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Sprachen in Kontakt und Konflikt

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Die unterschiedlichen Texte, an denen man nicht vorbeisehen kann, repräsentieren und inszenieren das Prestige der jeweiligen Sprachen an einem Ort. Die offizielle(n) Sprache(n) eines Staates oder einer Region sieht man auf den Orts- und Straßenschildern sowie den Beschriftungen und Aushängen der Amtsgebäude; manchmal findet sich auf den Ortsschildern zusätzlich eine Minderheitensprache. Manche Migrationssprachen sind auf Ladenschildern und Speisekarten zu sehen, andere bleiben dagegen unsichtbar. Omnipräsent ist daneben fast überall das Global English.

Wenn sich Sprachen im Kontakt befinden, herrscht fast nie Harmonie. Sprachen ‘kämpfen’ vielmehr um Prestige, ihre Verwendung im Alltag, die Weitergabe an die nächste Generation und damit ums Überleben. Die linguistic landscape kann ein Indikator dafür sein – aber auch im Kampf um Prestige bewusst eingesetzt werden. So ist bei einer Fahrt durch Kanada unübersehbar, wenn man vom englischsprachigen Ontario ins französischsprachige Québec kommt. In Südfrankreich hört man in der Regel kein Okzitanisch mehr, jedoch würdigen heute zweisprachige Ortsschilder die Regionalsprache als Teil des patrimoine (vgl. Kapitel 1.2.1). Während chinesische Schriftzeichen von Montréal bis Genf zu sehen sind, bleiben die Roma sprachlich im Verborgenen. Gegen das Englische wehren sich französischsprachige Staaten ganz aktiv: In Frankreich schreibt die Loi Bas-Lauriol seit 1975 (seit 1994 die Loi Toubon) die Verwendung der französischen Sprache in der Öffentlichkeit, insbesondere in der Werbung vor (vgl. auch Kapitel 4.3.2). Andere Sprachen sind zwar nicht verboten, müssen aber gut sichtbar auf Französisch übersetzt sein. Selbst wenn eine Sprachenschule mit „Do you speak English?“ für sich wirbt, ist eine Übersetzung in einer Fußnote nötig. In Québec steht auf den Stoppschildern nicht wie in Frankreich Stop, sondern Arrêt. Dort, wo indigene Sprachen verbreitet sind, finden sich auf den an Form und Farbe gut wiedererkennbaren Verkehrsschildern auch diverse Entsprechungen. Abb. 1.5 liefert das Beispiel „Ngaabzan“ in der Sprache der Ojibwe. Diese war u. a. im Südwesten Québecs, in Ontario und bis in die USA verbreitet und hat heute nur mehr ca. 33300 Sprecher*innen.

Abb. 1.5:

Stoppschilder in Kanada: Französisch und Ojibwe (© Pustka 2017).

In der linguistic landscape sieht man unterschiedliche Sprachen, aber nicht nur nebeneinander. Manchmal ändert sich die Sprache auch mitten im Satz. In der Sprachwissenschaft spricht man in diesem Fall von Code-Switching (vgl. Kapitel 4.3.1). So wirbt das Pariser Outlet-Center Paddock etwa mit dem Slogan « Be stylé not ruiné » (vgl. Abb. 1.6). Hier finden sich französische Adjektive in englischer Syntax. Das Modewort fr. stylé kommt dabei selbst aus dem Englischen und bedeutet neben ‘todschick’ in der Jugendsprache einfach nur ‘geil’.

Abb. 1.6:

Werbeplakat in einer Pariser Metrostation (© Pustka 2019).

Die App Lingscape

Wer die linguistic landscape systematisch erforschen möchte, kann dies mittlerweile ganz en passant mit dem Smartphone tun: Fotos aufnehmen, die darauf sichtbaren Sprachen annotieren (taggen), mit Kommentaren versehen und schließlich GPS-georeferenziert auf eine Google Maps-Karte mit angeschlossener Datenbank ins Internet hochladen. Die User*innen sehen ihren Eintrag unmittelbar im Netz und können ihn per Facebook oder Twitter mit ihren Freund*innen teilen. Durch solche Techniken, die großen Spaß machen, können Sprachwissenschaftler*innen die breite Bevölkerung dafür motivieren, sich an der Datensammlung zu beteiligen (citizen science). Wenn das in großem Stil passiert, spricht man von Crowdsourcing. Man kann die App auch sehr gut im Fremdsprachenunterricht einsetzen, um Schüler*innen für die (Omni-)Präsenz der gelernten Sprache in ihrer alltäglichen Umwelt zu sensibilisieren (vgl. PURSCHKE 2017, 2018 sowie PUSTKA 2021b zum Französischen in Wien).

Französische Sprachwissenschaft

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