpassen.“
„Und nachmittags?“, fragte Schönberger, während er den Atlas in einer Beweismitteltüte versenkte.
„Sorry. Immer kann ich auch nicht. Vermutlich Hambacher, vielleicht auch Lisa, das sind so die üblichen. Moment, ich schau mal nach!“
Sie blätterte durch das Journal auf dem Aufsichtstisch. „Stimmt, Montag bis Mittwoch Hambacher, Donnerstag und Freitag Lisa Hettl. Na, ich kann zumindest immer sehen, ob sich jemand am Vortag zu schaffen gemacht hat. Aber ganz ehrlich – Hambacher ist ein Sensibelchen und Lisa ist a) harmlos und b) aus wohlhabendem Elternhaus. Teubner macht keine Aufsichten mehr, zu sehr auf seine Habil. fokussiert. Und will so einer sich wirklich die Karriere wegen ein paar Diebstählen versauen?“
„Das klingt wirklich unwahrscheinlich“, fand Schönberger und Daxenberger fügte hinzu: „Zumal der Dieb garantiert nicht den vollen Wert für die gestohlenen Bände bekommen hat. Wenn man die Chance hat, einen Rembrandt zu stehlen, meinetwegen – mit dem Erlös kann man sich in der Karibik zur Ruhe setzen. Aber dafür?“ Er wies auf den Glasschrank.
„Vielleicht hat der Dieb einfach zu nichts Besserem Zugang gehabt“, vermutete Schönberger. „Einen Rembrandt aus dem Museum klauen ist ja schon noch eine Nummer größer…“
„Also muss der Dieb einen Schlüssel für den Schrank haben.“
„Ja, wenn der Schrank auch immer ordentlich zugesperrt ist. Schauen Sie mal her, Frau Eversbach!“
Er drehte den Schlüssel, der noch im Schloss steckte, und schob dann eine Rabattkarte in den Schlitz. Es klickte leise und die Tür sprang einen Zentimeter auf. „Sehen Sie? Ein Kinderspiel für jeden, der die Gelegenheit nutzt und gerade einen unbeobachteten Moment erwischt.“
Schönberger umrundete die anderen beiden und setzte sich auf den Bürosessel der Aufsicht. Dort drehte er sich langsam und nickte befriedigt. „Kein Blick auf diesen Schrank. Ungünstig.“
Elli fühlte sich genötigt, dies zu verteidigen: „Niemand wollte diesen Schrank in den Vordergrund rücken, damit nicht Hinz und Kunz kommt und fragt, ob sie die Handschriften und die Prachtbände mal anschauen könnten. Womöglich mit fettigen Fingern und ohne Handschuhe? Ja, doch, ich weiß“, sagte sie, als sie die skeptischen Blicke der beiden Kommissare bemerkte, „suboptimale Vorgehensweise. Wenn das Zeug keiner sehen soll, hätten wir´s auch gleich in den Safe tun können. Beklagen Sie sich bei Mahlmann, der hat das irgendwann mal so festgelegt.“
„Wie lange arbeiten Sie denn schon hier?“
Elli rechnete zurück. „Zehn Jahre, glaube ich. 2007 habe ich promoviert und dann so einen halbscharigen Vertrag bekommen, ein Seminar, eine Übung, tausend Euro brutto im Monat. Seitdem mache ich Bibliotheksdienst, um das Gehalt aufzubessern. Mittlerweile habe ich natürlich eine ganze statt einer Viertelstelle und bin solider akademischer Mittelbau, allerdings immer noch Jahresverträge. Aber der Bibliotheksdienst ist eigentlich ganz nett und bei den anderen nicht gar so beliebt. Alles klar?“
„Nicht ganz“, antwortete Daxenberger. „Ist dieser Professor Mahlmann schon genauso lange am Institut?“
„Ich glaube, länger. Also, ich habe bei ihm nicht studiert und auch nicht promoviert, aber soweit ich weiß, müsste er etwa seit 2002 hier sein… vielleicht fragen Sie mal im Dekanat nach, dort haben sie die Personalakten der Professoren. Das ist im ersten Stock, auf der Seite, die auf die Katharinenstraße schaut.“
„Vielen Dank, Sie waren sehr hilfreich“, versuchte Daxenberger sie zu verabschieden.
Elli lächelte bedauernd. „Ich muss hier absperren, wenn Sie fertig sind. Aber ich kann auch draußen warten, wenn Sie geheime Ermittlungen anstellen möchten.“
Daxenberger grinste. „Das wäre ganz reizend.“
Also wartete Elli, mit dem Schlüsselbund klimpernd, vor der Tür. Dass der Schrank so leicht aufzuhebeln war, erweiterte den Täterkreis wohl beträchtlich… andererseits war die Mittelalter-Bibliothek nie so besonders frequentiert – und in den Ferien schon dreimal nicht!
Sehr merkwürdig…
Warum klaute jemand so mittelwertvolle Bücher?
Ja, klar – weil die wirklich wertvollen natürlich viel zu gut gesichert waren. Große Museen und Bibliotheken konnten sich so etwas ja auch leisten.
Aber warum klaute jemand überhaupt Bücher? Geld, Schmuck und solcher Kram war doch garantiert viel leichter zu verticken?
Geld müsste man den Leuten klauen. Schmuck? Dazu müsste man wahrscheinlich irgendwo einbrechen…
Konnte man dann also sagen, dass der Täter ein ziemlicher Schisser war? Jemand, der niemanden persönlich angehen oder irgendwo einbrechen wollte oder konnte? Die Bibliothek war anonym genug, das man „niemanden“ schädigte – und hinein kam man auch recht leicht…
Überprüften sie die Bibliotheksausweise eigentlich gründlich genug? Wäre es schwierig, sich eine Kopie zu basteln?
Quatsch! Die Diebstähle waren über einen längeren Zeitraum verteilt gewesen, da hätte ein Nichthistoriker reichlich viel Zeit sinnlos in der Mittelalterbibliothek verbringen müssen. Hier hätte er ja nicht einmal etwas zu lesen gefunden, um die Zeit totzuschlagen. Gut, er hätte seinen Laptop mitbringen können, um stundenlang Siedler oder so etwas zu spielen, solange es lautlos vonstattenging – aber so viel Zeit für doch eine recht bescheidene Beute investieren? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen.
Endlich kamen die beiden Kommissare auch aus der Bibliothek, Elli durfte wieder abschließen und Schönberger bedankte sich.
„Und wie geht es jetzt weiter?“, wollte Elli wissen.
„Wir warten die Ergebnisse der Autopsie und der Spurensicherung ab, auch die von heute“, verkündete Schönberger mit gebremster Freude.
„Und ich werde mich auf die Spur der Diebesbeute setzen“, versprach Daxenberger.
„Am seltensten sind wohl die Handschriftenfragmente“, überlegte Elli.
„Oh, danke für den Hinweis!“
Sofort entschuldigte sie sich, denn sein Dank hatte doch schon sehr süffisant geklungen.
Sie sah den beiden Männern nach, wie sie Seite an Seite die Treppe hinunterschritten, gleich groß, nahezu gleich gekleidet – wie genormt. Aber sie machten einen durchaus fähigen Eindruck, also konnte sie sich jetzt wohl mit anderen Dingen befassen…