Читать книгу Polizeidienst en français - Elko Laubeck - Страница 11

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8.

Das Hotelzimmer war schlicht eingerichtet, den üblichen Standards entsprechend, ein französisches Doppelbett, ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen am Fenster, das mit Jalousien verhängt war, eine zweiflügelige Balkontür war ebenfalls mit Jalousien verhängt. Ein Fernseher war an der Wand befestigt, mit Satellitenanschluss und Fernbedienung, es gab eine Schrankwand im Eingangsbereich und gegenüber ein Duschbad, unter dem Fernseher eine Anrichte. Auf einem der Nachttische stand ein Ventilator. Pocher richtete sich ein.

Er öffnete die Balkontüren, zog die Jalousien hoch, einen Balkon gab es jedoch nicht, sondern nur ein schmiedeeisernes Gitter mit einem Geländer in Hüfthöhe. Auf der Straße herrschte immer noch Betrieb. Pocher atmete die warme Luft ein und ließ sich von den vorbeifahrenden Autos und dem Stimmengewirr der Fußgängergruppen ablenken, die zum Teil mit laut knarrenden Rollkoffern vorbeizogen, vermutlich, weil sie gerade mit der Bahn angereist waren. Der Bahnhof lag dem Hotel direkt gegenüber, und die Avenue Victor Hugo war offensichtlich der wichtigste Verbindungsweg vom Bahnhof in die Stadt hinunter. Dann wich Pocher wieder zurück, ließ die Balkontüren zwar offenstehen, die Jalousien aber wieder herab. Im Zimmer war es kaum kühler als draußen, er startete eine kleine Klimaanlage, die jedoch kaum etwas ausrichtete.

Pocher zog sich Hemd und Hosen vom Leib, legte die Sachen sorgfältig über einen Stuhl und nahm die Dusche in Betrieb. Der lauwarme Wasserstrahl spülte die Spuren der Reise und der überfallartigen und schweißtreibenden Begegnung mit der Hitzewelle, die über Südfrankreich hinwegzog, hinunter. Er fühlte sich angenehm entspannt, so ließ sich das Leben aushalten, dachte Gerd. Weniger angenehm war es ihm, dass er um den Bauch herum etwas zugelegt hatte und mit den Händen aus seiner Körperoberfläche um die Taille herum kleine Wülste formen konnte. Der Speck muss weg. Er nahm sich vor, trotz der Hitze wieder etwas mehr Sport zu treiben als in den vergangenen drei Jahren. Außerdem glaubte er, allein durch die Bewegung in der Hitze mehr Fett zu verbrennen. Aber er fand auch, dass sich der Bauchansatz noch in Grenzen hielt. Sein BMI war immer noch von der fünfundzwanziger Marke weit entfernt. Tatsächlich lag er bei 24,6. Das hatte er ausgerechnet, als er zuletzt auf der Waage gestanden hatte, 78 Kilogramm geteilt durch 1,78 zum Quadrat, was aber auch schon wieder vor etlichen Wochen gewesen war.

Dann schmiss er sich aufs Bett und zappte sich durchs Fernsehprogramm. Zufällig stieß er auf eine Reportage in einem Kulturkanal, einen Bericht über einen der spektakulärsten Kunstraube der französischen Geschichte. Im Laufe der Sendung konnte er den Anlass ausfindig machen. Es war der zehnte Jahrestag. Es ging um den Diebstahl einer Marmorstatue aus der Antiken-Abteilung des Louvre. Und im Fernsehen liefen noch einmal die Bilder aus der historischen Pressekonferenz.

„Mesdames et Messieurs“, begann Phillip Reynouard die Pressekonferenz in der Halle des Palais Royal in Paris. „Eines der bedeutendsten und wertvollsten Stücke unserer Sammlung ist abhandengekommen. In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde aus der Antikensammlung des Louvre die Aphrodite von Melos, bekannt auch als Venus von Milo, gestohlen. Die Diebe müssen mit größter Professionalität ans Werk gegangen sein und alle Sicherheitseinrichtungen und Überwachungsanlagen ausgeschaltet haben.“

Hinter der Reihe der Leute am Konferenztisch waren plakat-große Abbildungen der Venus aus verschiedenen Perspektiven aufgestellt.

„Die Täter müssen sich im Louvre bestens ausgekannt und auch Zugang gehabt haben“, fuhr der zuständige Abteilungsleiter im Kulturministerium fort. „Es wurden keine Spuren eines gewaltsamen Einbruchs entdeckt. Außerdem ging es ihnen offenbar gezielt um die Venus. Andere Skulpturen waren unberührt an ihren Standorten geblieben, auch sind alle Gemälde noch an ihren Plätzen.“

„Es ist in der Tat ein schwarzer Tag in der Geschichte des größten Museums“, ergriff Valeri Harnoncours, Sprecher des Innenministeriums, das Wort. „Wir gehen davon aus, dass sich die Täter in den Zentralrechner des Museums beziehungsweise aller Museen in Paris, die daran angeschlossen sind, gehackt haben, um die Sicherheitssysteme zu manipulieren. Es müssen mehrere Täter am Werk gewesen sein, und sie müssten mit Gerätschaften wie einem Minikran ausgerüstet gewesen sein, um die etwa eine halbe Tonne schwere Marmorstatue abzutransportieren. Drei Wachleute waren bei dem Raubzug überwältigt und betäubt worden, ehe sie Alarm schlagen konnten. Wir haben sie am nächsten Morgen in einem Putzmittelraum eingeschlossen gefunden. Wir stehen vor einem Rätsel: Die Venus ist spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.“

Die Nationalpolizei fahnde in alle Richtungen.

Während der O-Ton der Pressekonferenz weiter zu hören war, wurden in die Dokumentation Bilder der berühmten Frauenstatue eingeblendet.

„Wir haben eine bis zu 200-köpfige Sonderkommission Venus gebildet, im Wesentlichen aus der Abteilung organisierte Kriminalität“, sagte ein Mensch, den eine Bauchbinde als Fréderic Normande, Sprecher der Polizeidirektion, benannte. „Wir haben natürlich Kontrollen durchgeführt an den Ausfallstraßen, aber nicht den leisesten Hinweis bekommen. Wir hoffen nun natürlich, dass wir womöglich durch Ihre Berichterstattung doch noch den einen oder anderen Hinweis bekommen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

„Sie glauben doch wohl nicht, dass sich einer die Venus in seinem Vorgarten aufgestellt hat“, scherzte ein Reporter. „Aber im Ernst, wie kommt jemand auf die Idee, ausgerechnet die Venus von Milo zu stehlen? Ich meine, sie ist zwar von unermesslichem ideellen Wert. Aber auf dem Kunstmarkt kann sie sicherlich nicht ohne Weiteres verscherbelt werden.“

„Da haben Sie recht“, antwortete Reynouard. „Für Stücke von einem derartigen Bekanntheitsgrad, die Venus gehört zu den weltweit am meisten kopierten Statuen, gibt es keinen Markt, auch keinen Schwarzmarkt. Es muss ein Liebhaber, ein Verrückter sein, der ein solch wertvolles Kulturgut stiehlt, wohl wissend, dass niemand jemals davon erfahren darf.“ Er wies auf einen Informationstisch hin, auf dem Pressemappen bereit lagen mit Texten und Beschreibungen des Kunstwerks und je einer CD mit hoch auflösenden Abbildungen der Statue, die zur Veröffentlichung bestimmt seien.

„Wochenlang schnüffelte die Polizei in Paris und ganz Frankreich in allen Hinterhöfen, suchte alle möglichen Verstecke ab. Die Venus blieb verschollen. Die Polizei stocherte ein Jahr lang im Nebel“, kommentierte eine Sprecherin Bilder von Polizeikontrollen.

„Dann bekam das Kulturministerium eine Botschaft“, kam nun die Sprecherin selbst ins Bild. In einer Bauchbinde mit dem Logo des Senders Arte wurde sie als Mireille Lafontaine vorgestellt, Autorin der Dokumentation. „Ein Erpresser meldete sich und fragte an, ob der Regierung die Venus 50 Millionen Euro wert sei. Es folgten weitere Botschaften mit dem Hinweis, den sicheren Ort, der noch in Frankreich sei, zu verraten, wenn sie ihm 50 Millionen Euro in kleinen Tranchen auf diverse Bankkonten in der Schweiz, in Liechtenstein, Panama und anderen Ländern überweisen würden.

Fieberhaft versuchte die Polizei, die Herkunft dieser Botschaften zu ermitteln, während man sich im Ministerium schon darauf geeinigt hatte, auf keinen Fall auf die Geldforderung einzugehen. Alle Fahndungsversuche verliefen im Dunkeln. Der Absender war nicht auszumachen.

Zwei Jahre später, es waren keine weiteren Botschaften des Erpressers mehr eingegangen, es hatte offenbar Funkstille geherrscht, um die Zeit für sich spielen zu lassen, zwei Jahre später kam Phillip Reynouard bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Heute, zehn Jahre später, ist von dem spektakulären Raub der Venus nicht mehr die Rede. Die Sonderkommission, die schon seit Jahren ohnedies nur noch auf dem Papier bestanden hatte, wurde vor drei Jahren offiziell aufgelöst.“

Es geriet wieder eine Kamerafahrt ins Bild, die unablässig die Venus von Milo, wie sie noch im Louvre stand, umkreiste. Darauf wurde der Abspann eingeblendet, Autorin, weitere Sprecher, Redaktion, Kamera, Schnitt, Regie und so weiter.

Pocher wunderte sich über den Bericht, denn er hatte es zehn Jahre zuvor nicht mitbekommen, dass die berühmte Marmorfigur gestohlen worden war. Als Schüler hatte er sie einmal im Original gesehen, als sie auf Klassenfahrt in Paris gewesen waren und ein Besuch des Louvre auf dem Pflichtprogramm gestanden hatte. Ansonsten hatte er sich für antike Kunst auch nicht sonderlich interessiert. Seinerzeit hätte er alles dafür gegeben, einmal Melanies Brüste zu sehen und auch zu berühren, aber er hatte sich damals als pubertierender Junge nicht getraut, die Klassenkameradin anzufassen. Er hatte sie noch nicht einmal geküsst, obwohl er bis über die Ohren in sie verliebt gewesen war. Die antike Statue war aus Marmor gewesen und hatte ihn kalt gelassen.

Pocher schlüpfte in frische Hosen und ging noch einmal in die Halle hinunter, setzte sich auf die Straßenterrasse, bestellte ein Glas Vin blanc de la maison und beobachtete gedankenverloren das Treiben auf dem Bahnhofsvorplatz. Allmählich schienen sich die Straßen von Agde zu leeren. Nur noch wenige Menschen saßen in dem Hotel, und auch aus dem Bahnhof kamen nur noch vereinzelt Reisende, nachdem ein Zug angehalten hatte. Er beobachtete ein Pärchen, das sich leidenschaftlich umarmte, und ersann die Geschichte dazu, dass der Mann seine Freundin vom Bahnhof abholte, nachdem er sie eine lange Zeit nicht in den Armen gehabt hatte, wie romantisch!

Eine Sekunde lang überlegte Gerd, ob er sich nicht bei Madame Lapin, Madame Commissaire, noch einmal ins Zeug legen sollte, aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Er bestellte ein zweites Glas Blanc und sortierte seine gemischten Gefühle. Er war hier als Polizist, als Ermittler in Strafsachen, und er wollte seine Sache gut machen. Das war sein eigener Anspruch.

Im Augenblick fühlte er sich zwar so, als ob er in Urlaub wäre, aber er ahnte, dass der nächste Tag nicht einfach sein würde. Im Zimmer war es noch drückend warm. Pocher ließ den Ventilator laufen, der, sich hin und her drehend, die warme Luft über seinem nackten Rücken verteilte.

Polizeidienst en français

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